Gedenkmünzen als unnötiges Luxusgut?
Nach 1914 wurden Goldmünzen aus dem Verkehr gezogen und nur noch wenige Silbermünzen geprägt, von halben Markstücken abgesehen









Der Gedenkmünze zum 400. Jubiläum der Lutherschen Reformation wurde 1917 eine Auflage von beschämend wenigen hundert Exemplaren zugebilligt.





Wer 1918 das in einer Auflage von 130 Stück geprägte Drei-Mark-Stück zur Bayernhochzeit nicht bekam, und das waren viele Sammler, wurde mit einem Abschlag aus Pappe und der Aussicht auf bessere Zeiten vertröstet.



Die alten Mansfelder Talern nachempfundenen Drei-Mark-Stücke von 1915 sollen Mitarbeiter des Bergbaubetriebs an der Front als eine Art Amulett vor feindlichen Kugeln bei sich geführt haben.



Die Verwendung des silbernen Randes am millionenfach verliehenen Eisernen Kreuzes schlug in der Edelmetallbilanz des Deutschen Reiches schwer zu Buche, weshalb man über einen Ersatzstoff nachdachte, ihn aber nicht einsetzte.

Bis zum Ende der Monarchie hat man silberne Halb-Mark-Stücke geprägt, doch kommen auch Proben aus Eisen vor. (Repros: Caspar)

Bei der Betrachtung der Münzprägung des deutschen Kaiserreichs im Ersten Weltkrieg (1914-1918) ist viel von Silberknappheit die Rede. Die Folge war, dass die bis dahin recht üppige Prägung von silbernen Kurs- und Gedenkmünzen nach und nach reduziert wurde. Zunächst wurde mit Kriegsbeginn am 1. August 1914 die gesetzliche Pflicht zur Einlösung von Papiergeld in Goldmünzen aufgehoben. Mit Blick auf den Ausbruch eines bewaffneten Konflikts war bereits im Juli 1914 Gold für über hundert Millionen Mark abgezogen und durch Papiergeld ersetzt worden. Die Bevölkerung wurde in der Presse aufgefordert, ihre Bestände an Zwanzig-, Zehn- und wo es sie noch gab an goldenen Fünfmarkstücken zum Nennwert gegen Papiergeld einzuwechseln. Zur Belohnung für die als patriotisch gefeierte Edelmetall-Ablieferung bekam man in der Tradition ähnlicher Aktionen während der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 Eisenmedaillen mit der Aufschrift "Gold gab ich zur Wehr / Eisen nahm ich zur Ehr".

Außer den Goldmünzen wurden nach und nach auch Silbermünzen eingezogen und, zunächst kaum spürbar für die Bevölkerung, durch Papiergeld ersetzt. Zunächst war es möglich, silberne Gedenkmünzen zu drei Mark zu prägen, wenn auch nicht in den ursprünglich geplanten Quantitäten. Die bekanntesten Stücke dieser Art erinnern mit der Nachbildung eines Georgstalers an die hundertjährige Zugehörigkeit der Grafschaft Mansfeld zu Preußen, an die Hundertjahrfeiern der Erhebung der Herzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Sachsen-Weimar zu Großherzogtümern (alle 1915), sowie zum 25jährigen Regierungsjubiläum von König Karl von Württemberg (1916).

Nur winzige Auflagen genehmigt

Ursprünglich sollten diese und weitere Gedenkstücke in hohen Auflagen von 100 000 Exemplaren und mehr geprägt werden. Wegen der "auf dem Silbermarkt herrschenden Verhältnisse", wie es im bekannten Jaeger-Katalog über die ab 1871 geprägten deutschen Münzen heißt, wurden die Auflagen stark reduziert. Für die Zeit nach dem Krieg stellte man da und dort Nachprägungen in Aussicht, die gelegentlich im Münzhandel angeboten werden. Zu diesen Gedenkstücken kamen in winziger Auflage die Drei-Mark-Stücke zur Vierhundertjahrfeier der Reformation mit dem Bildnis des sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen und zum 25jährigen Regierungsjubiläum von Großherzog Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt (beide 1917) sowie zur Goldenen Hochzeit des bayerischen Königspaars Ludwig III. und Marie Therese (1918). Nicht realisiert wurde eine Serie neuer Münzen mit dem Bildnis des sächsischen Königs Friedrich August III. in der Uniform eines Generalfeldmarschalls. Zu Pfingsten 1915 saß der Monarch dem königlichen Stempelschneider Friedrich Wilhelm Hörnlein Modell. Ein Aluminiumabschlag vom Stempel des nicht realisierten Dreimarkstücks befindet sich in der Sammlung des Dresdner Münzkabinetts.

