Hundert Jahre Frauenwahlrecht
Im Jubiläumsjahr 2019 erinnert neue deutsche Gedenkmünze an eine wichtige Errungenschaft



Das D auf der Rückseite sagt, dass die von Anne Karen Hentschel gestaltete Gedenkmünze in München geprägt wird.



Das Plakat von 1914 ruft kurz vor dem Ersten Weltkrieg zum Kampf für das Frauenwahlrecht auf.



Der zehnte Jahrestag der Weimarer Verfassung wurde 1929 und die Gründung des Deutschen Reichs vor hundert Jahren wurden mit silbernen Gedenkmünzen begangen.







In eine Sammlung zur Geschichte der Deutschen passen die Silbermünzen von 1991, 2003 und 2010 mit der Ansicht der 200 Jahre alten Brandenburger Tors sowie zum 50. Jahrestag des Aufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR und zum zehnten Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung. (Fotos: Wuthenow, Caspar)



Das Ende des Ersten Weltkriegs und damit der Monarchie und der Anfang der Republik im Deutschen Reich gehen 2018 vorüber, ohne dass eine Gedenkmünze an den epochalen Umbruch vor einhundert Jahren erinnert. Zu erklären ist die Zurückhaltung der Bundesregierung nicht, aber sie wird damit begründet, dass Kriege und Revolutionen nicht auf der Agenda derer stehen, die über Zuwächse bei den deutschen Münzen entscheiden müssen. Nun gut, in der Weimarer Republik hat man 1929 mit einem so genannten Verfassungstaler, das heißt mit einem Drei-Mark-Stück mit Schwurhand und dem Kopf des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, an die Ausrufung der Weimarer Verfassung erinnert. Aber das waren andere Zeiten. Diese und weitere Gedenkmünzen sowie zahlreiche Medaillen passen gut in eine Sammlung, die sich mit politischen Ereignissen befasst. Die Bundesrepublik Deutschland und die 1990 untergegangene DDR haben dafür ansehnliche Beispiele hervorgebracht. Die Ereignisse vom 1918 und 1919 gehen dennoch nicht unbeachtet vorüber. Für das kommende Jahr ist das Zwanzig-Euro-Stück "100 Jahre Frauenwahlrecht" angekündigt, und dieses ist in der Tat würdiges Gedenken wert. Aus der Fülle von Einsendungen, die es wert gewesen wären, dass man sie in hoher Auflage prägt, hat die Jury den Entwurf der Bremer Designerin Anne Karen Hentschel ausgewählt. Sie erinnert daran, dass zur Durchsetzung des ihnen erst 1919 in der Weimarer Verfassung eingeräumten aktiven und passiven Wahlrechts unzählige Frauen und auch manche Männer auf die Straße gingen. Der Münzentwurf zeigt sie, wie sie ein Plakat mit der Aufschrift FRAUENWAHLRECHT vor sich hertragen. Im Hintergrund erkennt man den Hinweis 100 JAHRE. Das Preisgericht stellt einmütig fest, der Entwurf sei plastisch überzeugend und die Typographie klar und einprägsam. Vorder- und Rückseiten würden miteinander harmonieren, und auch der Bundesadler sei würdig dargestellt.

Mängel der Weimarer Verfassung

Die von der Nationalversammlung angenommene und am 11. August 1919 vom neu gewählten Reichspräsidenten Friedrich Ebert unterzeichnete Weimarer Verfassung definierte das Deutsche Reich als parlamentarisch-demokratische Republik und knüpfte an Forderungen an, die schon in der Revolution von 1848/49 erhoben, aber nicht verwirklicht wurden. Allerdings wies die neue Verfassung gravierende Mängel auf, vor allem was die starke Stellung des für jeweils sieben Jahre direkt vom Volk gewählten Reichspräsidenten betrifft. Er konnte den Reichstag unter bestimmten Umständen auflösen, Neuwahlen ansetzen und mit Notverordnungen regieren. In der Spätphase der Republik erwies sich diese Bestimmung als verhängnisvoll, weil sie den Reichstag entmachtete und das geringe Vertrauen in die parlamentarische Demokratie weiter untergrub. Das öffnete den Nationalsozialisten Tür und Tor.

Zwar bestimmte die 1871 von Kaiser Wilhelm I. unterzeichnete Verfassung des Deutschen Reichs im Artikel 20, dass der Reichstag aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervorgeht, aber es wurde nicht gesagt, dass Männer und Frauen dieses Recht gleichermaßen wahrnehmen können. Damit wollten sich viele Frauen nicht abfinden, und so entwickelte sich mit den Jahren eine Bewegung, die immer lauter und mit immer besseren Argumenten das Wahlrecht für Frauen einforderte. Vor allem in Preußen, dem damals dominierenden Bundesland im Reich, gingen zahlreiche Frauen und mit ihnen auch Männer auf die Straße, um für ein demokratisches Wahlrecht zu streiten, das die Frauen einschließt. Zu den Protestaktionen vor einhundert Jahren kamen Massenstreiks zur Verbesserung der Lohn- und Lebensverhältnisse der Fabrikarbeiter und anderer lohnabhängiger Personen. Als die SPD zum 6. März 1910 zu einem "Wahlrechtsspaziergang" im Berliner Tiergarten aufrief, folgten ihr 150 000 Menschen. Sie forderten die Aufhebung des undemokratischen, wohlhabende Schichten bevorzugenden Dreiklassenwahlrechts sowie das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für Männer und für Frauen, die älter als 20 Jahre sind. Unter dem Druck der Proteste sah sich die preußische Regierung genötigt, eine Vorlage zur Abänderung des Wahlrechts ins Abgeordnetenhaus einzubringen, die aber weder die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts noch die Einführung des Frauenwahlrechts vorsah. Selbst die minimalen Verbesserungen im Wahlverfahren wurden im Preußischen Abgeordnetenhaus und im Herrenhaus, der ersten Kammer der obersten preußischen Volksvertretung, zu Fall gebracht.

