Ehrung für couragierte Professoren
Niedersächsischer Landtag erinnert in Hannover an die Courage der "Göttinger Sieben"



Der Niedersächsische Landtag hat 1998 den Göttinger Sieben ein eindrucksvolles Denkmal gewidmet, das nicht nur an ein wichtiges Ereignis der deutschen Verfassungsgeschichte erinnert, sondern auch zeigt, dass die mutige Initiative der Gelehrten ein Markstein auf dem Weg für das erste gesamtdeutsche Parlament war, das 1848 in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat.





Ernst August von Hannover reitet unverdrossen vor dem Hauptbahnhof der niedersächsischen Landeshauptstadt. Der gleiche Monarch spielt bei Denkmal für die von ihm verfolgten "Göttinger Sieben" eine vom Künstler erdachte Nebenrolle.



Zur Denkmalweihe wurde diese Medaille mit dem Kopf König Ernst Augusts geprägt und an Ehrengäste verteilt. Ab und zu wird sie vom Münzhandel angeboten. (Fotos: Caspar)

Eine der ersten Amtshandlungen des Königs Ernst August von Hannover war nach seiner Thronbesteigung im Jahre 1837 die Beseitigung liberaler Errungenschaften, die unter seinem liberalen Vorgänger eingeführt worden waren. Ernst August, dessen Reiterdenkmal mit der verlogenen Inschrift "Dem Landesvater sein treues Volk" vor dem Hauptbahnhof der niedersächsischen Landeshauptstadt steht, setzte das Staatsgrundgesetz von 1833 außer Kraft, entband seine Beamten vom Eid auf diese Verfassung und löste die Ständeversammlung auf. Der Monarch errichtete eine Alleinherrschaft, gegen die sich Protest regte. Sieben Professoren der Universität Göttingen fühlten sich weiter an ihren Diensteid gebunden und forderten vom König in einer "Untertänigsten Vorstellung", er möge von seinem offenkundigen Rechtsbruch Abstand nehmen. Schließlich habe er bei seiner Thronbesteigung versprochen, an der Landesverfassung unverbrüchlich festzuhalten.

Unterzeichner der Petition waren der Jurist Wilhelm Eduard Albrecht, der Historiker und Staatsrechtler Friedrich Wilhelm Albrecht, der Orientalist Heinrich Ewald, der Literaturhistoriker Georg Gottfried Gervinus, die Germanisten Jacob und Wilhelm Grimm, die uns das Deutsche Wörterbuch und eine berühmte Sammlung von Märchen beschert haben und in Berlin ehrenvoll aufgenommen wurden, sowie der Physiker Wilhelm Weber. In die Geschichte gingen die Professoren als "Göttinger Sieben" und als Vorbilder für persönlichen Mut und den unbedingten Willen ein, Rechauffassungen zu verteidigen, auch wenn diese Haltung das Amt und vielleicht sogar das Leben kosten würde.

Hier Mut dort Unterwerfung

Geschaffen von dem italienischen Bildhauer Floriano Bodoni, besteht das Bronzemonument aus einem sechs Meter hohen, halb geöffneten Portal, um das die Göttinger Professoren, ihr Widerpart König Ernst August hoch zu Ross sowie ein Student gruppiert sind. Die des Landes verwiesenen Gelehrten steigen außerhalb des Tores die Treppen hinab und gehen ins Exil. Ob es ihnen die ersehnte Freiheit und neue Entfaltungsmöglichkeiten bringt, steht dahin, denn wo wurden in ihrer Zeit schon Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, Mitbeteiligung an den öffentlichen Angelegenheiten, Freiheit der Lehre und Verzicht auf Zensur respektiert? Andere Professoren warten in der Bronzegruppe zögernd und ängstlich hinter der Tür das Geschehen ab und stehen weiter unter der Knute des absolutistisch regierenden Königs. Der Künstler verzichtete darauf, den in faltenreiche Gewänder gehüllten Gestalten mit nackten Füßen authentische Gesichter zu geben, obwohl es dafür reichlich historisches Porträtmaterial gegeben hätte. Vielmehr porträtierte er sich selber in der Figur von Jacob Grimm sowie ihm nahestehende Personen, bei denen er Parallelen zum Verhalten der historischen Akteure von 1837 zu sehen glaubte.