Unverkennbar groß war während der Kriegszeit in dem weitgehend von ausländischen Lieferanten abgeschnittenen deutschen Kaiserreich Not an Edelmetallen. Man hatte offensichtlich Mühe, das Silber für die genannten Gedenkprägungen zusammenzukratzen. Dies war auch der Fall des schon erwähnten, von Hörnlein geschaffenen Dreimarkstücks "Friedrich der Weise". Die Entstehungsgeschichte dieser seltensten und teuersten Reichsmünze ist hinlänglich aufgearbeitet, doch schaut man in die Akten des Reichsschatzamtes, dann findet man noch weitere Details. Zum Antrag des Königreichs Sachsen "betreffend Ausprägung von Dreimarkstücken in Form von Denkmünzen für die Reformationsfeier im Jahre 1917" äußerte sich das dem Reichskanzler unterstehende Reichsschatzamt am 28. Juni 1917 ablehnend. "Die Reichsfinanzverwaltung muss sich gegen den Antragwegen der entstandenen Silberknappheit aussprechen", heißt es in dem für die "Herren Mitglieder des VII. und IV. Ausschusses des Bundesrates" bestimmten Schreiben, einem Gremium von Vertretern der deutschen Bundesstaaten und der Freien und Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck, das unter anderem über Münzangelegenheiten zu befinden hatte. Interessant ist zunächst, dass sich der Berichterstatter, Ministerialdirektor Kempff vom Reichsschatzamt, für die weitere Ausprägung silberner Fünfzigpfennigstücke ausspricht, "um die Kleingeldknappheit zu mildern". Demnach sollte die Herstellung nur von Silbermünzen zu einer, zwei, drei und fünf Mark gedrosselt werden. Bekanntlich wurden riesige Mengen der halben Mark/50 Pfennige hergestellt, im Jahr 1918 vorauseilend sogar mit der Jahreszahl halbe Markstücke.

Edelmetall statt Papiergeld

Offenbar muss es selbst im letzten Jahr des Ersten Weltkriegs noch größere Mengen an dem Edelmetall gegeben haben, sonst hätte man diese Fünfziger auch aus anderem Material hergestellt. Dass es dafür schon Versuche gab, zeigen seltene Probemünzen aus Eisen. Selbstverständlich war Silber ein kriegswichtiger Rohstoff, keine Frage. Interessant ist zu erfahren, wozu dieser außer zur Münzprägung und Schmuckherstellung noch benötigt wurde. Aus der schon zitierten Stellungnahme des Reichschatzamtes erfährt man Einzelheiten. "Außerdem ist ein erheblicher Bedarf an Hartgeld für militärische Unternehmungen im Ausland zu befriedigen. Für die Türkei haben bis jetzt 20 000 kg Feinsilber, für die Kämpfe in Persien 70 380 kg Feinsilber bereitgestellt werden müssen, da in diesen Kriegsgebieten papierne Geldzeichen entweder überhaupt nicht oder nur mit einem starken Disaigio genommen werden. Auch für die Besoldung der eigenen Beamten der gesandtschaftlichen Vertretungen und konsularischen Missionen in der Türkei [die an der Seite des Deutschen Reichs kämpfte, H. C.] war Silber verfügbar zu machen", stellt der Berichterstatter fest und fügt hinzu: "Für die Türkei stehen weitere hohe Ansprüche von Hartgeld bevor, das zu einem wesentlichen Teile in Silber zu beschaffen sein wird".

Selbstverständlich legte nicht nur die Finanzverwaltung ihre Hand auf das begehrte Edelmetall, auch die Kriegswirtschaft verbrauchte davon große Mengen. In diesem Zusammenhang werden ohne weitere Angabe von Gründen Gasmasken sowie pharmazeutische und photographische Zwecke genannt, "die namentlich für die Luftschifffahrt von der größten Bedeutung sind. Auch die Herstellung der Eisernen Kreuze nimmt viel Silber weg, so dass bereits eine andere Legierung des Silbers zur Ersparung des Silbers erwogen werden muss". Auch auf die Silberindustrie, gemeint war wohl Schmuckindustrie, musste Rücksicht genommen werden, weil deren Erzeugnisse im Ausland "zu hohen Preisen" abgesetzt werden konnten, und man Entlassungen vermeiden wollte. Außerdem stiegen die Silberpreise von 75 bis 80 Mark pro Kilogramm zu Kriegsbeginn auf 175 Mark und mehr Mitte 1917.

