Zerbster Prinzessin bestieg den Zarenthron
Späte Ehrung in kleiner Residenzstadt für diem russische Kaiserin Katharina die Große



Im Zerbster Schlossgarten zieht das Denkmal der aus der örtlichen Fürstenfamilie stammenden Zarin Katharina der Großen neugierige Blicke auf sich.



Das Monogramm "E II" auf dem kupfernen Fünf-Kopeken-Stück von 1780 schmückt den Sockel des Zerbster Denkmals.











Die Kaiserin feierte ihre Krönung in Moskau 1762 und die Münzreform von 1763 durch prächtige Medaillen. Zu erkennen ist der russische Adler über einer Spindelpresse schwebend, die damals das beste und modernste Prägewerkzeug war.



Auch die Errichtung des von Étienne-Maurice Falconet geschaffenen Reiterdenkmals Peters des Großen in Sankt Petersburg war 1782 die Ausgabe dieser Medaille wert. (Foto/Repros: Caspar)

Seit Sommer 2010 kann man die gebürtige Prinzessin Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst in der ehemaligen Residenzstadt Zerbst betrachten. Die Aufstellung des von dem Bildhauer Michael Wladimirowitsch Perejaclawez geschaffenen Monuments im Schlossgarten rückt eine Herrscherin ins Blickfeld, die in Machtfragen eisenhart war und etliche ihrer Gegner über die Klinge springen ließ. Die Regierung Katharinas II. war nicht nur durch eine monströse Günstlingswirtschaft am Petersburger Hof, durch grausame Unterdrückung von Oppositionellen sowie den Russisch-Türkischen Krieg und die dreimalige Teilung Polens geprägt, sondern auch durch zahlreiche politische und wirtschaftliche Reformen sowie vom Geist der Aufklärung geprägte Neuerungen auf dem Gebiet von Bildung und Kultur. Auf diese Seite ihrer Herrschaft verweisen die Stadt Zerbst und der 1992 gegründete Internationale Förderverein Katharina II. e.V. Ziel ist es, das touristische Angebot der durch Kriegsschäden und gravierende Bausünden in DDR-Zeiten gezeichneten ehemaligen Residenzstadt im Bundesland Sachsen-Anhalt zu bereichern und die Verdienste ihrer großen Tochter ins rechte Licht zu rücken.

Bösartige Tuscheleien über ein ungleiches Paar

Das 4,70 Meter hohe Geschenk russischer Verehrer der "deutschen" Zarin an Zerbst und seine Bürger und somit auch an alle Besucher und Gäste der Stadt ebnet den Weg für weiterführende touristische Projekte und bietet gleichzeitig Impulse für die ganze Tourismusregion Sachsen-Anhalt. Vor Ort ist zu hören, dass das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Schloss nach und nach wieder aufgebaut werden soll. Einige Räume werden bereits für kulturelle Zwecke genutzt. Wie schnell die Sanierung und Restaurierung der barocken Schlossruine gelingt, hängt von der Finanzierung ab, für die öffentliche und private Gelder eingeworben werden.

Kaiserin Katharina II. wurde am 2. Mai 1729 in Stettin geboren, wo ihr Vater Prinz Christian August von Anhalt-Zerbst als General und Gouverneur in preußischen Diensten stand. Da er ein nachgeborener Prinz war, blieb ihm die Herrschaft im Herzogtum Anhalt-Zerbst verwehrt. Verwandtschaftliche Verbindungen der als selbstbewusst, aufgeweckt und lernbegierig geschilderten Sophie bestanden mütterlicherseits zum russischen Zarenhaus. 1743 mit Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorp, einem Neffen der Zarin Elisabeth Petrowna, verlobt, wurde im Sommer 1745 deren Hochzeit prunkvoll gefeiert. Die launische, unberechenbare, von allerhand Amouren getriebene Tochter Peters des Großen bestimmte Großfürst Karl Peter zu ihrem Nachfolger und tat damit einen fundamentalen Missgriff. Als die alte Zarin Elisabeth am Ende 1761 starb, schloss der neue Zar Peter III. sofort Frieden mit dem von ihm bewunderten König Friedrich II. von Preußen. Seiner klugen Gemahlin Katharina war der als dümmlich geschilderte Peter in jeder Hinsicht unterlegen, die Ehe verlief unglücklich. Das höchst ungleiche Paar suchte sich jeweils andere Partner und gab in ganz Europa Anlass für bösartige Tuscheleien über das Petersburger Sündenbabel.

