"Für Altar, Haus und Herd"
Wovon braunschweigische Münzen berichten und wie sie die Herzöge in ein gutes Licht setzen



Dass von den Glockentalern aus Braunschweig-Wolfenbüttel eine ganze Serie mit vielen Varianten und Abstufungen geprägt wurden, unterstreicht die Beliebtheit der auch heute von Sammlern gesuchten Gedenkmünzen aus dem Jahr 1643.



Der undatierte Schiffstaler zeigt, wie ein Mensch unter dem Motto ALLES MIT BEDACHT vom Diesseits ins Jenseits gelangt.



Auf dem Brillentaler hält der als "wilder Mann" dargestellte Tod ein Stundenglas und eine Brille in der Hand und erinnert damit an die Vergänglichkeit des Lebens.



Der Mücken- und der Pelikantaler gehören zu den emblematischen Münzen, mit denen braunschweigische Herzöge sich ehrten und wichtige Ereignisse im Land, namentlich die Niederschlagung von adligem Widerstand dokumentierten.



Der Luftpumpentaler von 1702 greift ein in der Barockzeit beliebtes Experiment mit den so genannten Magdeburger Halbkugeln auf, bei denen die Kraft des Vakuums dem staunenden Publikum vorgeführt wurde.



Fürstliche Eintracht und brüderliche Liebe auf Gedenkmünzen zu demonstrieren, war seit dem 16. Jahrhundert beliebt. Man müsste in den Chroniken nachschauen, wie es damit in Wirklichkeit bestellt war.



Die Pfaffenfeindtaler von 1622 waren mit ihrer antiklerikalen Stoßrichtung so begehrt, dass man sie leicht verändert noch Jahrzehnte später nachgeprägt hat. (Repros: Caspar)

Die braunschweigischen Herzogtümer blicken auf eine lange und reiche Münz- und Medaillenprägung zurück. Die Silberausbeute der Bergwerke im Harz machter es möglich und war die Quelle für den Reichtum der Landesherren. Sie bedienten sich des geprägten Metalls als Mittel zur Schatzbildung, aber auch der Repräsentation und fürstlichen Propaganda. Wie die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und Braunschweig-Wolfenbüttel ließen es sich auch andere Potentaten viel Geld kosten, um sich auf goldenen und silbernen Geldstücken mit allen Abzeichen ihrer Macht darzustellen. Dass gelegentlich Doppelstücke und Abschläge auf viereckigem Metall, die so genannten Klippen, hergestellt wurden, unterstreicht die Rolle, die diese "Geschenk- und Verehrpfennige" gespielt haben. Bei den braunschweigischen Münzen kommen als Besonderheit die schweren Lösertaler in Werten bis zehn Taler hinzu, jene übergroßen Silberstücke mit prachtvollen Herscherbildnissen, Bergwerksdarstellungen, Allegorien und reichem Wappenschmuck. Manche haben die Zeiten überstanden und werden zur Freude der Sammler regelmäßig vom Handel angeboten.

Das Erbe eines gelehrten Herzogs

Schaut man sich frühe Talerprägungen an, so kristallisieren sich als beliebte Motive Fürstenporträts mal stehend, mal reitend oder als Brustbild heraus, gefolgt von Heiligenbildnissen und prächtigen Wappenschildern. Im späten 16. Jahrhundert kommen allegorische Figuren sowie Stadt- und Gebäudeansichten hinzu. Nicht zu vergessen die vielen Widmungen und Inschriften zur Erinnerung an wichtige Ereignisse in den Fürstenhäusern und an andere Anlässe. Die braunschweigischen Herzöge leisteten sich eine üppige Münzprägung mit vielen Gedenkstücken, die schon immer Sammler und Forscher interessiert haben. Einfache und mehrfache Taler, aber auch kleinere Werte wurden zu allen möglichen Begebenheiten geprägt. Neben den allbekannten Wildemanntalern, benannt nach den behaarten Riesen als Wappenhalter, gibt es die Glocken- und Glückstaler, aber auch die Jakobs-, Licht-, Lügen-, Pelikan-, Pfaffenfeind-, Rebellen-, Schiffs-, Mücken-, Luftpumpen-, Eintrachts- und viele andere Taler. Diese emblematischen Münzen mit allen ihren Varianten zu bekommen und auch ihren Sinn zu ergründen, ist eine Lebensaufgabe.

