Jede Menge Jubiläen
In der DDR wurden Gedenkmünzen sowie Auszeichnungen geradezu inflationär ausgegeben



In den altertümlich ausgestatteten Arbeitsräumen des VEB Münze der DDR wurde Geldstücke sowie Medaillen und Auszeichnungen in großen Stückzahlen produziert.



Wer den Stern der Völkerfreundschaft bekam, stellte im zweiten deutschen Staat etwas dar. In der Staatlichen Münze Berlin werden die Stufen seiner Fertigung im VEB Münze der DDR gezeigt.



Im Unterschied zu manchen DDR-Münzen hat man Auszeichnungen wie die von der Gewerkschaft verliehene Fritz-Heckert-Medaille mit besonderer Sorgfalt hergestellt.



Wenn "runde" Gründungstage und andere Jubiläen nahten, wurden in der DDR die Prägemaschinen angeworfen, hier die Ausgaben von 1979.



Vieles, was sich für die Formung eines "sozialistischen Geschichtsbildes" heranziehen ließ, wurde auch mit Gedenkmünzen bedacht, in diesem Fall mit Bildnissen von Ernst Moritz Arndt und des Freiherrn Karl vom und zum Stein.



Nur wenige Frauen wie die linke Politikerin Clara Zetkin und die Bildhauerin und Grafikerin Käthe Kollwitz wurden in der DDR für würdig gehalten, durch Gedenkmünzen gewürdigt zu werden.



Potsdamer Sehenswürdigkeiten wie das Schloss Sanssouci und das Neue Palais klapperten in Form von Fünf-Mark-Stücken bis zum Ende der DDR in zahllosen Geldbörsen. (Fotos/Repro: Caspar)

Bei der Herausgabe der DDR-Gedenkmünzen standen Geburtstage und Todestage bedeutender Gelehrter und Künstler sowie von Arbeiterführern ganz oben an. Hinzu kamen die häufig gefeierten und Selbstdarstellung des zweiten deutschen Staates genutzten Jubiläen, die auch zur Ankurbelung der Wirtschaft und zur ideologischen "Ertüchtigung" von 17 Millionen Einwohnern dienten. Jubiläen und Feiertage waren nach dem altrömischen Motto "Brot und Spiele" beliebte Mittel, um das DDR-Volk in Bewegung und bei Laune zu halten. Wenn es sonst wenig gab, an Orden, Medaillen und Auszeichnungen aller Art und unterschiedlicher künstlerischer Qualität herrschte kein Mangel, so wie Schnaps immer verfügbar war. Mit großem propagandistischem Aufwand wurden der 1. Mai als Feiertag der Arbeiterklasse, der 8. Mai als Tag der Befreiung vom Faschismus, der 1. September als Weltfriedenstag zur Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 begangen. Ihnen folgten am zweiten Sonntag im September der Internationaler Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg, während der 7. Oktober als Gründungstag der DDR besonders hoch in Ehren stand. Im Jubiläums- und Feiertagskalender des zweiten deutschen Staats standen das Gedenken an die ermordeten Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg jeweils am zweiten Sonntag im Januar und der 7. November als Jahrestag der, wie es hieß, Großen Sozialistischen Oktoberrevolution obenan.

Oft waren die Jahres- und Kampftage Anlass zur Verleihung von Wanderfahnen, Ehrentiteln und Prämien mit dem Auftrag, die Kräfte zur Verwirklichung der Volkswirtschaftspläne weiter zu steigern. In den Medien wurden aus diesen Anlässen Grußadressen des SED-Zentralkomitees, des Staatsrates und der Regierung mit fast immer den gleichen, auf hohe Planerfüllung und Treue zum sozialistischen Staat zielenden Forderungen veröffentlicht. Wenn man witzelte, es sollten endlich auch mal die wenigen Tage gefeiert werden, die keine Feiertage sind, zog man sich den Zorn der Behörden zu und geriet ins Visier der Stasi. Es gehörte zu den alljährlich sich wiederholenden Ritualen, dass an diesen und weiteren Jahres- und Ehrentagen auch Orden und Medaillen verliehen wurden. Der Münzhandel bietet sie regelmäßig an, manche Konvolute wurden von den Nachkommen hoher Partei- und Staatsfunktionäre in die Auktionen gegeben.

