Schild und Schwert der Partei
Was sich hinter der Angabe "Kreis 10" auf DDR-Medaillen verbirgt





Um Widerstandskämpfer auf Medaillen zu feiern, nutzte das Ministerium für Staatssicherheit die Technik des Berliner VEB Münze der DDR.





Führende Stasi-Offiziere wie Gustav Szinda wurden durch Medaillen geehrt. Sie bilden ein sehr spezielles Sammel- und Forschungsgebiet.



Die Medaille ist als Kreis 10 ausgewiesen und erinnert an den deutschen Arbeiterführer Julius Motteler, der in der Kaiserzeit Verdienste um die deutsche Gewerkschaftsbewegung und im Kampf um die Rechte der Frauenwahlrecht sowie als Nachlassverwalter von Marx und Engels erworben hat.



"Verdiente Mitarbeiter" des MfS wurden mit solchen Medaillen und weiteren Orden ausgezeichnet.





Die Stasi-Wacheinheit Fritz Schmenkel in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) ließ um 1970 diese Medaille prägen. (Fotos: Caspar)

Die Münzen und Medaillen der DDR bilden seit fast 30 Jahren ein abgeschlossenes Sammelgebiet. Viele Dinge sind erforscht, doch gibt es auch noch manche weißen Flecken. Wenn der Kulturbund der DDR, in dem viele Münzfreunde und -sammler organisiert waren, Ausstellungen veranstaltet hat, war oft auch der "Kreis 10" mit von der Partie. Wie erst nach dem Ende der SED-Herrschaft und damit auch dem Ende des allmächtigen, das ganze Land und seine Bewohner beherrschenden Ministeriums für Staatssicherheit zu erfahren war, verbarg sich hinter diesem Decknamen die Kulturabteilung des von Erich Mielke geleiteten Stasi-Kraken. Was der eine oder andere Stasi-Mitarbeiter für Ausstellungen und Publikationen beigetragen hat, kann in Publikationen der Numismatischen Fachgruppen nachgelesen werden. Leute vom "Kreis 10" verhielten sich unauffällig und gaben nicht zu erkennen, dass sie dem MfS als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter dienen. Viele hatten studiert und promoviert. Vielleicht hat man hat ihre Zugehörigkeit zum Mielke-Ministerium geahnt, wie man vieles rund um den DDR-Geheimdienst mehr gespürt als wirklich gewusst hat. Es wäre interessant zu wissen, ob die Mitarbeit von Münzsammlern im Kreis 10 mit irgendwelchen Aufträgen zur Beobachtung der Fachgruppen, aber auch mit Privilegien bei der Vergabe von DDR-Gedenkmünzen verbunden war. Schließlich verstand sich das unter der Parole "Wir sind überall, wir müssen alles wissen" arbeitende Ministerium als "Schild und Schwert der Partei" und hatte in diesem Rahmen auch privat den Befehlen und Direktiven von Mielke & Co. zu folgen. Wie das geschah, würde mich interessieren.

Die numismatischen Hinterlassenschaften des Kreises 10 sind in privaten Sammlungen und Münzkabinetten zu finden, so wie dort auch die vielen Auszeichnungsmedaillen des MfS aufbewahrt werden. An Themen für die zu Auszeichnungs- und Erinnerungszwecke gefertigten Medaillen hat es nicht gemangelt. Da gab es die immer wiederkehrenden Staatsjubiläen in der DDR und die SED-Parteitage, die ideologische Aufrüstung und Überwachung der Bevölkerung sowie die Stärkung der Kampfkraft der Arbeiterklasse. Es gibt ferner Medaillen mit Bildnissen von Karl Marx und Friedrich Engels, die als "Klassiker" der in der DDR herrschenden Ideologie verehrt wurden, sowie von Lenin und Feliks Dzierzynski, des Begründers der sowjetischen Geheim- und Terrororganisation Tscheka, die sich das Ministerium für Staatssicherheit zum Vorbild nahm. Vereinzelt feierten sich Bezirksverwaltungen des Stasi-Ministeriums mit eigenen Medaillen.

Mit mehr oder weniger eindrucksvoll gestalteten Medaillen geehrt wurden überdies verdienstvolle "Kundschafter für den Frieden", wie sich Stasi-Leute selber nannten, sowie antifaschistische Widerstandskämpfer. Da einige Medaillen als Herkunft das Münzzeichen A zeigen, könnte man im Archiv des früheren VEB Münze der DDR beziehungsweise der heutigen Staatlichen Münze Berlin Näheres über Künstler und Auflagen erfahren. Die Medaillen wurden bei feierlichen Anlässen, in Schatullen verpackt, vergeben und kommen ab und zu in den Angeboten des Münzhandels vor, was auch für Stasi- und andere DDR-Orden gilt.

Die hier abgebildete Medaille ohne Jahreszahl ist, abweichend von der Regel, nicht als Kreis 10 gezeichnet und besitzt auch keine Künstlersignatur, gehört aber in diese Gruppe. Mit ihr werden Widerstandskämpfer in der Schulze-Boysen-Harnack-Organisation geehrt, die von den Nationalsozialisten 1942 und 1943 ermordet wurden. Namensgeber der von der Gestapo intern Rote Kapelle genannten Gruppe war Harro Schulze-Boysen, der wegen angeblichen Landes- und Hochverrats mit weiteren Mitstreitern zum Tode verurteilt und im Zuchthaus Plötzensee an Drahtseilen erhängt wurde. Der Oberleutnant der Luftwaffe hatte 1941 den sowjetischen Geheimdienst vor dem bevorstehenden Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion gewarnt, was aber von Josef Stalin, der sich mit Hitler durch den Nichtangriffspakt von 1939 verbunden fühlte, sträflich ignoriert wurde. Das Zitat aus einer Honecker-Rede unterstreicht die Ergebenheit des Ministeriums gegenüber dem ersten Mann in der SED und im Staat.Eine andere Medaille ist auf der Rückseite unter dem Kulturbund-Emblem ganz winzig als Kreis 10 ausgewiesen. Sie erinnert an den deutschen Kommunisten Gustav Szinda, der als Generalmajor im Ministerium für Staatssicherheit Dienst tat und der erste Leiter der Abteilung Gegenspionage im Außenpolitischen Nachrichtendienst der DDR (APN) war, des Vorgängers des MfS. Dieser Medaille kann man weitere hinzufügen, die in ähnlicher Weise führende Geheimdienstler und damit das Mielke-Ministerium feiern.

6. September 2018

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