Gott mit uns und künftigen Geschlechtern zur Mahnung
Leipziger Völkerschlachtdenkmal hatte eine lange und komplizierte Vorgeschichte







Das Monument ist eines der Wahrzeichen von Leipzig. Wie das Monument außen und innen aussieht, zeigen die aus der Entstehungszeit stammenden Postkarten. Der monumentale Steinberg, der als gewaltigster Denkmalbau Europas gilt, ist für Denkmalschützer Lust und Last zugleich und bedarf ständiger Wartung. Gelegentlich wird bei Reparaturen die Hilfe von Bergsteigern in Anspruch genommen, wenn es darum geht, das Völkerschlachtdenkmal, dessen Aussichtsplattform man über 364 Wendeltreppenstufen erklimmen muss, von Pflanzenbewuchs zu befreien, Steine zu festigen und die Oberfläche zu reinigen.



"Haltet zusammen ihr Guten - Eintracht wuerckt Macht" lautet die Inschrift auf der runden Bild mit den wichtigsten Standorten der Völkerschlacht.



Die schmähliche Flucht des so lange mächtigsten Mannes in Europa vom Leipziger Schlachtfeld war ein gefundenes Fressen für Karikaturisten und spottlustige Dichter.





Ungewöhnlich für die Kaiserzeit war die Würdigung des Völkerschlachtdenkmals auf einer Drei-Mark-Münze von 1913, der Aufruf "An Mein Volk" des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. wurde ebenfalls mit einer Gedenkmünze gewürdigt. Auf der Rückseite machte sich der preußische Adler über die französische Schlange her.



Zahlreiche Medaillen machten 1913 das Monument weithin bekannt. Auf diesem Stück sind Kaiser Wilhelm II. und der sächsische König Friedrich August III. abgebildet. (Fotos/Repros: Caspar)

Im Beisein kaiserlicher und königlicher Majestäten wurde am 18. Oktober 1913 mit viel Trommelwirbel und Trompetenschall das Leipziger Völkerschlachtdenkmal eingeweiht. Das gewaltige Steinmonument mit der Inschrift GOTT MIT UNS erinnert an die Völkerschlacht, die auf den Tag einhundert Jahre zuvor, vom 16. bis 18. Oktober 1813, vor den Toren der Messe- und Universitätsstadt tobte und mit der Niederlage Napoleons I. und seiner Verbündeten endete. Der französische Kaiser wurde im Frühjahr 1814 von seinen Gegnern zur Abdankung gezwungen und auf die Mittelmeerinsel Elba verbannt. Zur allgemeinen Überraschung kehrte er am 1. März 1815 nach Frankreich zurück, gab aber das Ziel nicht auf, seinen Thron zurückzubekommen. Er erlebte am 18. Juni 1815 in der Schlacht von Waterloo (Belle-Alliance) eine vernichtende Niederlage. Einer seiner treuesten Verbündeten, König Friedrich August I. von Sachsen, geriet nach der Völkerschlacht in preußische Gefangenschaft und musste auf dem Wiener Kongress 1814/15 auf bedeutende Territorien verzichten, die an Preußen fielen.

Bei der Völkerschlacht in der Nähe von Leipzig standen 190 000 Franzosen mit ihren Hilfsvölkern einer Übermacht von mehr als 300 000 Österreichern, Russen, Preußen und Schweden gegenüber. Die alliierten Truppen griffen mit voller Wucht die Franzosen an, die sich in Dörfern und Gehöften in der Umgebung verschanzt hatten. Die Entscheidung in dem blutigen Häuserkampf und auf offenem Feld fiel am 18. Oktober 1813. Nach neunstündigem Ringen sah Napoleon I., dass er das Kriegsglück nicht mehr wenden kann, und befahl die Einstellung der Kampfhandlungen. Unter Zurücklassung von 30 000 Mann, die in Leipzig die Stellung halten sollten, zog er sich mit den ihm noch verbliebenen Truppen in Richtung Westen zurück. Am Tag nach der Völkerschlacht nahmen die verbündeten Monarchen auf dem Leipziger Marktplatz eine Siegesparade ab.

