"Die Toten mahnen"
Zuchthaus Brandenburg war eine der gefürchtetsten Adressen der NS-Justiz und des DDR-Strafvollzugs



Vor einer Ziegelmauerwand am Brandenburger Marienberg steht ein zur Hinrichtung geführter Mann mit gefesselten Händen, die Widmung an der Wand lautet "Zum Tod geführt und siehe wir leben".



Das Erbe der antifaschistischen Widerstandskämpfer wurde in der DDR vor allem dann hoch gehalten, wenn es der SED in den Kram passte. Bestimmte Opfergruppen wurden in das Gedenken nicht oder nur unwillig einbezogen.



Zum 30. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus wurden 1975 die Gedenkräume im Zuchthaus Brandenburg neu eingerichtet. Hinter dem Projekt stand der ehemalige Häftling Erich Honecker, der die Gedenkstätte mit der Schwurhand und der Inschrift "Die Toten mahnen" eingeweiht hat. Das Foto rechts zeigt ein zu den Hinrichtungen benutztes Schafott. Ein Besuch der Gedenkstätte ist nur nach Voranmeldung möglich.



Der Inschriftenstein am Brandenburger Marienberg erinnern an die Opfer von Weltkrieg, Flucht, Vertreibung und Deportation und damit an Menschen, die in DDR-Zeiten nicht in das offizielle Gedenken einbezogen wurden.

Ausdrücklich wird an der gleichen Stelle der Österreicher gedacht, die in Brandenburg für ihre Überzeugung starben. (Fotos/Repro: Caspar)

Das ab 1927 vom preußischen Staat erbaute Zuchthaus in Brandenburg-Görden war ursprünglich als Musteranstalt eines humanen Strafvollzugs geplant, wurde aber, 1935 fertig gestellt, zu einer der gefürchtetsten Adressen des Strafvollzugs in der Zeit des Nationalsozialismus. War in den ersten Jahren nah 1933 der Anteil der "Politischen" unter den Häftlingen noch relativ gering, so stieg er in den Kriegsjahren bis auf etwa 60 Prozent an. Im Jahr 1940 erhielt das Zuchthaus am Rande der Stadt an der Havel eine eigene Hinrichtungsstätte. Die Justiz brauchte sie im Zusammenhang mit der kriegsbedingten Verschärfung des nationalsozialistischen Terrors gegen Widerstandskämpfer und jene Menschen, die der "Wehrkraftzersetzung" bezichtigt wurden.

Als am 27. April 1945 sowjetische Truppen das Zuchthaus Brandenburg-Görden befreiten, lebten hier noch etwa 3600 Insassen. Darunter befanden sich rund 180 Häftlinge, die in den Todeszellen auf ihre Hinrichtung gewartet hatten. Zu ihnen gehörte der Chemiker Robert Havemann, der wegen Widerstandsarbeit zum Tode verurteilt, nicht aber hingerichtet wurde, weil er an kriegswichtigen Forschungen teilnehmen musste. Havemann, der im Zuchthaus mit selbstgebauten Rundfunkapparat illegal ausländische Sender abhören und so seine Mithäftlinge über die Kriegslage informieren konnte, wurde nach 1945 Professor an der Humboldt-Universität, Akademiemitglied und Nationalpreisträger. Nachdem er sich vom Stalinisten zum Antistalinisten gewandelt hatte und für einen demokratischen Sozialismus einsetzte, wurde er vom SED-Regime aller seiner Ämter und Mitgliedschaften enthoben, aus der Liste der antifaschistischen Widerstandskämpfer gestrichen und unter Hausarrest gestellt. Als einer der führenden Dissidenten der DDR stand Havemann in Grünheide (Landkreis Oder-Spree) unter strenger Beobachtung durch die Staatssicherheit. Sein hoher nationaler und internationaler Bekanntheitsgrad auch in Verbindung mit seinem Freund, dem oppositionellen Liedermacher Wolf Biermann, sowie frühere Verbindungen zu einem anderen "Brandenburger", dem SED- und Staatschef Erich Honecker, schützten den konsequenten Regimegegner vor Anklage, Inhaftierung und Schlimmerem.

Vor und nach der Befreiung

Der Zuchthausalltag in Brandenburg war während der Zeit des Nationalsozialismus gekennzeichnet durch Hunger, harte Arbeit und ständige Angst vor dem Tod. Zunächst mussten die Häftlinge für kleinere Betriebe der Region arbeiten. Nach Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurde das Zuchthaus in einen großen, streng bewachten Rüstungsbetrieb umgewandelt. Nach der Befreiung nutzte die sowjetische Besatzungsmacht die Anlage zwei Jahre zur Internierung von Angehörigen der Wlassow-Armee, die sich der deutschen Wehrmacht angeschlossen hatte und nun die unbarmherzige Rache des sowjetischen Diktators Josef Stalin zu spüren bekamen. Inhaftiert wurden in Brandenburg außerdem ehemalige NS-Funktionäre und andere Personen, die man - zu Recht und zu Unrecht - beschuldigte, Nazi-und Kriegsverbrechen begangen zu haben.