Frische Briese ist nötig

Der Vorstand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ging nicht in die Offensive, sondern verhielt sich abwartend und orientierte auf die für 1912 angesetzten Reichstagswahlen. Einzig Rosa Luxemburg und einige andere Linke in der SPD forderten, die Wahlrechtsfrage durch politischen Massenstreik zu lösen. In einem Mitte März 1910 veröffentlichten Artikel mit der Überschrift "Was weiter?" erklärte die streitbare Politikerin, einige Wochen energischer Massenaktion des Proletariats hätten genügt, um den alten Sumpf der preußischen Reaktion aufzupeitschen und eine frische Brise in das politische Leben ganz Deutschlands zu wehen. Die preußische Wahlreform könne unmöglich durch parlamentarische Mittel gelöst werden, nur eine unmittelbare Massenaktion draußen im Land vermöge Wandel zu schaffen. Am 1. Oktober 1910 erklärte Luxemburg, mögen die herrschenden Gewalten in Preußen noch viel mehr mit dem Säbel fuchteln, mögen die Herrschaften, wie sie am 6. März in Berlin getan haben, ihre Kanonen, ihre mit scharfen Patronen geladenen Gewehre gegen die Massen richten - "gegen die Waffen, die wir in Vorrat haben, helfen keine Kanonen, keine scharfen Säbel". Allerdings fand die linke Sozialdemokratin mit ihren Forderungen bei der eigenen Parteiführung kein Gehör. Luxemburgs Kontrahent Karl Kautsky lehnte den politischen Massenstreik ab, redete der "Ermattung" des Klassengegners das Wort und sagte voraus, dieser werde sich zu Konzessionen bereit finden, wenn die Zeit reif ist.

Wir wissen, dass die Abgabe von Macht niemals freiwillig geschieht, und so musste es erst zu einem verlustreichen Krieg und einer unfriedlichen Revolution im November 1918 kommen, bis demokratische Rechte eingeführt und auch das Frauenwahlrecht Bestandteil der Verfassung wurden. So bestimmt der Artikel der Weimarer Verfassung: "Jedes Land muss eine freistaatliche Verfassung haben. Die Volksvertretung muss in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl von allen reichsdeutschen Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Die Landesregierung bedarf des Vertrauens der Volksvertretung. Die Grundsätze für die Wahlen zur Volksvertretung gelten auch für die Gemeindewahlen. Jedoch kann durch Landesgesetz die Wahlberechtigung von der Dauer des Aufenthalts in der Gemeinde bis zu einem Jahre abhängig gemacht werden." Über den Reichstag bestimmt der Artikel 20 bis 22, er bestehe aus den Abgeordneten des deutschen Volkes. Diese Vertreter des ganzen Volkes seien nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden. "Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl von den über zwanzig Jahre alten Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt." Damit war erreicht, wofür seit Jahrzehnten in Wort und auf der Straße gestritten wurde. Allerdings zogen nur wenige Frauen in die Parlamente ein, und auch weibliche Regierungsmitglieder waren die Ausnahme. Zwar wurde nach 1945 in den Verfassungen beider deutscher Staaten die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben, doch sieht die tägliche Praxis, was die Mitbestimmung von Frauen an der Politik und ihre Stellung am Arbeitsplatz betrifft, auch heute noch vielfach anders aus, wenn auch zum Glück nicht so prekär wie vor hundert Jahren.

Beim Anblick der Münze mit der Randschrift HERAUS MIT DEM FRAUENWAHLRECHT wird man sich vielleicht daran erinnern, dass der Weg bis dahin lang und steinig war. Das Wahlrecht für Frauen wurde 1902 in Australien, 1906 in Finnland und 1915 in Dänemark gegeben. Viel später gestanden die USA, Großbritannien, Frankreich und andere Länder ihren Bürgerinnen das aktive und passive Wahlrecht zu. Insgesamt taten sich die Länder weltweit schwer, Frauen politische Mitsprache zu gewähren und ihnen jene Rechte zuzugestehen, die die Männer wahrnehmen. Die Ungleichheit war vor hundert Jahren, der Novemberevolution sei Dank, Geschichte. Aber bis die Gleichberechtigung wirklich durchgesetzt wurde, dauerte es noch Jahrzehnte, und der Kampf ist bis heute nicht beendet.

14. Juli 2018

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