Kaiser Napoleon I. verliert seine Macht

Die bis dahin größte Schlacht der Geschichte kostete nahezu jedem fünften Soldaten das Leben. 22 000 Russen, 16 000 Preußen, 12 000 Österreicher und 300 Schweden waren gefallen, während auf der französischen Seite 90 000 tote Soldaten gezählt wurden. Unzählige Soldaten waren auf beiden Seiten an den Folgen ihrer unversorgten Verwundungen gestorben. Durch die Völkerschlacht bei Leipzig verlor der Kaiser der Franzosen seinen Einfluss auf den Rheinbund, der 1806 unter seiner Vormundschaft von süddeutschen Staaten gegründet worden war. Zahlreiche Mitglieder dieses Fürstenbundes liefen, angstvoll um ihre Kronen besorgt, zu der von Russland, Österreich und Preußen angeführten antinapoleonischen Koalition über.

Im Bewusstsein der Deutschen spielte der 18. Oktober 1813 lange Zeit eine große Rolle. Jahrestage der Völkerschlacht wurden zu patriotischen Feiern genutzt. Da und dort hat man an diesem Tag Gedenksteine und Säulen zur Erinnerung an die Helden der Befreiungskriege aufgestellt. An wichtige Schlachten des Jahres 1813 erinnern nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel gestaltete Eisenpyramiden, die auf Befehl des preußischen König Friedrich Wilhelm III. in Großbeeren, Dennewitz, Großgörschen und Wartenburg aufgestellt wurden. Das größte und durch den reichen Figurenschmuck auch aufwändigste Monument dieser Art ist das von Schinkel entworfene und bereits 1821 enthüllte Kreuzbergdenkmal ebenfalls aus grün angestrichenem Gusseisen in Berlin. In der preußischen Hauptstadt wurden zwischen 1822 und 1855 außerdem von Christian Daniel auch geschaffene Standbilder aus Marmor und Bronze für die preußischen Feldherren Scharnhorst und Bülow sowie Blücher, Gneisenau und Yorck von Wartenburg aufgestellt, und auch die nach Plänen von Schinkel Unter den Linden erbaute Neue Wache sowie der Figurenschmuck der Schlossbrücke sind den Helden der Befreiungskriege gewidmet.

Als Verlierer mochte sich das sächsische Königshaus nicht gern an die Völkerschlacht bei Leipzig erinnern. Sie gehörte nicht gerade zu den Ruhmesblättern in der langen Regierungszeit des ersten Sachsenkönigs Friedrich August I., den man auch den "Gerechten" nannte. So überließ es die sächsische Regierung Privatleuten und Geschichtsvereinen, kleine Steine am Ort des Geschehens aufzustellen. Ernst Moritz Arndt konstatierte wenige Wochen nach der Völkerschlacht weitgehende Einigkeit in Deutschland und fast in der ganzen Welt darüber, "dass auf den Feldern bei Leipzig ein Ehrenmal errichtet werden muss, das dem spätesten Enkel noch sage, was daselbst im Oktober des Jahres 1813 geschehen […] Ein kleines unscheinbares Denkmal, das sich gegen die Natur umher in nichts gleichen kann, thut es nicht; ein zierliches und blankes, etwa in Leipzig selbst auf irgendeinem Platz hingestellt, würde in seiner Armseligkeit von der großen That, wodurch die Welt von dem abscheulichsten aller Tyrannen befreit ward, zu sehr beschämt werden." Das Denkmal müsse draußen stehen, wo so viel Blut geflossen ist, und es müsse so stehen, dass es ringsum von allen Straßen gesehen werden kann. "Soll es geschehen, so muss es so herrlich seyn, wie ein Koloss, eine Pyramide, ein Dom in Köln". Arndt, der wegen seiner patriotischen Gesinnung bei den Obrigkeiten seiner Zeit aneckte und von ihnen verfolgt wurde und an den in Bonn ein von Bernhard Afiner geschaffenes und 1869 enthülltes Denkmal erinnert, schlug ein "ganz einfaches und ausführliches" Denkmal auf einem noch aufzuschüttenden Hügel ohne künstlerische "Äffereien" vor. Das Land darum sollte für ein geheiligtes Land erklärt, mit Wall und Graben eingefasst und mit Eichen bepflanzt werden.

Ein Riesenmonument soll es werden

Ernst Moritz Arndts großartige Vision wurde erst ein Jahrhundert später realisiert, allerdings merklich anders. Bis dahin musste ein im wahrsten Sinne des Wortes steiniger Weg zurück gelegt werden. Im Verlaufe des 19. Jahrhunderts wurden zahllose Denkmalprojekte der Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt, doch hat man nur wenige bescheidene Inschriftensteine zur Kennzeichnung von Orten der Schlacht aufgestellt. Als 1863 das 50. Jubiläum der Völkerschlacht nahte, erscholl erneut der Ruf nach einem würdigen und großen Nationaldenkmal. Allerdings fehlten dafür Ideen und Mittel, und so beließ man es wie bisher mit der Aufstellung weiterer Erinnerungszeichen. Erst 1894 kam die Planung in Schwung.

