Preußens enttäuschte Hoffung
Friedrich Wilhelm II. gab sich schönen Frauen hin und überließ das Regieren zwielichtigen Personen



Die Büste Friedrich Wilhelms II. und im Hintergrund lässig auf ein Sofa gelehnt die Gräfin Lichtenau in einer Ausstellung von 2012 im Neuen Palais zum 300. Geburtstag Friedrichs des Großen.



Die Marmorbüste bildet Wilhemine Enke, die Tochter eines Musikers, lebenswahr ab. Ihr lag König Friedrich Wilhelm II. zu Füßen, mit ihm hatte sie mehrere Kinder.



Der begeisterte Cellospieler war das Gegenteil seines 1786 verstorbenen Onkels Friedrich II. von Preußen. Die Medaille und der Berliner Taler von 1790 zeigen, warum die Berliner den neuen König als "dicker Wilhelm" verspotteten.







Liebedienerisch lobt die Medaillen von 1786 den neuen König als "schon im Aufgang glänzend", darunter behauptet die Medaille aus dem Jahr 1790 "Durch dich Vielgeliebter erhält Schlesien die Früchte des Friedens".



Graf Alexander von der Mark, ein Sohn des Königs und der Gräfin Lichtenau, wurde von Johann Gottfried Schadow auf ergreifende Weise auf dem Totenbett dargestellt. Die Umstände seines frühen Todes 1787 sind nicht geklärt. Das Grabmal ist in der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel ausgestellt.



Das Spottbild zeigt, die die Gräfin Lichtenau hinter dem Rücken ihres königlichen Geliebten in die Kasse greift. (Fotos/Repro: Caspar)

Wenn es im Hause Hohenzollern um die Heirat von Prinzen ging, war man sehr pingelig. Nicht Liebe und Zuneigung entschieden, sondern die fürstliche Abstammung der Braut. Ein adliger Stammbaum allein reichte nicht. So wurde dem nachmaligen preußischen König und - ab 1871 - deutschen Kaiser Wilhelm I. verwehrt, seine Geliebte Elisa Radziwill zu ehelichen. Zwar stammte die junge Dame aus uraltem polnischen Adelsgeschlecht, und ihr Vater trug sogar einen Fürstentitel. Aber die schöne Elisa war den Hohenzollern nicht ebenbürtig, und das war der Haken. Als das Liebespaar unter Tränen voneinander Abschied genommen hatte, wurde eine Hochzeit mit der Prinzessin Augusta von Sachsen-Weimar arrangiert. An der Verbindung zwischen den Hohenzollern und dem Hause Sachsen konnte man nicht mäkeln, und die Thronfolge ohne Fehl und Tadel war gesichert. Der Sohn von Wilhelm und Augusta war als Friedrich III. im Jahr 1888 für 99 Tage König und Kaiser.

Das Thema "Geliebte und Mätressen der Hohenzollern" ist ausgesprochen spannend und bietet viel Stoff für Romane und Filme. Da den Männern an der Spitze von Brandenburg-Preußen nichts Menschliches fremd war, hielten sie sich, wie man damals sagte, neben legitimen Ehefrauen, welche Thronfolger zur Welt zu bringen hatten, Gespielinnen, mit denen sie bisweilen Kinder, aber nicht ebenbürtige Prinzen und Prinzessinnen, zeugten. Der erste Preußenkönig Friedrich I. besaß eine gräfliche Mätresse "en titre", weil man so etwas als bewundernswürdiger Barockfürst nun mal an der Seite haben musste. Richtig zur Sache ging es bei König Friedrich Wilhelm II. und der Madame Ritz, die für gute Dienste im Bett und als Mutter mehrerer illegitimer Kinder den Titel einer Gräfin Lichtenau erhielt und von den Historikern "preußische Pompadour" genannt wurde. Das ganze Gegenteil von ihm war Friedrich II., der Große, sein Onkel und Vorgänger auf dem preußischen Thron. Dieser hatte mit Frauen nicht viel am Hut und tröstete, obwohl formal verheiratet, mit jungen Männern sowie Flötenspielen und der Kriegführung.

Legitime und illegitime Kinder

Der Neffe und Nachfolger des preußischen Königs Friedrich II., Friedrich Wilhelm II., war ein Lebemann par excellence, der sich mit schönen Frauen umgab und neben dem legitimen Thronfolger Friedrich Wilhelm (III.) auch etliche illegitime Kinder hatte. Unter seiner Regentschaft zwischen 1786 und 1797 blühte die Mätressen- und Günstlingswirtschaft auf, die unter der Herrschaft seines Vorgängers Friedrich II., des Großen, ausgerottet war. Friedrich Wilhelm II. überließ die "verfluchte Arbeit", also das Regieren, zwielichtigen und machtgierigen Personen. Dabei brauchten die schwierigen Zeiten kluge und innovative Staatenlenker. Die Hohenzollernmonarchie, die nach 1789 die Auswirkungen der französischen Revolution zu spüren bekam und gemeinsam mit anderen Monarchien mit Frankreich Krieg führte und verlor, schrie geradezu nach Reformen. Aus diesem Grund wurde der neue Herrscher Friedrich Wilhelm II. als Erneuerer, als neue Hoffnung seiner Untertanen begrüßt. Künstler schrieben ihm wundersame Kräfte zu, die mit seinem Bildnis geschmückten Medaillen sprachen von neuer Hoffnung und ließen symbolisch die Sonne über Preußen aufgehen. Doch wurden alle enttäuscht, die in Friedrich Wilhelm II. einen Retter aus altpreußischer Erstarrung zu sehen glaubten.