Vor allem die mit sieben unterschiedlichen Bildern und Aufschriften geprägten Wolfenbütteler Glockentaler von 1643 haben es Generationen von Forschern und Sammlern angetan. Auftraggeber der Serie war August der Jüngere von Braunschweig-Wolfenbüttel, einer der klügsten Männer seiner Zeit. Der gelehrte Herzog verkörperte das Ideal den "guten", allseitig gebildeten, mildtätigen Fürsten, der das Wohl seiner Landeskinder über alles stellt. August der Jüngere brachte einen Bücher- und Handschriftenschatz von rund 130 000 Exemplaren zusammen und machte ihn der Öffentlichkeit zugänglich. Die mit vielen bibliophilen Kostbarkeiten ausgestattete Bibliothek in Wolfenbüttel, in der keine geringeren als der Polyhistor und Berliner Akademiegründer Gottfried Wilhelm Leibniz und der Dichter Gotthold Ephraim Lessing tätig waren, trägt den Namen dieses zu den Ausnahmeerscheinungen des 17. Jahrhunderts gehörenden Welfen. Hier finden Forscher unter anderem seltene numismatische Drucke. In den gedruckten Leichenpredigten sind überdies viele biographische Einzelheiten über das Leben und Schaffen von Münzmeistern und anderen Personen vermerkt, die mit Münzen und Medaillen zu tun hatten.

Alles mit Bedacht

Die aus Harzer Silber in Zellerfeld geprägten Glockentaler feiern in verschlüsselter Form, wie man sie in der Barockzeit so liebte, die Belagerung der von kaiserlichen Truppen besetzten Festung Wolfenbüttel und ihre Befreiung. Erst 1643, fünf Jahre vor dem offiziellen Ende des Dreißigjährigen Kriegs, konnte August der Jüngere unter dem Geläut aller Kirchenglocken in Wolfenbüttel einziehen. Die Münzen symbolisieren auf anschauliche Weise das lange Warten auf die Inbesitznahme der von starken Bastionen gesicherten Residenzstadt und die Vertreibung der kaiserlichen Truppen.

Die Münzen mit dem herzoglichen Wahlspruch ALLES MIT BEDACHT zeigen das geharnischte Hüftbild des Landesherrn sowie Glocken ohne (Taler 1-3) beziehungsweise mit Klöppel (Taler 5-6). Beim vierten Glockentaler erkennt man nur den Klöppel, der an einen Stein gelehnt ist und gleichsam darauf wartet, dass man ihn in die Glocke einfügt, und beim letzten und siebenten Taler der Serie erkennt man, wie die von drei Händen gezogene Glocke über dem Panorama der Stadt Wolfenbüttel zum Klingen gebracht wird. Die siebente Ausgabe ist die häufigste der Serie. Man hat zwölf Varianten ausfindig gemacht, was auf eine hohe Auflage und einen großen Verbrauch an Stempeln schließen lässt. Neben den Glockentalern kommen auch Versionen als Halb- und Vierteltaler vor, die seltener als die ganzen Taler sind.

Bereits im späten 16. Jahrhundert taten sich braunschweigsche Herzöge mit Münzen hervor, die auf Zeitereignisse reagieren. Ein schönes Beispiel ist der Mückentaler, den Herzog Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel im Jahr 1599 schlagen ließ. Er bezieht sich auf Konflikte, die der Landesherr mit adligen Familien ausfocht. Auf der Rückseite sieht man, wie ein Löwe, der den Herzog symbolisieren soll, von zehn Mücken attackiert wird. Dem Löwen geschieht nichts, weil der kaiserliche Adler ihn beschützt und hilft, Ruhe und Ordnung im Lande wiederherzustellen. werden. Zu der Serie gehören der Rebellentaler von 1595 mit der abgekürzten Aufschrift N. M. T (Noli me tangere, rühr mich nicht an) und weiteren abgekürzten Warnungen. Eine lautet in der Auflösung "Es wird schwer, wider den Stachel zu löcken", eine andere kündigt an "Das Leid wird vom Haus des Undankbaren und Aufsässigen nicht weichen".

