Mit klingendem Spiel zurück nach Berlin
Sein Thronverzicht vor hundert Jahren hinderte Wilhelm II. nicht, auf sein Comeback zu hoffen



Wilhelm II. und seine Generale wurden nach dem Ersten Weltkrieg nicht zur Rechenschaft gezogen, waren aber bissigem Spott ausgesetzt. Auf dieser Karikatur weist der amerikanische Präsident Wilson Avancen des blutbefleckten deutschen Kaisers weit von sich.



Dem Ex-Kaiser blieben im niederländischen Exil nur noch Erinnerungen an bessere Zeiten, als er von oben bis unten mit Orden behängt, der Mittelpunkt der feinen Berliner Gesellschaft war und seine Höflinge ihm jeden Wunsch von den Orden ablasen.



Das Porträt zeigt den obersten Kriegsherrn und seine Garde auf einem Reservistenkrug um 1900.



Die Medaille von Karl Goetz zeigt, wie Wilhelm II. sein Volk ins Elend führte. Sein Ausspruch von 1892 "Zu Großem sind wir noch bestimmt, und herrlichen Tagen führe ich Euch noch entgegen. (...) Mein Kurs ist der richtige und er wird weiter gesteuert" bekam im und nach dem Ersten Weltkrieg einen bitteren Beigeschmack. (Fotos/Repros: Caspar)

Glück hatte Ende 1918 der entmachtete deutsche Kaiser Wilhelm II., dass er von Revolutionären nicht, wie der russische Zar und seine Familie, ermordet und auch nicht von den Niederlanden an die Siegermächte des Ersten Weltkrieges ausgeliefert wurde, sondern in Doorn einen kleinen Hofstaat unterhalten konnte. Bis zu seinem Tod im Jahre 1941 hoffte der entthronte Kaiser, seine Krone zurückzubekommen und mit klingendem Spiel durchs Brandenburger Tor wieder in seine Haupt- und Residenzstadt einziehen zu können. Die Unterstützung für den deutschen Kaiser und König von Preußen, der am 29. Oktober 1918 still und leise Potsdam auf Nimmerwiedersehen verlassen und sich am 10. November 1918 in die Obhut der Niederlande begeben hatte, bescherte Königin Wilhelmina und ihrer Regierung erhebliche diplomatische und innenpolitische Probleme, denn der deutsche Monarch stand auf der Kriegsverbrecherliste der Ententemächte. Zudem war Wilhelm II. zunächst mittellos, weil sein Vermögen in der Heimat beschlagnahmt worden war. Dank der Generosität der preußischen Staatsregierung wurde die Sperre schon bald gelockert, und so konnte der Exkaiser das Schloss Doorn bei Utrecht mit Nebengebäuden und Park für 1,35 Millionen Gulden kaufen. Sein Hofstaat war ein verkleinertes Abbild dessen, was ihm in Berlin und Potsdam zu Gebote stand. Hier fehlte dem ehemaligen Kaiser nichts, nur die Untertanen, die er nicht mehr beherrschen konnte.

Die standesgemäße Aufnahme des Hohenzollern in den Niederlanden stiftete im Deutschen Reich erheblichen Unmut, denn selbstverständlich war es den Hinterbliebenen der Millionen Kriegstoten und den zahllosen verelendeten und ohne Hoffnung herumirrenden Menschen kaum zu vermitteln, dass dem "Obersten Kriegsherren" noch dessen Geld und Besitz hinterher geworfen wird. Auf der anderen Seite gab es in der kaisertreuen Bevölkerung starke Kräfte, die die Rückkehr des Monarchen aus dem Exil forderten und dem "Weimarer System" die Pest an den Hals wünschten. Natürlich war der Ex-Kaiser kein armer Mann. Wie die anderen Bundesfürsten profitierten Wilhelm II. und seine Familie von der Fürstenabfindung von 1926, drei Jahre später verfügte der Chef des Hauses Hohenzollern über ein Vermögen von 55 Millionen Reichsmark, mit dem es sich gut leben ließ.

