Despotischer Herzog musste fliehen
Münzen erinnern an die Braunschweigische Revolution von 1830 und ihre Folgen



Aus dem Einerlei der unter den Braunschweigern geprägten Münzen ragt der mit einem Bildnis versehene halbe Taler von Karl II. aus dem Jahr 1829 heraus. Ein Jahr später war der despotische Welfe seine Krone und sein Land los, ein Comeback ist ihm nicht mehr gelungen.



Das brennende Schloss zu Braunschweig wirkte weit über das Jahr 1830 hinaus als Fanal dafür, dass das Volk nicht mehr gewillt ist, fürstliche Willkür zu ertragen und im Elend zu vegetieren.



Im Stil der Zeit und nach den Vorgaben der Dresdner Münzkonvention ist der Doppeltaler mit dem braunschweigischen Wappen unterm Hermelinmantel geschmückt.



Der probeweise in wenigen Exemplaren hergestellte Doppeltaler von 1849 kombiniert den Kopf von Herzog Wilhelm mit dem springenden Welfenross, das auf vielen Landesmünzen erscheint.



Herzog Wilhelm von Braunschweig-Lüneburg trat 1875 mit diesem in Berlin mit dem Buchstaben A geprägten Zwanzig-Mark-Stück in Erscheinung und danach nicht mehr. (Fotos/Repros: Caspar)

In der Napoleonischen Zeit existierte das braunschweigsche Herzogtum nicht. Es war im Ergebnis der napoleonischen Kriege und des Friedens von Tilsit (1807) dem von König Jerôme, eines Bruders von Kaiser Napoleon I., regierten Königreich Westphalen zugeschlagen worden, so wie bedeutende Teile der preußischen Monarchie auch. Das gleiche Schicksal erlitt das Kurfürstentum Hannover, das seit dem frühen 18. Jahrhundert in Personalunion mit dem englischen Königreich verbunden war, dem Hauptfeind des Franzosenkaisers. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig am 18. Oktober 1813 und den folgenden Feldzügen gegen Frankreich gelang wie beim Phoenix aus der Asche die Wiederherstellung sowohl von Hannover als Königreich als auch des Herzogtums Braunschweig. Dessen nach 1806 seines Landes verlustig gegangene Herzog Friedrich Wilhelm erwarb in den Befreiungskriegen als Führer eines Freikorps, das man wegen der Farbe der Uniformen "schwarze Schar" nannte, einen guten Namen. In der Schlacht von Waterloo im Juni 1815 erlitt der, wie man sagte "schwarze Herzog" den Heldentod.

Seine Nachfolge trat der erst elfjährige Herzog Karl II. an, der bis 1823 unter Vormundschaft des englischen Königs stand und auf braunschweigischen Münzen fast ausschließlich durch seinen Titel und sein Wappen erschien. Gepräge aus den Jahren nach dem Tod des "schwarzen Herzogs" Friedrich Wilhelm nennen den Namen des Prinzen von Wales, der ab 1820 König Georg IV. wurde, als Regent für den minderjährigen Herzog Karl. Nachdem dieser 1823 mündig geworden war, entfiel die Titulatur. Auf einer Probe zu einem halben Taler von 1829 erscheint der unbeliebte Karl im Schmuck seiner Orden, während auf der Rückseite das Landeswappen unter einem mit der Krone geschmückten Hermelinmantel von zwei "wilden Männern" flankiert wird. Diese Form heraldischer Präsentation findet man auf weiteren braunschweigischen Münzen und denen anderer deutscher Bundesstaaten.

Die Menge rief nach Brot und Freiheit

Die Regierungszeit von Karl II. war durch einen autokratischen Herrschaftsstil und höfische Verschwendungssucht gekennzeichnet. Der Herzog brachte seine unter Despotie und Armut leidenden Untertanen gegen sich auf. Wegen einer Missernte und großer Hungersnot kam es 1830, als sich die Franzosen in der Julirevolution gegen die Bourbonenherrschaft erhoben, zu einem Volksaufstand, in dessen Verlauf Karl II. in die Schweiz floh und das Braunschweiger Residenzschloss in Flammen aufging. Die Erhebung ging als Braunschweigsche Revolution in die Geschichte ein. Sie war ein wichtiges, freilich wenig bekanntes Ereignis auf dem Weg der Deutschen zur Überwindung der Fürstenherrschaft und Erlangung demokratischer Verhältnisse.

Statt auf die Forderungen aus der Bevölkerung einzugehen, die sich vor seinem Schloss versammelt hatte und "Brot, Brot, Freiheit, Freiheit" rief, tat er das, was alle Selbstherrscher ohne Gefühl für die Nöte ihrer Untertanen tun. Er ließ die Wachen verstärken, Kanonen auffahren und die Pulvervorräte aufstocken. So genanntes Umherstehen von mehr als sechs Personen war von heut auf morgen verboten. Jederzeit hätte sich die Volkswut in einem Aufstand entladen können, wie 1848 in Wien, Berlin, Dresden und an anderen Orten. Wäre der Herzog nicht von seinen eigenen Leuten daran gehindert worden, er hätte einen Schießbefehl erteilt mit schrecklichen Folgen. Während die aufgebrachte Menge die Absperrungen am Schloss überwunden hatte und sich bedrohlich seinen Gemächern näherte, entschloss sich der so adelsstolze, jetzt aber verängstigte Herzog zur Flucht. Um nicht erkannt und gar erschossen zu werden, hatte er sich als einfacher Offizier getarnt. Der Herzog ergriff das Weite, weil man ihm gesagt hatte, seine "Reise" werde zur Beruhigung der Lage beitragen.

