Geprägte Kunst aus Padua
Historisches Museum Basel publiziert Kostbarkeiten der Renaissancezeit



Antonio Cavino und sein gelehrter Mentor, der Humanist und Antiquar Alexander Maggi genannt Bassiano, sind auf der zwischen 1535 und 1538 geprägte Messingmedaille gemeinsam abgebildet. Das Historische Museum Basel verdankt seine Paduaner dem Mediziner und Sammler Ludovic Demoulin de Rochefort. Die Medaille mit seinem Bildnis stammt aus der Zeit seines Aufenthalts in Basel um 1547-1549.





Bei seinen Medaillen orientierte sich Antonio Cavino und Kollegen an bewährte Vorbilder, oben eine silberne Arbeit auf den Kaiser Titus, die einen Sesterzen des Domitian imitiert und auf der Rückseite das Kolosseum in Rom zeigt. Darunter eine Medaille nach einem Sesterzen des Kaisers Commodus. Viele Stücke zeigen Spuren einer intensiven Nachbearbeitung bei den Buchstaben und an anderen Stellen auf.





Einem Denar nachempfunden ist die Bronzemedaille mit dem Porträt des Julius Caesar Diktators sowie Handschlag, gekreuztem Fasces, Caduceus, Globus und Beil auf der Rückseite und darunter Medaille von Cavino auf den Kaiser Otho nach einem seiner Denare oder goldenen Aurei



Die geprägte Silbermedaille aus der Werkstatt des Antonio Cavino ehrt Kaiser Hadrian mit einer rückseitig abgebildeten Brücke auf vier Säulen.



Die gegossene Nachahmung einer Tetradrachme von Rhodos aus dem 4. Jahrhundert vor Christus ist ein Beleg dafür, dass Kopien altgriechischer Münzen als vermeintliche Judaspfennige und Mitbringsel aus dem Nahen Osten beliebt waren. Die Legenden der antiken Vorlagen wurden häufig missverstanden und entstellt. (Repros aus dem besprochenen Band)

Antike Münzen werden seit etwa 600 Jahren gesammelt. Fürsten, Patrizier und Gelehrte fanden Gefallen an den Geprägen der römischen Kaiser, die als direkte Vorgänger der aktuell regierenden römisch-deutschen Kaiser angesehen wurden, und anderer Potentaten. Hat man bisher im gotischen Stil gebaut, so entdeckte man in der Renaissance die Architektur der alten Römer und Griechen als vorbildlich für Paläste, Kirchen, Denkmäler und andere repräsentative Bauten. Maler und Bildhauer schufen realistische Porträts und erfanden neue Sujets, Gelehrte sammelten und publizierten die Schriften antiker Autoren. Münzen und das damals neu entwickelte Genre der Medaillen orientierten sich an antiken Formen und Themen und entwickelten sie fantasievoll weiter.

Potentaten, Patrizier und Professoren mühten sich um die wenigen originale Münzen, denn die großen Funde mit den wunderbaren Darstellungen des Götterhimmels der Griechen und Römer und Bildnissen von Königen und Kaisern waren noch nicht gemacht. Sicherlich hat man besonders ansehnliche Münzen schon in der Antike gesammelt, doch einen richtigen "Schub" bekam diese Leidenschaft erst durch die Wiederentdeckung der antiken Welt am Ende des Mittelalters und dem Beginn der Neuzeit. Zeitgleich begann die Geschichte der Münzfälschung zum Schaden der Sammler, die von der Falschmünzerei unterschieden werden muss, mit der Betrüger zum Schaden des Staates und der Gesellschaft mit schlecht legiertem und am Rand beschnittenem Geld aus Gold und Silber Profit zu machen versuchten.

Faszination der Antike

Was tun, wenn echte und alte Münzen nicht im Angebot sind, aber man sie unbedingt haben will, etwa um die Serie der römischen Kaiser möglichst vollständig ein eigen nennen zu können? Wie immer in solchen Fällen, fanden sich hilfreiche Stempelschneider und Goldschmiede und beschafften geprägte Nachbildungen oder erfanden neue. Berühmt wurden die Werke des in Padua tätigen Goldschmieds, Stempelschneiders und Medailleurs Antonio Cavino (1500 bis 1570). Der Herkunftsort gab den Arbeiten des Antonio Cavino ihren Namen - Paduaner. Die geprägten oder gegossenen Arbeiten meist in der Größe römischer Sesterzen aus Bronze und manchmal aus Silber waren zu ihrer Zeit begehrt und erzielen heute, da sie inzwischen als eigenständige künstlerische Werke der Renaissance anerkannt und wegen ihres besonderen Hintergrunds geschätzt werden, ähnlich hohe Preise wie die Originale.

