"Es werde Licht"
Als das 1878 erlassene Sozialistengesetz nach zwölf Jahren aufgehoben wurde, haben Arbeiter das Ereignis auch mit Medaillen gefeiert



Ganz Mutige trugen solche Medaillen anlässlich der Reichstagswahl von 1890 am Revers, die den Sozialdemokraten 19,7 Prozent der Wählerstimmen einbrachten.



Wilhelm Liebknecht und August Bebel waren für die Hoffnungsträger und für die anderen ausgesprochene Hassfiguren. Als sie 1900 beziehungsweise 1913 starben, folgten tausende Verehrer ihrem Sarg hinterher. (Foto/Repro: Caspar)

Die Hoffnung, die in die Revolution von 1848/49 gelegt worden waren, erfüllte sich nicht. Weder wurde Deutschland einig Vaterland, wie es in der Becher-Hymne der früheren DDR hieß, noch verschwand die unselige Fürstenherrschaft im Orkus der Geschichte. Die polizeiliche Überwachung blieb weiter bestehen und wurde sogar noch ausgebaut. Wer von den Behörden als "vaterlandsloser Geselle" ausgemacht wurde, kam ins Gefängnis oder stand unter polizeilicher Beobachtung. Liberale und regimekritische Abgeordnete, Burschenschaftler, Turner und Freisinnige unterlagen polizeilicher Überwachung. Zur Fahndung wurden Personen ausgeschrieben, die nach Meinung der damaligen Regierungen Verbrechen politischen Charakters begehen oder planen.

Als am 11. Mai und am 2. Juni 1878 Kaiser Wilhelm I. in Berlin bei Attentaten verletzt, aber nicht getötet wurde, war für Reichskanzler Otto von Bismarck das Maß voll. Er nahm die Mordanschläge zum Anlass, um gegen die des Anarchismus verdächtigte linke Opposition vorzugehen. In einer Hetzkampagne ohnegleichen wurde den "Roten" für solche Gewaltakte verantwortlich gemacht. Die 1875 aus dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein und der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei hervorgegangene Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) war Bismarcks Hauptfeind. Mit ihrem Verbot sprach der Kanzler dem Bürgertum und Adel aus dem Herzen, das sich vor einem revolutionären Umsturz fürchtete und schon an jeder Straßenecke einen Galgen zu stehen glaubte.

Um die "Umtriebe" der deutschen Linken ein für allemal zu unterdrücken und ihr die Mitsprache am politischen Leben streitig zu machen, setzte Bismarck nach einer Neuwahl des Reichstags die Annahme des Gesetzes "gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" durch. Am 21. Oktober 1878 in Kraft getreten, gab das Gesetz der Polizei und Justiz alle Mittel in die Hand, um gegen Parteiorganisationen, Gewerkschaften und einzelne Personen vorzugehen. Regimekritische Zeitungen wurden verboten, Druckereien geschlossen sowie Publizisten und Verleger verhaftet. Bei Androhung von Geld- und Gefängnisstrafen waren Versammlungen, Streiks und andere Veranstaltungen untersagt. Außerdem hat das Gesetz die Vollmachten der Polizei zur Ausweisung von Personen erweitert, die auf "Schwarzen Listen" standen.

Zahlreiche Menschen kamen wegen staatsfeindlicher Betätigung ins Zuchthaus, ungezählte verloren aufgrund des Sozialistengesetzes ihre Arbeit und hatten große Probleme, an einem anderen Ort ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Ungeachtet des Parteienverbots konnten die wenigen im Reichstag vertretenen Sozialdemokraten politisch tätig sein, außerdem durften sich Abgeordnete in das höchste deutsche Parlament wählen lassen. Als das Gesetz 1890 zu Beginn der Ära Kaiser Wilhelms II. aufgehoben wurde, bekam die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SAP) bei der Wahl zum Reichstag 19,7 Prozent der Stimmen und war mit 35 Abgeordneten im Reichstag vertreten. Die zwölf Jahre des Verbots hatten ihr mehr genutzt als geschadet, von nun an meldete sich die SPD, wie sich die Arbeiterpartei ab 1890 nannte, laut und vernehmlich zu Wort und wurde von den etablierten Mächten als ernstzunehmender Faktor wahrgenommen.

Selbstbewusst schmückten sich mutige Arbeiter und linke Aktivisten mit Medaillen mit den Köpfen von August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Eine solche Medaille ehrt die führenden Sozialdemokraten sowie Wilhelm Hasenclever und Paul Singer und feiert den Sieg des deutschen Proletariats über das Sozialistengesetz. Andere mit Henkeln zum Tragen auf der Kleidung versehene Medaillen zeigen darüber hinaus eine stehende Freiheitsfigur mit einer Fackel in der Hand, vor der in einen Stein das Motto "Es werde Licht" gemeißelt ist. Die aus der Französischen Revolution von 1789 übernommene Aufschrift "Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit" findet sich auch auf einer weiteren Medaille mit einer sitzenden Frau, die eine Fackel hoch erhoben hält. Die Zahl der Medaillen meist aus Messing oder Kupfer, die den Kampf zwischen Oben und Unten, zwischen Fortschritt und Rückschritt thematisieren und den Menschen eine lichte Zukunft in Frieden und ohne Ausbeutung in Aussicht stellen, ist nicht bekannt. Da sie einen inoffiziellen Charakter hatten und vielleicht auch in der Illegalität hergestellt wurden, dürften sie heute selten sein. Im Münzhandel werden sie kaum angeboten, doch wer sich für die historischen Hintergründe interessiert und zielgerichtet nach ihnen sucht, wird über kurz oder lang fündig werden.

2. Januar 2018

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