Hungerkralle und fette Henne
Warum der Adler auf deutschen Gedenkmünzen immer wieder anders aussieht



Der dünne Bundesadler auf den ab 1950 geprägten silbernen Fünfmark-Stücken erhielt den Spitznamen Hungerkralle und passte durchaus in die Nachkriegszeit, als es vielen Deutschen alles andere als gut ging.



Variantenreich ist der Wappenvogel, um den sich seit Einführung des Euro 2002 die Europasternen drehen.



Der Bundesadler über dem Präsidententisch des Deutschen Bundestags im Berliner Reichstagsgebäude wird nur selten von Münzdesignern für ihre Modelle übernommen. Sie legen auf eigenständige Lösungen großen Wert. (Fotos: Caspar)

Hin und wieder wird gefragt, ob es Regeln gibt, wie der Adler auf den Rückseiten unserer bundesdeutschen Gedenkmünzen aussehen soll. Manche zwischen Hungerkralle und fetter Henne pendelnden Bilder kommen bei Sammlern und anderen Menschen alles andere als gut an. Im Unterschied zum Staatswappen anderer Länder haben Designer, die unsere Münzen gestalten, freie Hand, weshalb der Bundesadler stets neu gestaltet wird. Einige Bedingung ist, dass der Kopf nach links gewendet ist. Seit dem Abschied von der Deutschen Mark und der Umstellung auf den Euro drehen sich die Europasterne um den Adler. Die Wettbewerbsvorgaben für die deutschen Kurs- und Gedenkmünzen legen fest, dass die Gestaltung der Vorder- und der Rückseiten miteinander harmonieren soll, was meistens auch gelingt. Wenn die Preisrichter Modelle oder Zeichnungen beurteilen sollen, dann achten sie darauf, ob die Vorgaben erfüllt sind. Regelmäßig wird in den numismatischen Zeitschriften über die Urteile der Preisgerichte berichtet und mit Kritik nicht hinterm Berg gehalten.

Numismatische Projekte müssen in der Bundesrepublik Deutschland langwierige Abstimmungsrunden zwischen Ministerien und anderen Beteiligten absolvieren, und viele Entwürfe bleiben aus formalen oder technischen Gründen auf der Strecke. Etwa zwei Jahre dauert es, bis ein Vorschlag realisiert wird. In einem komplizierten Verfahren müssen die fünf pro Jahr ausgegebenen Themen für Gedenkmünzen und weitere Motive etwa bei den Zwei-Euro-Stücken und den Ausgaben aus Gold hieb- und stichfest gemacht werden. Sie sollen im weitesten Sinne konsensfähig sein. Sind die Absprachen getan und alle Hürden genommen, kann das Bundesverwaltungsamt in Berlin den künstlerischen Wettbewerb ausschreiben. Dazu werden bekannte Designer, aber auch Nachwuchskräfte eingeladen.

Um die Gestaltungsarbeit wissenschaftlich zu fundieren und die Künstler zu inspirieren, erhalten sie Dossiers mit Hintergrundinformationen und Bildvorschlägen. Je nach Schwierigkeitsgrad werden ein- oder zweiphasige Wettbewerbe ausgeschrieben. Bis zu 30 Grafiker, Bildhauer und andere Künstler werden gebeten, Entwürfe für die Bild- und die Wertseite einzureichen, und aus diesen wählt das Preisgericht dann jene Vorschläge aus, die ihm am besten geeignet erscheinen. Da von den Modellen Prägewerkzeuge angefertigt werden müssen, werden zu den Beratungen Münztechniker hinzugezogen. Sie müssen prüfen, ob sich die Reliefs für die Vorderseiten- und Rückseitenstempel eignen und diese die Massenprägung aushalten. Es werden erste, zweite und weitere Preise vergeben, entsprechend fällt auch das Honorar für die Künstler aus. Die letzte Entscheidung fällt die Bundesregierung, die sich in den meisten Fällen dem Votum der Jury anschließt.

Große Verantwortung liegt hinsichtlich der Auswahl der Münzentwürfe beim Preisgericht. Es setzt sich stets aus anderen Künstlern, Museologen, Historikern und Numismatikern zusammen. Neben den Fachpreisrichtern wirken in der Jury auch Sachpreisrichter mit, also Personen, die direkt mit der auf der Münze darzustellenden Person, einem Ereignis oder Jubiläum zu tun haben. Das können Politiker, Museologen, Archivare, Kunst-, Sprach- oder Naturwissenschaftler, Denkmalpfleger und andere Fachleute sein. Während des Auswahlverfahrens werden nicht nur Umschriften für die zu prägenden Münzen, sondern auch deren Randschriften festgelegt. Die Auswahl eines Mottos ist mitunter schwierig, denn es muss prägnant aber nicht zu lang sein, damit es auf dem Rand der Münze Platz findet. Die Jury-Sitzungen finden in jener Münzstätte statt, in der das Gedenkstück geprägt werden soll. Mitunter bereitet die Preisverteilung Schwierigkeiten, denn oft genug liegen hervorragende, gelegentlich aber technisch schwierig auszuführende Vorlagen vor. Manchmal werden bei ähnlich guten Modellen zwei erste Preise vergeben, bisweilen können sich die Juroren nur über zweite Preise einigen. Wenn die Münzen verausgabt sind, werden sie wohlwollend bis kritisch beäugt. Fragen zur Kompetenz der Preisrichter bleiben nicht aus, denn bekanntlich lässt sich über Geschmack streiten.

10. Oktober 2018

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