In ähnlicher Weise wurden auch ehemalige nationalsozialistische Konzentrationslager auf ostdeutschem Boden wie Buchenwald, Sachsenhausen und Ravensbrück vom sowjetischen Geheimdienst NKWD weiter als Haftanstalten benutzt. Erst nach dem Ende der DDR war es möglich, auch der dort gefangen gehaltenen und vielfach ums Leben gekommenen Menschen zu gedenken und ihre Gräberfelder zu kennzeichnen. Nach der Übernahme durch die Justizverwaltung der 1949 gegründeten DDR gelangten die Zuchthäuser in Brandenburg, Waldheim und Bautzen zu trauriger Berühmtheit. Eine im Oktober 1996 vor der JVA Brandenburg eingeweihte Tafel erinnert an die Opfer und Verfolgten kommunistischer Gewaltherrschaft, die hier, im größten Gefängnis der DDR, inhaftiert und schlimmen Drangsalierungen ausgesetzt waren.

Ab Ende 1942 wurden, um Platz für neue Gefangene zu schaffen, die "sicherungsverwahrten" Zuchthausinsassen sowie Juden, Sinti und Roma, Russen und Ukrainer in die Konzentrationslager überstellt, wo viele ermordet wurden. Insgesamt haben die Nazihenker in Brandenburg 2743 Häftlinge, darunter 1789 "Politische", zumeist mit dem Fallbeil hingerichtet. Die Leichen wurden im Krematorium auf dem Friedhof am Brandenburger Marienberg verbrannt. Ihre Urnen hat man überall auf dem Gelände vergraben. Nach 1945 wurden sie, so weit möglich, an einem zentralen Ort vor dem Ehrenmal zusammengeführt und die Stellen durch Grabsteine gekennzeichnet.

Zu Tode geführt und siehe wir leben

Das offizielle Gedenken an die Opfer der Nationalsozialisten im Zuchthaus Brandenburg begann schon bald nach Kriegende. 1950 stellte der ehemalige Häftling Walter Hammer Archivalien über Leben und Sterben in der Anstalt für eine Ausstellung zur Verfügung. Alljährlich trafen sich "Brandenburger", um ihrer toten Kameraden zu gedenken, doch waren die Feiern einseitig auf den kommunistischen Widerstand gerichtet. An die während der NS-Zeit ermordeten Häftlinge erinnert ein 1947 auf dem Friedhof am Fuß des Brandenburger Marienbergs an der Willi-Saenger-Straße errichtetes Mahnmal. Von dem Bildhauer Andreas Franz Threyne geschaffen, trägt es die Widmung "Zum Tode geführt und siehe wir leben".

Auf Weisung des damaligen SED-Generalsekretärs und DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker wurde die Gedenkstätte 1975 umgestaltet. Der frühere Funktionär des Kommunistischen Jugendverbandes war 1937 vom nationalsozialistischen Volksgerichtshof zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt worden und musste diese Zeit in Brandenburg absitzen. Der Mann vor der Ziegelmauer, der seine Hinrichtung erwartet, war ursprünglich dem Krematorium auf dem Friedhof zugewandt. Honecker ließ die Anlage drehen, so dass der Widerstandskämpfer auf einen Aufmarschplatz für Kundgebungen blickt. Die rückseitige Inschrift "Ihr Kampf ist uns Verpflichtung" ist jetzt den Besuchern zugewandt, die die Anlage, vom Krematorium kommend, betreten.

Ausdrücklich hat man in der DDR die durch eine Schwurhand geschmückte Gedenkstätte am Marienberg "Den antifaschistischen Widerstandskämpfern, die im Zuchthaus Brandenburg ermordet wurden" gewidmet. Eine weitere Inschrift hebt die in Brandenburg ermordeten Kommunisten Anton Saefkow, Bernhard Bästlein, Theodor Neubauer und Werner Seelenbinder hervor. Die vielen anderen Opfer der nationalsozialistischen Willkürherrschaft, die nicht zum kommunistischen Widerstand gehörten, bleiben unerwähnt und waren in der DDR offenbar nicht geeignet, dass man sich ihrer an dieser hervor gehobenen Stelle erinnerte. Ein Stein versucht, diese einseitige Wertung zu korrigieren und fordert auf: "Gedenket Der Opfer Der Kriege Und Der Gewaltherrschaft Versöhnung Und Frieden Möge Die Botschaft Dieses Ortes Sein". Ein weiterer Stein der Brandenburger Sektion des Bundes der Vertriebenen erinnert an die Opfer von Weltkrieg, Flucht, Vertreibung und Deportation.

9. Januar 2018

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