Der knapp zehn Jahre vor der Säkularfeier von 1913 gründete "Deutsche Patriotenbund zur Errichtung eines Völkerschlacht-National-Denkmals bei Leipzig" warb mit großem propagandistischen Aufwand für ein Monument, dessen ideologische Stoßrichtung sich auch klar gegen den "Erbfeind" Frankreich richtete und chauvinistische Gefühle ansprach. Das deutsche Kaiserreich war gerade dabei, sich einen Platz an der Sonne zu erobern, wie Kaiser Wilhelm II. in seiner provozierenden Art formulierte. Zugunsten des Völkerschlachtdenkmals wurden Sammlungen und Lotterien veranstaltet. Helfer waren sogar in den Schulen um jeden Pfennig bemüht. Mit den Jahren kam die gewaltige Summe von sechs Millionen Goldmark zusammen. Die Stadt Leipzig stellte das Gelände und einen kleinen Baukostenzuschuss zur Verfügung, ansonsten hielten sich die Regierungen zurück.

Gedacht war, wie es schon Arndt beschrieben hat, an ein monumentales Ehrenmal am Rande von Leipzig für die gefallenen Helden von 1813, das aber auch künftigen Geschlechtern als Mahn- und Wahrzeichen dienen sollte. Aus einem künstlerischen Wettbewerb mit vielen Teilnehmern ging der Architekt Bruno Schmitz hervor, dem wir unter anderem auch das Kyffhäuserdenkmal verdanken. Er entwarf einen riesigen Turm mit Figuren und Reliefs. Schaut man genau hin, so erkennt man eine eigenartige Mixtur von Elementen des Historismus und des um 1900 modisch gewordenen Jugendstils, ergänzt durch eine eigenartige germanisierende Formensprache. Unter den überlebensgroßen Figuren ragen steinerne Wächter, Kaiser Friedrich Barbarossa sowie der Erzengel Michael heraus. Das Innere ist als Ruhmeshalle gestaltet. Hier halten riesige Krieger Totenwache, monumentale Sitzfiguren symbolisieren Volkskraft, Glaubensstärke, Tapferkeit und Opferbereitschaft.

An der künstlerischen Gestaltung des 91 Meter hohen Monuments auf einem künstlichen Hügel wirkte der Architekt Clemens Thieme, der Begründer und Vorsitzende des Patriotenbundes, führend mit. Darüber aber, welchen Anteil Schmitz beziehungsweise Thieme an der Gestaltung und Ausformung des Völkerschlachtdenkmals hatte, gab es im Nachhinein kleinlichen Streit. Thieme beschuldigte Schmitz, nur einen Entwurf eines Schülers der Pariser Kunstakademie verwendet zu haben, im Grunde aber habe er nur das gezeichnet, was er, Thieme, ihm vorgegeben hat.

"Deutsche Brüder und Schwestern"

Die Bauarbeiten am Völkerschlachtdenkmal zogen sich vom ersten Spatenstich am 18. Oktober 1898 bis in den Oktober 1913 hin. Als es nach vielen Querelen endlich fertig war, wurde es als große künstlerische Leistung gefeiert und auf Medaillen sowie - für die Kaiserzeit ganz ungewöhnlich - auf einer in hoher Auflage geprägten silbernen Drei-Mark-Münze abgebildet. Bei der pompösen Einweihungsfeier am 18. Oktober 1918 ergriff neben dem sächsischen König Friedrich August III. nur Clemens Thieme das Wort. Er vermied es, die anwesenden Fürstlichkeiten anzusprechen und leitete seine Rede mit "Deutsche Brüder und Schwestern" ein. Die sozialdemokratisch gesonnene Leipziger Volkszeitung schrieb, es müsse schon beinahe als eine "Tat" angesprochen werden, "dass Herr Thieme es vermieden hat, seine Rede in eine Fürstenanhimmelung ausklingen zu lassen. Sie hätte ja auch in einem schreienden Missverhältnis zu dem jämmerlichen Verhalten der deutschen Fürsten vor hundert Jahren gestanden".

13. Juni 2018

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