Einwände der Finanzverwaltung

Das alles hatte zur Folge, dass Silbermünzen offiziell und auch ohne Genehmigung zum Zwecke der Silbergewinnung eingeschmolzen wurden. "Unter diesen Umständen glaubt die Finanzverwaltung es nicht verantworten zu können, Silber für eine Verwendung zur Verfügung zu stellen, bei der es irgend welchen wirtschaftlichen Nutzen nicht haben kann", heißt es in der Vorlage mit Blick auf die vom Königreich Sachsen beantragte und für 1917 zur Siebenhundertjahrfeier von Luthers Thesenanschlag geplante Reformationsmünze. "Die Denkmünzen würden nicht dem Verkehr dienen, da sie als Andenken aufgehoben werden. Dies muss auch gelten, wenn die Prägemenge erheblich herabgesetzt würde. Jedes Kilogramm Feinsilber ist heute wichtig. Außerdem würde der Zweck der Denkmünzprägung bei einer so geringen Prägemenge völlig verfehlt." Die Finanzveraltung könne sich auch mit einer "aufgeschobenen Prägung" nicht einverstanden erklären, "einmal weil die spätere Prägung gerade vom Standpunkt der Reformationsfeier nicht die ihr beigelegte Bedeutung haben könnte, sodann aber wohl nicht abzusehen ist, wann auf dem Silbermarkte einigermaßen normale Verhältnisse wiederkehren werden. Es ist im Gegenteil damit zu rechnen, dass wir uns längere Zeit nach dem Kriege den Luxus von Denkmünzen nicht gestatten werden können".

Abschließend weist das Reichsschatzamt darauf hin, dass die Denkmünzen zur Reformationsfeier von 1817 "nicht als Währungsmünzen" geprägt wurden und keine Zahlungsmittel waren. "Die Reformationsfeier dürfte durch das Fehlen von Denkmünzen keine Beeinträchtigung erleiden". Dass nicht wie ursprünglich geplant Martin Luther, sondern sein Landesherr und Beschützer Kurfürst Friedrich III. von Sachsen, genannt der Weise, auf dem Drei-Mark-Stück erschien, steht auf einem anderen Blatt. Nach dem damaligen Münzgesetz durften nur Fürstlichkeiten beziehungsweise die Wappen der Freien Städte Lübeck, Hamburg und Bremen auf Reichsmünzen erscheinen, nicht aber so genannte Landeskinder, wie Luther nun einmal eines war. 1913 und 1915 hat man von dieser Regel insofern eine Ausnahme gemacht, als man das Leipziger Völkerschlachtdenkmal und die Nachbildung eines mansfeldischen Georgtalers als Motiv für ein Dreimarkstück genehmigte.

Beschämend war es schon, dass sich der Bundesrat zur Reformationsfeier nur zu einer Auflage von hundert Exemplaren aufschwingen konnte. Die Prägung erfolgte in der königlich-sächsischen Münze zu Muldenhütten bei Freiberg mit dem Münzzeichen E in einer, wie es in den Unterlagen des Dresdner Münzkabinetts heißt, "1. Ablieferung". Während man in Muldenhütten Not hatte, das Silber für diese Gedenkmünze zusammenzubekommen, stand es für die Herstellung von über 2,8 Millionen silbernen Halbmarkstücken "in der inneren und äußeren Beschaffenheit" der Ausgabe von 1905, als man von 50 Pfennigen zur ½ Mark übergegangen war, uneingeschränkt zur Verfügung. Unter diesen Umständen erscheint das Votum des Reichsschatzamtes, dem sich dann auch der Bundesrat anschloss, als ziemlich vorgeschoben, weil die Behörde offensichtlich generell von Gedenkmünzen nicht viel hielt, da sie, wie wir heute sagen würden, wirtschaftlich keinen Sinn machen. Die Stellungnahme des Reichsschatzamtes vom 28. Juni 1917 ist im Faksimile abgedruckt in dem Aufsatz von Klaus Hansel "Die Reformationsmünze des Deutschen Reiches im Jahre 1917", Jahrbuch für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte, 55. Jahrgang, CZV-Verlag Berlin 1985, S. 59-89.

13. Juli 2018

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