Jedem sein Feiertag

Neben den Jahrestagen gab es verschiedene Jubeljahre, die wie die Feier- und Ehrentage für die Ausrufung von Wettbewerben und Kampagnen zur Stärkung des sozialistischen Rates genutzt wurden. Genannt seien das Karl-Marx-Jahr 1953 anlässlich des 135. (!) Geburtstages des Begründers des wissenschaftlichen Sozialismus, wie es damals hieß, der 50. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution 1967, der 50. Jahrestag der Novemberrevolution und der Gründung der KPD 1918, das Martin-Luther-Jahr 1983 und das Thomas-Müntzer-Jahr 1989, die Siebenhundertfünfzigjahrfeier Berlins 1987 und weitere von hochkarätigen Komitees vorbereitete Jubiläen. "Runde" Jahrestage der SED und der DDR waren überdies Auslöser von Selbstverpflichtungen und Jugendaufgeboten. In ihrem Zeichen wurden den Werktätigen in Stadt und Land neue Leistungen für den sozialistischen Wettbewerb abverlangt, während die Partei- und Staatsführung mit neuen, "noch" großartigeren Ankündigungen glänzte.

Der 20. Jahrestag wurde 1969 im Zeichen einer römischen XX gefeiert. Aus diesem Grund hat man ein neues Fünf-Mark-Stück aufgelegt, auch später waren der 25., 30., 35. und 40. und damit letzte Jahrestag der DDR Anlass zur Ausgabe von Sondermünzen. Das bei solchen Jubiläen entfaltete Gepränge konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich an den engen, trostlosen Verhältnissen im Lande kaum etwas änderte. Die ständig wiederkehrenden Jubelfeste haben nicht jedem gefallen. Als 1969 der 20. Jahrestag des Arbeiter-und-Bauern-Staates begangen wurde, wie sich die 20 Jahre später untergegangene DDR oft und gern nannte, lief dieser freche Spruch durch das Land: "Keine Kohle im Keller, keine Kartoffeln im Sack / Es leben der 20. Jahrestag." Selbstverständlich kamen der DDR genehme historische Ereignisse und Gestalten zu numismatischen Ehren. Zu nennen sind Maler, Architekten, Dichter und andere Künstler sowie "progressive" Politiker wie der Freiherr Karl vom und zum Stein und jede Menge Wissenschaftler. Gefeiert wurden auf Münzen auch die Befreiungskriege von 1813 bis 1815 und der Kampf gegen das Naziregime in den Jahren 1933 bis 1945.

Billig gemachte Flachmänner

Auf Gedenk- und Kursmünzen wurden herausragende Ereignisse der Zeitgeschichte wie der gemeinsame Weltraumflug des sowjetischen Kosmonauten Waleri Bykowski und seines DDR-Kollegen Siegmund Jähn am 26. August 1978 gefeiert, aber auch die X. Weltfestspielen in Berlin 1972, das Internationale Jahr der Frau 1975, das Internationalen Anti-Apartheid-Jahr 1978 oder der 40. Jahrestag der Grünung des Turn- und Sportbundes 1988. Die meist in hohen Auflagen geprägten und daher für den alltäglichen Geldverkehr bestimmten Münzen zeichnen sich kaum durch originelle Darstellungen aus. Die für das Geld- und Münzwesen verantwortlichen Partei- und Regierungsgremien machten offenbar einen Unterschied, ob anspruchsvolle Gedenkmünzen mit schüsselförmigem Fonds oder nur flache, schnell herzustellende Massenware geprägt werden sollen. So findet man in einer DDR-Sammlung neben künstlerisch vollendeten und sorgsam ausgeführten Geldstücken auch manche "Flachmänner", die man sich nur hinlegt, wenn man die Serie vollständig haben möchte.

Es fällt auf, dass bei der Auswahl der Münzmotive ziemliche Willkür herrschte. Wichtige Ereignisse wie die vom Staats- und Parteichef Erich Honecker als eine Art Ritterschlag gefeierte Aufnahme der DDR in die Vereinten Nationen 1976, das Europäische Denkmaljahr 1975, an dem auch die DDR beteiligt war und das durch ein bundesdeutsches Fünf-Mark-Stück gewürdigt wurde, oder auch der 125. Jahrestag der Revolution von 1848 wurden durch DDR-Gedenkmünzen nicht berücksichtigt. Ohne eine Gedenkmünze ging auch der mit Ausstellungen und der Restaurierung von Bauwerken verbundene 200. Geburtstag des berühmten Architekten, Städteplaners und Vaters der preußischen Denkmalpflege Karl Friedrich Schinkel vorbei. Sein Kopf schmückte bereits das von Gerhard Rommel und Axel Bertram gestaltete Zehn-Mark-Stück von 1966. Vierzig Jahre später fügte es sich, dass Bertram mit einem Entwurf für ein Schinkel gewidmetes Zehn-Euro-Stück den ersten Preis errang. Numismatischer Adel in Form einer Gedenkmünze wurde dem Palast der Republik, der von 1973 bis 1976 auf dem Areal des 1950 abgerissenen Berliner Stadtschlosses errichtet wurde, nicht zuteil. Nach dem Abriss von "Erichs Lampenladen" bleiben nur Erinnerungen an frohe Feste, billiges Mittagessen und markige Parteitagsreden, aber auch DDR-Banknoten, einige Medaillen sowie Porzellangeschirr mit dem Palast-Logo übrig. Bis 2019 erlebt das Berliner Stadtschloss auf dem historischen Areal an der Spree seine Wiedergeburt als Humboldt Forum.