Miniaturstaat in Doorn

Dem Miniaturhofstaat im Haus Doorn standen nicht nur erhebliche Mittel aus dem Privatvermögen des Exmonarchen, sondern auch Hausrat aus den kaiserlichen Schlössern zur Verfügung. Er war dem Exilanten in zahlreichen Eisenbahnwaggons hinterhergeschickt worden, und zwar nicht nur das Tafelsilber, die Tabatièren Friedrichs des Großen und Andenken an die Hohenzollern und ihre Verwandten sowie edles Mobiliar und wertvolle Gemälde, sondern auch viel Nippes und Trödel. Aschenbecher und Zigarettendosen, Nachtgeschirre, Waschgarnituren, Schreibutensilien und Zimmerthermometer kamen gleich dutzendweise an. Sogar Zinkwannen, Feuerlöscheimer und Gießkannen mit der Signatur N.P. (Neues Palais) ließ Wilhelm kommen, dazu natürlich diverse Waffen und Uniformen, in denen er in den zwanziger und dreißiger Jahren vor Malern und Fotografen posierte.

Wilhelm empfing Huldigungsadressen und bewundernde Besucher, er ließ sich wie ein regierender Monarch mit "Majestät" ansprechen, setzte hinter seinem Namen die Initialen IR (Imperator Rex, Kaiser König). Dem durch Zeitungsstudium und Kontaktpersonen stets bestens informierten Herrn von Doorn wurde in der Fremde niemals die Zeit lang. Er unterhielt eine lebhafte Korrespondenz mit Offiziersvereinen und monarchistischen Gruppierungen und verfasste seine Memoiren, in denen von Reue oder Schuldbewusstsein nichts zu finden ist. Um sich fit zu halten, fällte Wilhelm II. Unmengen Bäume und zersägte sie in Scheiben, die mit Namen und Daten versehen und als Souvenir verschenkt wurden. Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass der den geschundenen Park wieder aufforstete und sogar Rosen zu züchten. Eine Sorte nannte er nach seiner ersten Frau Auguste Victoria, die am 21. April 1921 im Potsdamer Antikentempel unter großer öffentlicher Anteilnahme, jedoch in Abwesenheit ihres Gatten und des ebenfalls in Deutschland zur Unperson erklärten Kronprinzen Wilhelm bestattet wurde. Bald schon heiratete der Exkaiser. Hermine, eine geborene Prinzessin Reuss, war die Glückliche, doch da die Heirat "unterm Stand" war, gab es Ärger in der Hohenzollern-Familie. Da aber Wilhelm weiterhin das Sagen hatte, sprach man die nunmehrige Kaiserin Hermine ebenfalls respektvoll mit Majestät an. Sie starb 1947 verarmt in Frankfurt an der Oder.

Kaiserliches Eigentor

Nie hat der seines Throns beraubte Kaiser die Hoffnung aufgegeben, "ein neues Deutsches Reich unter mir zu erobern" und es jenen ordentlich zu zeigen, die ihm die Schmach der Entthronung zugefügt hatten. Schaut man die mit "Wilhelm IR" signierten Fotografien an, die in Doorn aufgenommen wurden, sind Zorn und Eitelkeit des seiner Macht beraubten Herrschers nicht zu übersehen. Obwohl sich einige Familienmitglieder mit den Nazis gemein machten in der Hoffnung, mit ihrer Hilfe die Monarchie wieder einführen zu können, wusste sich Hitler die Hohenzollern und Vertreter anderer Herrscherhäuser vom Leibe zu halten. Als der nach dem deutschen Überfall auf die Niederlande praktisch unter Hausarrest stehende Exkaiser 82jährig am 4. Juni 1941 in Doorn starb, schickte der "Führer" einen Kranz.

Dass Wilhelm II. Hitler 1940 gönnerhaft für den "von Gott geschenkten gewaltigen Sieg" der deutschen Wehrmacht über Frankreich gratuliert hatte und dabei hintersinnig an die militärischen Erfolge Kaiser Wilhelms I. und Friedrichs des Großen erinnerte, war eine Art Eigentor und hatte nach 1945 unangenehme Folgen für die Hohenzollern. Denn die Niederländer beschuldigten den toten Monarchen der Kollaboration mit den Deutschen und konfiszierten seinen Besitz als "Feindvermögen". So wurden die seinerzeit mit der Eisenbahn herbeigeschafften rund 15 000 Kunstwerke und Alltagsgegenstände aus den kaiserlichen Schlössern niederländisches Staatseigentum und können im Museum Haus Doorn besichtigt werden.

4. Januar 2018

Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"