Die Opfer sollen nicht vergessen werden
Bürgergruppen fordern einen Gedenkort auf dem Roedeliusplatz im ehemaligen Stasi-Viertel an der Normannenstraße





Im alten Amtsgericht am Roedeliusplatz tagte nach dem Zweiten Weltkrieg ein sowjetisches Militärtribunal und sprach drakonische Strafen über Kriegsverbrecher und solche aus, die dafür gehalten wurden. Hinrichtungen fanden im benachbarten Gefängnis an der Magdalenenstraße statt (rechts), das heute eine JVA für Frauen ist.





Im früheren Ministerium für Staatssicherheit an der Ruschestraße werden die original erhaltenen Amtsräume von Minister Mielke und zahlreiche Hinterlassenschaften des MfS gezeigt.Im Gebäude an der Normannenstraße links befand sich die Poststelle des MfS, heute ist hier ein Finanzamt untergebracht.



Die frühere Glaubenskirche am Roedeliusplatz heißt heute Sankt Antonius und ist heute ein koptisch-orthodoxes Gotteshaus.



1998 wurde am Eingang in der Alfredstraße 11 eine Gedenktafel mit Angaben über die düstere Vergangenheit des Hauses enthüllt, das von den frühen 1950-er Jahren bis zum Ende der SED-Herrschaft und DDR 1989/90 eine von mehreren Untersuchungshaftanstalten des MfS war. (Fotos: Caspar)

Wenn in Berlin von Erinnerungsstätten an die Verbrechen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR die Rede ist, wird zumeist auf das Hauptquartier von Minister Erich Mielke an der Ruschestraße im Bezirk Lichtenberg und das zentrale Untersuchungsgefängnis im Ortsteil Hohenschönhausen verwiesen. Dass es darüber hinaus auch noch andere Orte des Schreckens, der Drangsalierung und Überwachung der DDR-Bewohner sowie der Spionage im Westen gab, ist eigentlich nur Historikern sowie denjenigen bekannt, die hinter den Mauern der Stasi gelitten beziehungsweise dort als hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter sowie als "Kundschafter an der geheimen Front" tätig waren. Ein Blick in die Geschichte klärt darüber auf, dass der sowjetische Geheimdienst NKWD schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg im Ostberliner Bezirk Lichtenberg seine Arbeit auf. In der Kapelle des früheren Amtsgerichtsgefängnisses und heutigen Frauengefängnisses zwischen Alfredstraße und Magdalenenstraße tagte von 1945 bis 1955 ein sowjetisches Militärtribunal, das Todesurteile und hohe Zuchthausstrafen aussprach und zahllose Menschen mit oft fadenscheinigen Begründungen auf Nimmerwiedersehen in die Sowjetunion deportieren ließ. Die Hinrichtungen fanden in dem Gebäudekomplex statt, der sich heute durch seinen gelben Anstrich von den übrigen Gebäuden abhebt.

Der viergeschossige Bau war von einer vier Meter hohen Mauer sowie Wachtürmen umgeben. Offiziere und Wachmannschaften wohnten in der Umgebung in Häusern an der Magdalenenstraße, die von der Besatzungsmacht beschlagnahmt worden waren. Das Gefängnis in einem dicht bebauten Wohngebiet nahe der Frankfurter Allee hatte in der sowjetisch besetzten Hälfte Berlins einen schrecklichen Ruf. Das 1950, gleich nach der Bildung der DDR, gegründete Ministerium für Staatssicherheit okkupierte ein ganzes Viertel entlang der Frankfurter Allee, Ruschestraße, Normannenstraße und Magdalenenstraße und besetzte es mit zahlreichen Neubauten. Hier hatte Stasiminister Erich Mielke seinen Amtssitz, von hier aus gingen die Befehle an die hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeiter, und hier drangen am 15. Januar 1990 aufgebrachte Bürgerrechtler ein, um die noch von Mielke angeordnete Vernichtung von brisanten Stasiakten und Namenskarteien zu unterbinden. Wenn man vom U-Bahnhof Magdalenenstraße durch die Straße gleichen Namen zum Roedeliusplatz geht, kommt man zur Glaubenskirche mit zwei spitzen Türmen, die von 1903 bis 1905 im damals beliebten historistischen Stil errichtet wurde und seit 1998 unter dem Namen eine koptisch-orthodoxe Kirche ist.

Seit Jahren fordern Bürgerkomitees und Opfergruppen, dass endlich auf dem nach einem Kommunalpolitiker des 19. Jahrhunderts benannten Roedeliusplatz eine Gedenkstätte eingerichtet wird. Sie soll daran erinnern, dass der NKWD-Keller in der am Roedeliusplatz gelegenen Schottstraße 2, das Gefängnis Magdalenenstraße/Alfredstraße, die Normannenstraße 22 an der Ecke Normannenstraße /Roedeliusplatz (heute Finanzamt) und weitere Bauten zentrale Adressen des DDR-Geheimdienstes waren, der sich als Schild und Schwert der SED verstand und rücksichtslos deren Alleinvertretungsanspruch durchsetzte. Da sich der Normannenstraße die Poststele des MfS befand, wird diese Straße generell mit dem DDR-Geheimdienst in Verbindung gebracht. Es wird berichtet, dass zahlreiche Gefangenentransporte nach der Niederschlagung des Volksaufstandes vom 17. Juni 1953 in dem streng bewachten Gebäude eintrafen.

Bisher spielte der Roedeliusplatz als Ort der Unterdrückung von DDR-Bürgerrechtlern und Oppositionellen im öffentlichen Bewusstsein kaum eine Rolle. Das soll sich nun ändern. Da bisherige Entwürfe für die Um- und Neugestaltung des Ortes rund um die Kirche sowie das alte Amtsgericht mit Bänken und Lampen, Rasen, Rabatten und einem Spielbereich für Kinder die Tätigkeit der DDR-Geheimpolizei nur ungenügend berücksichtigt hatten, wird von allen Seiten nach einer Überarbeitung der Wettbewerbsentwürfe gerufen. Vor allem der Opferverein "Bürgerkomitee 15. Januar" wünscht sich einen Gedenkort, der den Opfern des DDR-Geheimdienstes gerecht wird. Der Stadtbezirk Lichtenberg steht unter Druck und muss handeln, denn die Gestaltung des Roedeliusplatzes ist inzwischen auch in der Berliner Landespolitik angekommen. Wie die Gedenkstätte aussehen und wo sie eingerichtet werden soll, ist noch unklar. Die an der Planung beteiligten Büros und Institutionen kommen in den nächsten Tagen zum Gespräch zusammen. Die Einweihung wird für 2019 angestrebt, wenn der 40. Jahrestag des Falls der Mauer und des Endes der SED- und Stasiherrschaft begangen wird.

5. Januar 2018



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