Isoliert von der Gruppe der Aufrechten reitet unberührt und in denkmalhafter Pose König Ernst August, ein finsterer Despot, der zu Lebzeiten den ganzen Zorn der geistigen Eliten in Deutschland auf sich gezogen hat und in der Geschichtsschreibung schlecht weg gekommen ist. Sein von Albert Wolff geschaffenes Reiterdenkmal aus Bronze vor dem Hauptbahnhof der Landeshauptstadt ist ein beliebter Treffpunkt. Dargestellt ist der Monarch in voller Husarenuniform mit einer hohen Mütze auf dem Kopf. Das Standbild wurde vom Sohn und Nachfolger, König Georg V., gestiftet. Bei seinem Anblick sind Zweifel angebracht, ob die Widmung DEM LANDESVATER SEIN TREUES VOLK zutrifft. Der Monarch war ein erzkonservativ Autokrat und stand allen Neuerungen gegenüber ablehnend gegenüber. Der Historiker Heinrich von Treitschke charakterisierte ihn als roh und grausam, feige, unritterlich, schlecht erzogen und befand, er sei "nicht bloß aller Bildung bar, sondern ein abgesagter Feind der Wissenschaft". Der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck, der wesentlich dazu beitrug, dass 1866 das Königreich Hannover liquidiert wurde, beschrieb Ernst August als "wüste Natur". Er hätte den Landeskindern die Beine einzeln abgehackt, wenn er dafür nur genügend Dukaten in die Privatschatulle bekommen hätte.

Krone und Land verloren

Als Ernst August 1837 in Hannover einzog, verlief die Begrüßung frostig. Bald darauf setzte er das Staatsgrundgesetz außer Kraft, weil er von ihm seiner Macht eingeschränkt glaubte. Erst in der Revolution von 1848/49 zeigte sich der König kompromissbereit und schaffte die Zensur ab. Er setzte ein liberales Kabinett ein, berief eine Ständeversammlung und genehmigte eine liberale Verfassung. Als er 1851 starb, nahm sein Sohn und Stifter des Reiterdenkmals, der blinde König Georg V., alle Errungenschaften von 1848 zurück und machte sich durch eine reaktionäre Politik erneut unbeliebt. Als er sich im preußisch-österreichischen Krieg von 1866 auf die Seite Österreichs stellte und ihn gemeinsam mit seinen Verbündeten verlor, war es um seine Krone geschehen. Das Königreich Hannover wurde liquidiert und in eine preußische Provinz umgewandelt. Georg V. ging ins Exil und starb im Jahr 1878. Sein Vermögen in Höhe von 48 Millionen Reichsmark wurde beschlagnahmt und in den so genannten Welfenfonds umgewandelt. Aus dessen Erträgen bekämpfte Reichskanzler Otto von Bismarck "welfische Umtriebe", also Machenschaften von Anhängern der abgehalfterten Dynastie gegen das preußische Regiment im ehemaligen Königreich Hannover. Solche Maßnahmen waren in den Augen der Preußen nötig, weil Georg V. vom Ausland aus versuchte, seine Krone zurückzuerobern. Zu diesem Zweck stellte er auch Truppen, die so genannte Welfenlegion, auf. Außerdem finanzierte er preußenfeindliche Zeitungen, doch war der Erfolg gering.

Erstaunlich ist unter diesen Umständen, dass die preußische Regierung das von einem Staatsfeind wie König Georg V. gestiftete Reiterdenkmal respektierte. Doch hätte sie es in bilderstürmerischer Absicht beseitigt, wäre sie wohl in Konflikt mit welfentreuen Kreisen in der neuen preußischen Provinz Hannover gekommen, und das wollten der zudem noch mit dem Welfenhaus verwandte preußische König und - ab 1871 - deutsche Kaiser Wilhelm I. und sein Kanzler Otto von Bismarck denn doch nicht riskieren.

29. Januar 2018

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