Preußens Glanz und tapferes Schneiderlein
Sitz des Bundesrates und ein weiteres Märchen der Brüder Grimm erscheinen 2018 auf neuen deutschen Münzen



Michael Otto schuf das Modell für die neue Bundesrat-Münze 2019 zu zwei Euro.



Das ehemalige Herrenhaus an der Leipziger Straße in Berlin mauserte sich zum Sitz des Bundesrates.



Das neoklassizistische Giebelrelief symbolisiert Ideale einer freien, gerechten und menschenwürdigen Gesellschaft.



Neugierig schauen Männer und Frauen aus Stein von den Eingängen auf das Getümmel in der Leipziger Straße hinab.



Die Berliner Designerin Marianne Dietz gewann mit ihrem Entwurf für die Münze mit dem tapferen Schneiderlein den ersten Preis.



Dass jemand aus dem Volk wie der von Ludwig Richter im 19. Jahrhundert gezeichnete Schneider je eine Königskrone erlangt, war eine schöne Utopie. (Fotos: Caspar/Wuthenow/Prillwitz)

Nach der Zwei-Euro-Münze von 2018 mit der Ansicht des Schlosses Charlottenburg ist für 2019 ein weiteres Juwel Berliner Baukunst auf einer Kursmünze angekündigt. Nach einem Entwurf von Michael Otto werden alle fünf deutschen Prägeanstalten eine Umlaufmünze mit der Ansicht des Bundesrates in der Leipziger Straße prägen. Das palastartige Gebäude, das Preußens Glanz und Ende wie kaum ein anderes symbolisiert, ist seit 2000 Sitz des Deutschen Bundesrats, der Vertretung der 16 Bundesländer. Vorangegangen waren Bau- und Restaurierungsarbeiten, bei denen die Außenfassade im Wesentlichen unverändert blieb, das Innenleben aber modernisiert wurde. Bauleute haben Zwischenwände, Einbauschränke, abgehängte Decken und die veraltete Haustechnik beseitigt und das Innere entkernt. Ausquartiert wurde die Akademie-Bibliothek, die im ehemaligen Plenarsaal aufgestellt war. Eine Rekonstruktion des alten Zustands fand nicht statt, der neue Plenarsaal unter einem hohem Glasdach ist groß genug, um alle Abgesandte der Bundesländer aufzunehmen. Die Architekten Peter P. Schweger und Partner haben die historische Struktur und Ausstattung weiterer Räume, sofern überliefert, wiederhergestellt, aber auch Platz für neue Büros gewonnen.

Für die neue Bundesratsmünze lagen der Jury verschiedene Entwürfe bekannter Münzdesigner vor. Die meisten zeigen die Vorderansicht des zum Bundesrat umgebauten ehemaligen Preußischen Herrenhauses mit einer kleinen Gartenanlage davor. Es gibt Vorschläge mit Ansichten leicht von oben und auch von der Seite, doch kam das Modell von Michael Otto den Vorstellungen des Preisgerichts am nächsten. "Der Entwurf besticht durch die sehr detaillierte, feine plastisch durchgearbeitete Gebäudeansicht. Dem Gestalter gelingt es auf überzeugende Art und Weise den Betrachter durch die perspektivische Darstellung des Garten- und Gebäudeensembles in den Bundesrat hineinzubeziehen." Die Jury bescheinigt der Münze Wiedererkennbarkeit und erklärt, der ruhige und klassische Entwurf sei der Stellung des Bundesrates in unserem föderalen System angemessen.

Im Stil barocker Adelspaläste

Das 1899 bis 1904 nach Plänen des Architekten Friedrich Schulze-Kolbitz im Stil barocker Adelspaläste errichtete Herrenhaus gleich neben dem Berliner Abgeordnetenhaus war in DDR-Zeiten wegen der unmittelbaren Nachbarschaft zur 1961 errichteten Mauer nur schwer zugänglich. Ein Hereinkommen war nur Mitarbeitern der Akademie der Wissenschaften beziehungsweise streng kontrollierten Besuchern möglich. Mit der Generalsanierung und dem Umbau des ehemaligen Herrenhauses in den neunziger Jahren wurde ein weiteres Denkmal historischer Parlamentsarchitektur inmitten einer durch viele Kriegslücken geprägten "amtlichen Gegend" zurückgewonnen.