Warum die Paduaner in Fälschungsabteilungen numismatischer Sammlungen fehl am Platze sind und welche eigenständigen Kunstwerke sich unter ihnen befinden, dokumentiert das Buch "All' antica - Die Paduaner und die Faszination der Antike" (Battenberg Gietl Verlag Regenstauf 2018, 376 S., zahlr. Abb., 39,90 Euro, ISBN 978-3-86686-166-6). Herausgegeben von Michael Matzke im Auftrag des Historischen Museums Basel und der Numismatischen Gesellschaft Speyer e. V., ist das voluminöse, hervorragend mit Fotos von Alwin Seiler ausgestattete Referenzwerk weitaus mehr als ein bloßer Katalog mit Nummern, Bildern und Beschreibungen. Die Beiträge von Lucas Burkart, Jürgen Kraut, Michael Schaffner und dem Herausgeber analysieren die "All' antica", also in der Art und im Geist der Antike, geschaffenen Medaillen im Besitz des Historischen Museums Basel.

Längst fällige Ehrenrettung

Das Buch mit Angaben über 450 fragliche Stücke sowie einem Stempelverzeichnis und Register macht mit einem ungewöhnlichen, in der schweizerischen Stadt nicht vermuteten Bestand bekannt und belegt die einzigartige Qualität der Medaillen, die Zierde einer jeden Sammlung von Werken der Renaissance sein müssten, es aber wegen ihres besonderen "Ruchs" vielfach nicht sind. Sie von dem Verdacht zu befreien, sie seien nur zum Zweck der Täuschung von Sammlern hergestellt worden, ist Aufgabe dieser ungewöhnlichen, längst fälligen Ehrenrettung, zu der das Historische Museum Basel und die Numismatische Gesellschaft Speyer e. V. ihre Kräfte segensreich zusammengeschlossen haben. Man muss kein Prophet sein um zu sagen, dass die Preise für die so lange stiefmütterlich behandelten Paduaner steigen werden und sich ein neues, interessantes Sammelgebiet auftut. Museumsdirektor Marc Fehlmann beschreibt die Stücke im Vorwort denn auch als Werke, die in ihrer Entstehungszeit hoch begehrt waren, um Laufe der Zeit aber eine massive Entwertung erfuhren und deshalb lange zu Unrecht ein Schattendasein in der numismatischen und kunsthistorischen Forschung fristeten. Über Generationen hätten die so genannten Paduaner und andere Medaillen nach antikem Vorbild als vermeintliche Fälschungen und "Neuschöpfungen" von antiken Münzen gegolten, welche sie zu imitieren schienen. Dass an der Legende nichts dran ist, verdeutlicht das Buch auf überzeugende Weise.

Die hier vorgestellten Medaillen stammen aus dem Nachlass des Sammlers Ludovic Demoulin de Rochefort (1515-1582), seines Zeichens Leibarzt der Herzöge von Savoyen. Der Zeitgenosse des Antonio Cavino verließ den glanzvollen Hof in Turin und ließ sich "in der Ruhe der Gelehrsamkeit dieser Stadt" nieder, wie es auf seinem Grabmal in der dortigen Peterskirche heißt. Nach seinem Tod gelangte sein Besitz in den eines Basilius Amerbach und von dort nach manchen Zwischenetappen ins Museum der Stadt in der Schweiz. In dessen Sammlung befinden sich nicht nur die an antike Vorbilder angelehnten Paduaner aus Bronze und Messing, sondern auch Medaillen auf Zeitgenossen von Cavino und seiner in seinem Stil tätiger Kollegen.

Stempel kamen nach Paris

Viele Stücke sind geprägt, andere gegossen, ziseliert und patiniert. Erfasst sind in dem Buch auch Stücke, die dem Basler Museum im 18. Jahrhundert und später übereignet wurden. Offenbar hat man dort erkannt, dass man herausragende, eigenständige Arbeiten vor sich hat, und das in einer Zeit, wo diese auf der anderen Seite als dubiose Machwerke abgetan wurden. Prägestempel aus Cavinos Werkstatt wurden einhundert Jahre nach dem Tod des Künstlers nach Paris verkauft und kamen in das Cabinet des Médailles der Bibliothèque nationale de France. Bereits im Jahr 1692 veröffentlichte Claude du Molinet Arbeiten des noch im späten 17. Jahrhundert geschätzten Italieners, weshalb auch mit diesen Werkzeugen angefertigte Stücke in dem Basler Katalog erwähnt werden.