Die überstürzte Flucht des Herzogs hatte zur Folge, dass nicht geschossen wurde, wohl aber kam es zu Ausschreitungen auf allen Seiten - und es brannte das Schloss. Wer das Feuer gelegt hatte, wurde nie ermittelt, es wurde aber als Menetekel, als biblisches Zeichen an der Wand und als Zeichen des Aufbruchs zu neuen Ufern interpretiert. Ungeheuerliches war geschehen, und noch lange erinnerte man sich in der braunschweigischen Haupt- und Residenzstadt daran, was fürstliche Autokraten anrichten können, wenn erst einmal die Volkswut eskaliert.

Der unbeliebte, ganz und gar von seinem Gottesgnadentum überzeugte Herzog wurde in Abwesenheit für regierungsunfähig erklärt und versuchte später ein Comeback, das aber nicht gelang. Bis zu seinem Tod 1873 gab er niemals die Hoffnung auf, auf den Thron seiner Vorfahren zurückkehren zu können. Sein vor allem in Diamanten angelegtes Vermögen vermachte der "Diamantenherzog" der Stadt Genf, die ihn dafür mit einem Denkmal ehrte.

Nachfolger vom Thron gestürzten Karl II. wurde dessen Bruder Wilhelm, der Braunschweig bis 1884 regierte und auf vielen vor der Reichseinigung von 1871 geprägten Münzen mit seinem langsam älter werdenden Bildnis vertreten ist. In der Kaiserzeit ließ Wilhelm nur einmal eine Münze, und zwar das mit seinem Kopf geschmückte Zwanzig-Mark-Stück von 1875, in einer Auflage von 100 000 Stück prägen. Nach dem Tod von Herzog Wilhelm, der keine legitimen Erben hinterlassen hatte, übernahm ein Regentschaftsrat die Regierungsgeschäfte in Braunschweig. Da Preußen und das 1866 im Ergebnis des Deutschen Kriegs vertriebene Haus Hannover verfeindet waren, konnte der eigentliche Thronanwärter, König Ernst August von Hannover, die Regierung in Braunschweig nicht antreten. Deshalb führten von 1885 bis 1913 Vertreter anderer Fürstenhäuser die Regentschaft aus.

Aussöhnung mit den Welfen

Erst 1913 gelang die Aussöhnung zwischen den Hohenzollern und den Welfen mit der Hochzeit zwischen der Prinzessin Viktoria Luise, einer Tochter von Kaiser Wilhelm II., und dem Welfenprinzen Ernst August. Er bestieg unter Verzicht auf seine Ansprüche auf das ehemalige Königreich Hannover als neuer Herzog in Braunschweig den Thron, was 1915 zur Prägung von Drei- und Fünf-Mark-Stücken mit seinem und dem Bildnis seiner Frau 1915 führte. Da der herzogliche Titel bei der Erstausgabe nicht vollständig wiedergegeben wurde, weil der Hinweis U. LÜN. (und Lüneburg) fehlte, musste in Berlin ein neuer Stempel angefertigt werden, weshalb Sammler danach trachten, beide Versionen in ihren Besitz zu bekommen.

Die braunschweigische Münzprägung des 19. Jahrhunderts reichte zeittypisch von Goldstücken zu zehn Talern bis zu bescheidenen Pfennigen aus Kupfer, war aber nicht mehr zu vergleichen mit der reichen Gedenkmünzen- und Löserprägung früherer Jahrhunderte, mit der die Ausbeute der landeseigenen Bergwerke zum Lob des Herzoghauses in klingende Münze verwandelt wurde. Die Querelen rund um den im Volk verhassten Herzog Karl waren offenbar nicht geeignet, an die alten Traditionen anzuknüpfen und Gedenkmünzen herauszugeben. In anderen Staaten des Deutschen Bundes hielt man sich weitgehend zurück. Münzen wurden nach den Befreiungskriegen zur Geschichts- und politischen Propaganda systematisch nur in Bayern geprägt.

In anderen deutschen Bundesstaaten und auch im Ausland verzichteten die Fürsten, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auf dieses Mittel, sich und ihre Herrschaft im wahrsten Sinne des Wortes glänzend und für alle Zeiten zu präsentieren. Im Königreich Hannover hat man versucht, Fürstenverehrung und Untertanentreue durch Medaillen und Gedenkmünzen zu fördern. Wie das nur ansatzweise gelang, weil auch hannoversche Könige wie Despoten herrschten, sollte beim Anblick der Gedenkmünzen aus der Zeit der Könige Ernst August und Georg V. berücksichtigt werden.

6. August 2018

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