Die von Otto Lessing, einem Nachfahren des Dichters Gotthold Ephraim Lessing, geschaffenen Figuren im Giebeldreieck verherrlichen Recht, Milde und Treue und weitere Ideale einer menschenwürdigen Gesellschaft und weisen auf die Bestimmung des Hauses als Erste Kammer der damals zweigeteilten Volksvertretung in Preußen hin. Im Jahre 1893 beobachtete "Spemann's Illustrierte Zeitschrift für das Deutsche Haus": "Jeder zweite Mensch ist hier mindestens ein Geheimrat und jeder vierte eine Exzellenz, und wenn man eine Gruppe älterer Herren von blühendem Aussehen in heiterer Unterhaltung spazieren gehen sieht, dann sind es gewöhnlich einige ehemalige Minister, die aus Gesundheitsrücksichten ihren Abschied genommen haben. Warum mögen wohl aktive Minister immer so ernst und die Minister a. D. immer so vergnügt dreinschauen? Ja, es weht eine bureaukratische, vornehme, offizielle Luft in diesem Parlaments- und Ministerviertel."

Während anfangs nur adlige Mitglieder des Herrenhauses von den Preußenkönigen für die Erste Kammer ernannt wurden, konnte das Volk bis zum Ende der Monarchie vor genau einhundert Jahren seine Abgeordneten nur nach dem undemokratischen Dreiklassenwahlrecht wählen, das sich nach dem Steueraufkommen richtete. Jede Klasse stellte die gleiche Zahl Abgeordnete, Frauen durften nicht wählen. In der Novemberrevolution 1918 diente das Herrenhaus der Reichsversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte als Tagungsort. Hier wurden die Wahlen zur Nationalversammlung 1919 beschlossen, die allerdings aus Sicherheitsgründen nicht in Berlin, sondern in Weimar zusammen trat. Daher der Name "Weimarer Republik". Präsident des Herrenhauses war bis 1933 der Oberbürgermeister von Köln, Konrad Adenauer. Das Preußische Herrenhaus wurde in der NS-Zeit dem benachbarten Reichsluftfahrtministerium zugeschlagen und hieß Preußenhaus beziehungsweise nach Angliederung an Görings Reichsluftfahrtministerium Haus der Flieger. Hier sprach in den Jahren 1934 und 1935 auch der Volksgerichtshof seine Bluturteile. Wenn wir die neue Münze demnächst in Händen halten, wird sich der eine oder die andere auch an die dunkle Seiten in der Vergangenheit des Parlamentspalastes erinnern.

Sieben auf einen Streich

Wer kennt nicht die Märchen und Sagen vom armen Bauern und Handwerker, der es mit viel Mut und einer großen Portion Gottvertrauen, Witz und Geistesgegenwart nach Überwindung vieler Schwierigkeiten am Ende zum König bringt oder wenigstens den Aufstieg auf der sozialen Stufenleiter nach oben schafft? Wer wüsste nicht um Geschichten über Menschen, die einen Schatz finden und ihr wieder verlieren? Im bekannten Märchen vom tapferen Schneiderlein gelingt es einem fleißigen Nadelschwinger, zwei Riesen auszuschalten und andere Mutproben zu bestehen, um dann die Königstochter zu heiraten.