Der "dicke Wilhelm", wie man den Neffen des Alten Fritzen nannte, war besonders Wilhelmine Encke verfallen, der Tochter eines königlichen Kammermusikers und Waldhornisten. Sie war noch ein halbes Kind, als der noch junge Thronfolger sie kennenlernte und eine stürmische Liebesbeziehung neben seiner vor allem für die Erzeugung eines Thronfolgers wichtigen Ehe begann. Seiner schönen Wilhelmine verschaffte der Prinz von Preußen, so der offizielle Titel des designierten Nachfolgers Friedrichs II., eine gute Bildung. Auf ihn hatte die pro forma mit dem Geheimen Kämmerer Ritz verheiratete Dame von berückender Schönheit, wenn man Gemälden glaubt, starken Einfluss. Wer zum König wollte, musste an der "preußischen Pompadour" vorbei, so ein von der Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. abgeleiteter Beiname für Wilhelmine Ritz, geborene Encke. Es versteht sich, dass solche Usancen im nunmehr galanten Preußen der Korruption Tür und Tor öffneten und so genannte preußische Tugenden wie Fleiß, Pünktlichkeit und Loyalität unter die Räder gerieten.

Um das Ansehen seiner Nebenfrau zu heben, verlieh Friedrich Wilhelm II. ihr den Titel einer Gräfin Lichtenau und schenkte ihr Güter, Geld und Häuser. Das Palais Lichtenau steht noch heute am Rand des Heiligen Sees in Potsdam, vis à vis vom Marmorpalais, der Sommerresidenz Friedrich Wilhelms II. Mit Wilhelmine hatte der König fünf Kinder. Darunter war ein Knabe, der den Titel eines Grafen von der Mark erhielt. Der Junge starb 1787 unter mysteriösen Umständen, man sprach von Giftmord. Für ihn schuf Johann Gottfried Schadow ein ergreifendes Grabdenkmal, das in der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel bewundernde Blicke auf sich zieht.

Anonyme Angriffe auf den liebestollen Herrscher

Natürlich wurde das skandalöse Treiben des wie Ludwig XV. von Frankreich "der Vielgeliebte" genannten Preußenkönigs nicht klaglos hingenommen. Da der "dicke Wilhelm", auf dessen Befehl hin das Brandenburger Tor gebaut wurde, seine Hände schützend über seine Geliebte hielt, konnte man ihr nichts anhaben. Das änderte sich schlagartig nach dem Tod ihres Beschützers im Jahre 1797. Jetzt erschienen bissige Pamphlete gegen die Gräfin Lichtenau, die man mit einer Hexe verglich. Natürlich richteten sich die anonymen Angriffe auch gegen den liebestollen König, der neben der Gräfin Lichtenau weitere Mätressen nebeneinander und nacheinander beglückte. Sein Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelm III. verkörperte strenge moralische Grundsätze. Der gegen die Gräfin Lichtenau angestrengte Hochverratsprozess verlief im Sande, weil niemand richtig an der Aufklärung der hochnotpeinlichen Vorgänge am preußischen Hof interessiert war und alles vermieden werden musste, dass ein Schatten auf das Haus Hohenzollern fällt. Die Gräfin Lichtenau wurde enteignet, kam für zwei Jahre ins Gefängnis und wurde anschließend aus Berlin verbannt. Friedrich Wilhelm III. ließ sich später erweichen und gestattete 1809 der Dame die Rückkehr in die Hauptstadt, wo sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1820 unbehelligt als wohlhabende Frau starb.

Pech einer anderen Geliebten Friedrich Wilhelms II. war es, dass sie sich zu stark in die Politik einmischte, wodurch die Zuneigung des Königs "erkaltete". Zum Glück entging die ihm zur "linken Hand" angetraute Gräfin Sophie Juliane Friederike von Dönhoff dem Schicksal einer der vielen Mätressen von August dem Starken, seines Zeichens König von Polen und Kurfürst von Sachsen. Dieser hatte 1716 die Anna Constantia Reichsgräfin von Cosel in die Burg Stolpen sperren lassen, wo sie 1765 starb. Die unternehmungslustige Gräfin Dönhoff wurde mit einer Jahrespension von 8000 Talern als eine Art Schweigegeld abgefunden. "Le Denhoff" lebte als Gutbesitzerin in der brandenburgischen Provinz. Ihr Sohn Friedrich Wilhelm Graf von Brandenburg, den sie mit dem 1797 verstorbenen Friedrich Wilhelm II. hatte, war ein Halbbruder Friedrich Wilhelms III. Er brachte es bis zum preußischen Ministerpräsidenten und starb 1850.

6. März 2018

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"