List und Verstand statt roher Kraft

Dann gibt es noch den 1596 und 1597 geprägten Lügentaler, bei dem der von einem Engel bekrönte Löwe einen Steinbock zerreißt, womit die gegen den Herzog rebellierende Familie derer von Steinberg gemeint sind. Der Wahrheitstaler von 1597 rät den Aufsässigen "Tue Recht und scheue niemand" und stellt fest, dass die Wahrheit alle Verleumdung und Lüge besiegt. Dass sich Herzog Heinrich Julius für sein Land aufopfert, schildert der 1599 ausgegebene Pelikantaler. Er spielt auf die Legende an, wonach ein Pelikan seine Jungen mit dem eigenen Blut ernährt. Die Umschrift PRO ARIS ET FOCIS (Für Altar (Haus) und Herd) will glauben machen, dass sich der Landesherr förmlich für das Wohl seiner Untertanen verzehrt.

Gut einhundert Jahre und viele andere interessante Gedenktaler sowie schwergewichtige Lösertaler später ließen die herzoglichen Brüder Rudolf August und Anton Ulrich so genannte Luftpumpentaler und ebensolche Medaillen prägen. Versehen mit der Jahreszahl 1702, zeigen diese Silberstücke auf der Vorderseite, wie zwei Pferde versuchen, eine durch die Kraft des Vakuums untrennbar miteinander verbundene Halbkugeln auseinander zu reißen. Auf der Rückseite schafft es eine zarte Frauenhand, durch Drehen am Ventil, dass die Halbkugeln auseinander fallen. Die Inschrift NON VI SED ARTE unterstreicht, dass bei diesem seinerzeit bestaunten Vorgang nicht rohe Kräfte, sondern Verstand, List und Kunstfertigkeit am Werke sind. Die seltenen Prägungen spielen darauf an, dass die brüderliche Eintracht durch eine Frau, die Gemahlin von Herzog Anton Ulrich, gestört wurde. Dass die Dame eine holsteinische Prinzessin ist, unterstreicht das mit einem Nesselblatt geschmückte Armband. Ein von den herzoglichen Brüdern in Auftrag gegebener Eintrachtstaler unterstreicht, dass nichts die familiäre Harmonie und Liebe stören kann. Das Thema war in der Barockzeit sehr beliebt, denn auch andere Fürstlichkeiten haben die CONCORDIA FRATRORUM, die Eintracht unter Brüdern, durch Gedenkmünzen gefeiert und der Mit- und Nachwelt zu verstehen gegeben, dass "doppelt besser hält".

Gottes Freund der Pfaffen Feind

Viel Rätselraten gibt es seit dem frühen 16. Jahrhundert über den so genannten Pfaffenfeindtaler. Der braunschweigsche Herzog Christian, den seine Feinde den "tollen Christian" nannten, ließ die mit dem Motto GOTTES FREVNDT DER PFAFFEN FEINDT 1622 versehenen Spottmünzen aus dem Silber vor allem des Liborius-Schreins im Dom zu Paderborn prägen, nachdem er die alte Bischofsstadt erobert hatte. Von den schon zur Entstehungszeit mit manchen Legenden umgebenen Geldstücken, auf denen ein geharnischter Arm mit Schwert aus Wolken herausschaut, gibt es zahlreiche Varianten und Abweichungen, und es kommen auch Nachprägungen aus der Zeit um 1671 vor, als sich Herzog Rudolph von Braunschweig-Wolfenbüttel mit dem Bischof von Münster, Christoph Bernhard von Galen, im Krieg befand. Diese Stücke sind an einem Käppchen zu erkennen, das auf die Schwertspitze gesteckt ist und den Kampf gegen Jesuiten symbolisieren soll.

Bis ins 18. Jahrhundert hinein hat es Nachprägungen von dem Pfaffenfeindtaler gegeben. Es kommen von der ursprünglich zur Bezahlung der herzoglichen Truppen, aber auch zur antikatholischen Propaganda zu Beginn des Dreißigjährigen Krieg verwendeten Silbermünzen auch Doppelstücke sowie Dukaten vor, die ausgesprochen selten und teuer sind und, da sie mitunter gefälscht wurden, stets auf Echtheit überprüft werden müssen, eine Notwendigkeit, die auch für viele andere Stücke dieser Art gilt.

7. August 2018

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"