Palastrevolution mit blutigem Ausgang

Die den Russen höchst suspekte Preußenfreundlichkeit und offene Russenfeindlichkeit des auf seine deutsche Herkunft stolzen Kaisers aller Reußen, sein exzessiver Alkoholismus, seine Brutalität und infantilen Narreteien waren Gründe, warum sich im Sommer 1762 Gardeoffiziere offenbar mit Katharinas Wissen gegen ihn verschworen. Sie setzten auf die Zarin, die nach eigenem Bekunden nur die beiden Möglichkeiten hatte: unterzugehen oder zu regieren. Eine direkte Beteiligung an dem Mordanschlag auf Peter III. konnte der neuen Selbstherrscherin nicht nachgewiesen werden, denn selbstverständlich wurden alle Spuren und Mittäter zum Schweigen gebracht.

Die Palastrevolution gab den Weg frei zur vierundzwanzigjährigen Alleinherrschaft Katharinas II. "Ihr Gesicht verriet Genie, Gerechtigkeit, Mut, Tiefe, Gelassenheit, Freundlichkeit, Ruhe und Entschlossenheit. Aufrichtigkeit und Fröhlichkeit zierten ihre Lippen. Man bemerkte kaum, wie klein an Gestalt sie war", schrieb ein Zeitgenosse, der Prinz Charles Joseph de Ligne. Sein überschwängliches Urteil galt einer Monarchin, die angetreten war, das russische Riesenreich von Grund auf zu reformieren, ihre Ziele jedoch vielfach verfehlte. Als Katharina die Große am 17. November 1796 in Sankt Petersburg starb, lobten Bewunderer ihre Klugheit, Aufgeklärtheit, Entschlusskraft und Weitblick. Hingegen warfen Kritiker ihr imperialistische Eroberungsgelüste, Angst vor Veränderung sowie grausamen Umgang mit Gegnern vor. Wiederum andere sahen in ihr eine Nymphomanin mit perversen Neigungen. Die Wahrheit liegt - wie so oft - irgendwo in der Mitte. Die unter Katharinas Regentschaft geprägten Medaillen schildern Katharinas Taten als ununterbrochene Folge von Siegen. Doch klafft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, wie so oft bei anderen Herrschern, eine große Lücke.

Potemkinsche Dörfer

Am längsten hielt es Grigori Potemkin an ihrer Seite aus. Der Offizier war an jenem Mordanschlag auf Peter III. beteiligt, weshalb ihm die Zarin zu Dank verpflichtet war. Als sie 1787 eine große Schiffsreise auf dem Dnepr in ihre neu eroberten Provinzen in Südrussland bis zur Halbinsel Krim unternahm, wusste der zum Generalgouverneur berufene Geliebte ihr auf vielfältige Weise zu imponieren - mit Feuerwerk, Truppen- und Schiffsparaden und angeblich auch den legendären Potemkinschen Dörfern. Um sie ranken sich manche Legenden. Mal sollen sie Attrappen aus Gips und Pappe gewesen sein, mal echte Bauwerke, die nur angestrichen waren. Die Monarchin ließ sich blenden, und sie erkannte offenbar nicht, wie wenig Realität hinter den Fassaden aus winkenden Menschen und properen Bauwerken stand. Die Täuschung wurde nach dem Tod der Kaiserin am 17. November 1797 mit immer neuen, abenteuerlichen Zutaten garniert und aufgebauscht. Schaden nahm das Ansehen des Organisationsgenies Potemkin. Sein Name ist bis auf den heutigen Tag mit Kulissenschieberei verbunden.

In ihren Bestrebungen, Russland "westlichen" Standard zu verpassen, hat Katharina II., ihrem Vorbild Peter der Große nacheifernd, Bedeutendes vollbracht, ihre Ziele aber nicht erreicht. Zu stark waren die Widerstände bei den Gutsbesitzern und den Geistlichen, zu groß das Beharrungsvermögen des einfachen, tiefgläubigen Volkes, das zumeist weder lesen noch schreiben konnte und an den alten Traditionen und Konventionen festhielt. Das größte Problem war aber die Kaiserin selbst. Sie gab sich zwar aufgeklärt und wusste geistvoll über Humanität und Freiheit zu parieren und zu schreiben. Doch wenn es um sie selbst und ihre Krone ging, konnte sie brutal reagieren und zurückschlagen. Mit niemandem gedachte sie, einen Zipfel von ihren Kompetenzen an andere abzugeben. Gegner wurden in die Verbannung geschickt oder hingerichtet. Unter diesen Umständen blieben zaghafte Reformversuche im Sande stecken. Der 1785 erlassene "Gnadenbrief für den Adel" befreite die Gutsbesitzer nicht nur von der Dienstpflicht gegenüber dem Staat, sondern zementierte das größte Hemmnis in der Entwicklung Russlands, die Leibeigenschaft. Erst 1861 wurde dieses Relikt aus uralten Zeiten von Zar Alexander II. abgeschafft, was ihm den Beinamen "der Befreier" eintrug.

1. Mai 2018

Zurück zur Themenübersicht "Geschichte, Zeitgeschichte, Ausstellungen"