Lebende Politiker wurden auf DDR-Münzen nicht verewigt. Bei Medaillen hingegen war man weniger zurückhaltend. Lediglich hat man den 1960 verstorbenen Staatspräsidenten Wilhelm Pieck und den ersten Ministerpräsidenten Otto Grotewohl, der 1946 mit Pieck die SED gegründet hatte, 1949 DDR-Ministerpräsident wurde und 1964 starb, auf zwei Zwanzig-Mark-Stücken geehrt. Die von Wilfried Fitzenreiter und Axel Bertram beziehungsweise Ludwig Engelhardt und Günter Junge gestalteten Kursmünzen aus Neusilber wurden 1972 und 1973 in hohen Auflagen geprägt. Sie waren im Gegensatz zu den silbernen Gedenkmünzen für den allgemeinen Geldverkehr bestimmt: 1971 kam ein von Wilfried Fitzenreiter und Axel Bertram gestaltetes Zwanzig-Mark-Stück mit dem Kopf des 1944 von den Nationalsozialisten im KZ Buchenwald ermordeten Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands, Ernst Thälmann, heraus, dem 1986 eine weitere Gedenkmünze zu zehn Mark anlässlich seines einhundertsten Geburtstags gewidmet wurde. Die Designer Heinz Hoyer und Sneschana Russewa-Hoyer zeigen Thälmann auf dem in hoher Auflage geprägten Geldstück an der Spitze eines Demonstrationszuges marschierend. Die rechte Hand ist zum "Rot-Front-Gruß" geballt. Von dieser Münze kommt auch eine Probe vor, die sich von den Normalstücken nur durch ein erhabenes P auf der Wertseite unterscheidet. Sinn dieser in einer Stückzahl von nur 107 Exemplaren hergestellten und damit sehr raren Sonderausgabe war es wohl, sie für viel "Westgeld", also Devisen, an auswärtige Sammler zu verkaufen. Auch von anderen Münzen wurden aus kommerziellen Gründen solche "Proben" hergestellt.

Prägezahlen stimmen nicht immer

Bis zur deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 wurden im Volkseigenen Betrieb Münze der DDR, kenntlich an dem seit 1750 geltenden Buchstaben A, zahlreiche Gedenkmünzen zu 20, zehn und - ab 1968 - fünf Mark geprägt. Ziel war neben der Eigenpropaganda natürlich die Erwirtschaftung von harten Devisen. Dieser Drang nach der "Westmark" trieb eigenartige Blüten. So wurden unterschiedliche Versionen ein und derselben Gedenkmünze hergestellt, mal in einer vergleichsweise hohen Auflage, mal in geringer Stückzahl und manchmal auch in einem von der Norm abweichenden Metall. Da Sammler danach streben, ihre Kollektionen möglichst vollständig zu bekommen, rechneten die Initiatoren dieser Parallelausgaben damit, dass vor allem viel Westgeld ausgegeben wird, um an diese Raritäten zu gelangen. Für den normalen DDR-Bewohner war es kaum möglich, sich diese Sonderlinge zu verschaffen, und als er es konnte, waren sie exorbitant teuer. Nach 1990 wurden manche Geheimnisse um die DDR-Münzen gelüftet. So stellte sich bei der Sichtung von Akten der Staatsbank und der Berliner Münze heraus, dass die offiziellen Prägezahlen häufig nicht stimmen. Denn von etlichen Ausgaben wurden tausende Stücke eingeschmolzen, um Silber für neue Emissionen zu gewinnen. Die vermeintlichen und wirklichen Auflagen sind dank dieser Ermittlungen in den Münzkatalogen angegeben.

8. Mai 2018

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