Die für 2019 angekündigte neue Zwanzig-Euro-Münze aus der beliebten Serie "Grimms Märchen" setzt dem Glückspilz ein schönes numismatisches Denkmal. Sie folgt dem bekanten Märchen vom Froschkönig, das 2018 mit einer Gedenkmünze bedacht wurde. Den Entwurf der Berliner Designerin Marianne Dietz hat die Jury mit dem ersten Preis ausgezeichnet und so beschrieben: "Im Motiv des Siegerentwurfs wird das tapfere Schneiderlein aus der Perspektive des Endes der Geschichte dargestellt. Die Figur trägt sowohl Attribute ihres ursprünglichen Handwerks als auch die Krone als Symbol der erlangten höchsten Stellung." Die Darstellung verliere sich weder in Einzelelementen des Märchens noch in traditionellen Sujets. Dem Bundesadler auf der Rückseite bescheinigt das Preisgericht, er harmoniere in der künstlerischen Ausarbeitung perfekt mit der Bildseite.

Zu sehen ist ein selbstbewusst aufgefasster junger Mann mit einer Krone auf dem Kopf, einer Schere in der Hand und einem an den Arm geschnallten Nadelkissen. Im Hintergrund sieht man das Königsschloss, in das der Kleidermacher bald einzieht. Ihm zu Füßen erkennt man die sieben Fliegen, die den Schneider so ärgerten, dass er sie mit einem Mal erschlug. Die Randschrift SIEBENE AUF EINEN STREICH bezieht auf eine zum geflügelten Wort gewordene Inschrift, die sich der Schneider für seinen Gürtel sticken ließ. So ausgestattet zieht er in die Welt, von den Leuten als unüberwindbarer Held bewundert, der sieben Männer auf einen Streich getötet hat.

Aufgaben listenreich erledigt

Einen solchen Helden kann der König in seiner Truppe gut gebrauchen. Doch haben er und seine Leute Angst vor dem dünnen Mann mit den bärenstarken Kräften. Um den Hochstapler wieder loszuwerden, verspricht ihm der König sein halbes Reich und dazu noch seine Tochter, wenn es ihm gelingt, zwei Riesen zu töten, die das Land gefährden. Nichts leichter als das, der Schneider spürt die beiden Unholde auf und bewirft sie, in einer Baumkrone sitzend, mit Steinen. Einer beschuldigt deswegen den anderen, und so kommt es zum Streit, in dessen Verlauf sich die Riesen selber umbringen.

Frohgemut tritt das tapfere Schneiderlein vor den König und verlangt seinen Lohn. Dieser aber denkt nicht daran, sein Versprechen einzulösen. So muss der Held weiter Aufgaben erledigen, nämlich ein grässliches Einhorn zur Strecke bringen und ein wutschnaubendes Wildschwein gefangen nehmen. Mit List und Tücke gelingen alle Aufgaben, und so kommt der König nicht umhin, seine Tochter dem Möchtegern-Helden zur Frau zu geben, der angeblich so viel Kraft hat, dass er einen Stein zum Tropfen bringt, wobei der nur ein saftiges Stück Käse ist. Der König hält seine Zusage, obwohl die "niedrige" Identität des Schwiegersohns in spe offenbar wird, und kommt im Märchen als guter und gerechter König glänzend davon.

Das Märchen vom tapferen Schneiderlein ist uralt, man kann Spuren bis ins 16. Jahrhundert zurück verfolgen. Es kommt in verschiedenen Versionen und ausgeschmückt mit unterschiedlichen Details vor, aber immer mit dem gleichen positiven Ausgang. Die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm haben das Märchen 1812 in der Erstauflage ihrer Sammlung publiziert, wobei sie sich auf mündliche Überlieferungen stützten. In Wahrheit ist der sensationelle Aufstiegs eines Manes aus dem Volk an die Spitze einer Monarchie selten vorgekommen, im antiken Rom eher als im Mittelalter und der Neuzeit, wo die Einteilung der Gesellschaft in Stände ausgeprägt, ja gerade zementiert war. Die Hürden, aus dem Bauernstand oder dem Bürgertum in höchste Adelskreise zu gelangen, waren unüberwindbar. Wie schön, dass es Märchen gibt, denn dort schafft der Glückspilz dieses utopische Ziel bravourös mit List und Tücke.

23. April 2018

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