Die Autoren zeigen an vielen Beispielen und im Vergleich mit ihren Vorlagen, dass die Schöpfungen des Antonio Cavino und anderer hochkarätiger Künstler der italienischen Renaissance ebenso wertvoll und bedeutsam sind wie die antiken Geldstücke, ja dass sie bedeutsam und aussagekräftig sind als Zeugnisse für die intensive Auseinandersetzung mit der Zeit, Welt und Kunst der klassischen Antike. Dass sich die Urheber der nach Cavinos Wohnort genannten Paduaner da und dort zu abenteuerlichen Erfindungen und Übertreibungen verstiegen, ist dem Geist der Zeit geschuldet, aber wohl auch ihrem Drang zu noch größerer ästhetischer und technischer Perfektion.

Cavino ging systematisch und sachkundig vor. Von dem Gelehrten Antonio Bassiano beraten, mit dem gemeinsam er auf einer Medaille aus der Zeit um 1535 bis 1538 abgebildet ist, ahmte er sicher nicht nur aus lauter Begeisterung zur antiken Kunst die alten Kaisermünzen nach, sondern befriedigte die Nachfrage seiner Zeitgenossen und betrieb damit auch ein recht einträgliches Geschäft. Cavino mühte sich nicht wie wirkliche Fälscher späterer Zeit, seinen Arbeiten in betrügerischer Absicht den Anschein zu verleihen, sie würden aus der römischen Kaiserzeit stammen. Unterschiede hat er nicht kaschiert, sie waren viel zu schön und zu perfekt gemacht, um aus der Antike zu stammen. Es gibt auffällige Abweichungen gegenüber diesen, so die Verwendung von Silber statt Bronze, und auch bei den Inschriften mühte sich der Meister nicht, sie ganz und gar den Originalen anzugleichen. Neben diesen Stücken mit kleinen Fehlern schuf Cavino auch phantasievolle Gepräge, für die er keine Vorbilder hatte.

Echtes und Altes als Vorlage

Antonio Cavino war nicht der einzige Italiener, der auf geniale Weise die Antike adaptierte. Auch andere in dem Katalog über die Paduaner im Besitz des Historischen Museums Basel vertretene Künstler wie Valerio Belli, Giovanni Boldù, Gian Giacomo Bonzagni, Alessandro Cesati, Vittorio Gambello verdienten mit ähnlichen Arbeiten ihren Lebensunterhalt. Ihnen müssen einschlägige Vorlagen aus der römischen Antike zur Verfügung gestanden haben, vielleicht auch mangels der Originale preiswerte Abgüsse. Bereits im 16. Jahrhundert müssen die Paduaner einigen Ärger verursacht haben, denn nicht jeder kannte ihre eigentliche Historie, und nicht jeder wusste, woher sie kamen. Die Bewertung solcher Arbeiten fiel später günstiger aus. Johann Wolfgang von Goethe, dessen etwa 4000 Münzen und Medaillen umfassende Sammlung in Weimar erhalten ist und wissenschaftlich aufgearbeitet wird, störte es nicht, dass er auch solche Stücke besaß, im Gegenteil. "Welcher Freund alter Münzkunde macht es sich nicht zur Freude, die Cavinischen Arbeiten zu sammeln, um an der täuschenden Nachbildung sein Gefühl für die Originale immer mehr zu schärfen." Der Dichter hatte Recht.

Legt man die antiken Originale und die entsprechenden Arbeiten des Cavino und seiner Kollegen nebeneinander, so fallen die Unterschiede sofort ins Auge. Die Randgestaltung des 16. Jahrhunderts ist gleichmäßiger, als es in antiken Münzschmieden möglich war. Es gibt Gewichtsunterschiede und abweichende Größen. Cavino musste sich nicht allzu sehr ins Zeug legen, denn wer unter den Sammlern besaß damals schon originales Vergleichsmaterial und war in der Lage, Altes von Neuem zu unterscheiden. Dass die Hersteller der Paduaner Spaß an der eigenen Kreativität hatten, dass sie alle ihre Möglichkeiten ausschöpften und da und dort nicht kompatible Details miteinander verbanden, sieht man ihren Arbeiten durchaus an.

21. Dezember 2018.

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