Münzen aus der Hölle
Das 1942 hergestellte Aluminiumgeld aus dem Ghetto Litzmannstadt erinnert an Verbrechen der Nationalsozialisten



Die im Getto Litzmannstadt/Lodz hergestellten Münzen - hier eine "Quittung über 20 Mark" von 1943 - sind sehr selten und werden auch gefälscht.







Die Geldscheine aus Litzmannstadt und Theresienstadt sehen, für sich genommen harmlos und geschäftsmäßig aus. Hinter ihnen aber stehen Schrecken und die vielen Blutopfer der ganz Europa deportierten Juden sowie Sinti und Roma, die dorthin deportiert auf dem Weg in die Vernichtungslager auf polnischem Boden wurden.



Das Lagergeld aus dem KZ Oranienburg nördlich von Berlin ist wie weitere Hinterlassenschaften dieser Art aus der Zeit des Nationalsozialismus ein wichtiges Sammel- und Forschungsgebiet. (Foto/Repros: Caspar)

In verschiedenen deutschen Konzentrationslagern hat die SS eigenes Lagergeld an die Häftlinge ausgegeben. Ziel war es, die Gefangenen unter dem verlogenen Motto "Arbeit macht frei" zu Höchstleistungen anzuspornen. Sie sollten glauben, sich etwas zu ihrem kargen Essen kaufen zu können, wenn sie sich bei ihrer Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen und ständiger Todesangst besonders anstrengen und alle Torturen wortlos über sich ergehen lassen. Wichtig für die Schergen in der schwarzen Uniform war es auch zu verhindern, dass die Häftlinge, denen man all ihr Geld und Wertgegenstände abgenommen hatte, nach einem Fluchtversuch mit versteckten Restbeträgen irgendwie weiter kommen. Wem Reichsmark von Familienangehörigen ins KZ überwiesen wurde, musste diese Beträge zu einem äußerst ungünstigen Kurs gegen die wertlosen Gutscheine eintauschen. Profiteure waren die SS und einzelne ihrer Angehörigen. Keinesfalls wurden Häftlinge und Zwangsarbeiter für ihre Schinderei angemessen entlohnt, denn Gutscheine oder Kupons, so sie überhaupt welche ausgehändigt bekamen, waren nur wenige Pfennige wert.

Ähnliche Aufgaben wie das KZ-Geld etwa aus Oranienburg, Theresienstadt und Dachau hatte das Ghettogeld von Litzmannstadt, so der von den deutschen Besatzern auf die mittelpolnische Stadt Lodz übertragene Name des Generals und NS-Funktionärs Karl Litzmann. Das Ghetto Litzmannstadt war nach dem Warschauer Ghetto das zweitgrößte seiner Art in dem von der Wehrmacht okkupierten Polen. Wie andere Sperrbezirke war es für Juden sowie Sinti und Roma aus Polen und weiteren Ländern im besetzten Europa Zwischenstation auf ihrem Weg in die Vernichtungslager Kulmhof (Che?mno nad Nerem), Auschwitz II, Majdanek, Treblinka und Sobibor.

Das etwa vier Quadratkilometer große Ghetto Litzmannstadt war mit Mauern und Stacheldraht sowie von schwer bewaffneter SS bewacht. Den dort unter unhaltbaren hygienischen Zuständen zusammengepferchten Menschen war bei Todesstrafe verboten, ohne Erlaubnis das Ghetto zu verlassen. Die Lebensbedingungen im Ghetto Litzmannstadt waren unerträglich. Die Gefangenen waren unterernährt, viele starben an Krankheiten oder Erfrierungen. Zwischen 1940 und 1944 verloren 43.441 Personen innerhalb der engen Grenzen des Ghettos Litzmannstadt auf qualvolle Weise ihr Leben. Unter ihnen waren viele Kinder. Wer arbeitsfähig war, musste Militärkleidung, Stiefel, Waffen und Munition herstellen. Die Profite für den NS-Staat und private Auftrageber aus dieser Arbeit waren enorm. Einige Versandhäuser, die in Litzmannstadt und anderen Ghettos arbeiten ließen, machten nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bundesrepublik Deutschland Karriere und mochten nur ungern an ihre Rolle in der NS-Zeit erinnert werden. Bei Herannahen der Roten Armee wurde das Ghetto Litzmannstadt im Sommer 1944 aufgelöst, wobei viele Insassen von der SS ermordet wurden. Weniger als tausend Gefangene haben die Hölle von Litzmannstadt überlebt. Nach dem Krieg kämpften sie vielfach vergeblich um die Anerkennung ihrer Leiden und um Entschädigungen.

Jüdischen Gefangenen wurde das letzte Geld geraubt

Das so genannte Ghettogeld von Litzmannstadt war kein wirkliches Geld, sondern nur eine "Mark-Quittung", die die eingeschlossenen Juden in Anlehnung an den Namen ihres Ältesten Chaim Rumkowski "Rumkis" nannten. Indem die Besatzer die im Ghetto vermuteten Bestände an Reichsmark, Zloty und anderen Devisen für ungültig erklärten, hofften sie, diese auf Umwegen in ihren Besitz zu bringen. Nachdem der Druck der einfach gestalteten Scheine beendet war, erklärten die Besatzer am 8. Juli 1940 die "üblichen Devisen" im Ghetto für ungültig. Noch im gleichen Monat wurde das Ersatzgeld im Wert von über 7,3 Millionen Reichsmark nach Litzmannstadt geliefert. Getrieben von Hunger und blanker Not, brachten viele Ghettoinsassen Geld, Schmuck, Wertgegenstände, Rohstoffe und Hausrat zu den Schätzstellen des "Ältesten der Juden", die ihnen die wertlosen "Rumkis" aushändigten. Die sich zu Millionenhöhen summierenden Postanweisungen in das Ghetto wurden den Empfängern stets in den wertlosen Mark-Quittungen ausbezahlt. Neben diesen gab es Nahrungsmittelgutscheine, Brotkarten, Talons und anderes Ersatzgeld. Suppenküchen, Ausgabestellen für Brot und andere Einrichtungen im Ghetto waren angewiesen, stark abgenutzte Scheine einzuziehen und durch neue Geldscheine ersetzt. Wie durch Zufall blieben bündelweise stark zerschlissene Geldscheine erhalten, die zur Vernichtung eingezogen worden sind, wie Stempel auf der Rückseite der Banderole "Hauptkasse des Aeltesten der Juden In Litzmannstadt-Getto" erkennen lassen. In verschiedenen Museen sind diese und weitere Hinterlassenschaften ausgestellt.

Zu den Geldscheinen mit dem Ausgabedatum 15. Mai 1940 in Werten von 50 Pfennig, einer Mark und 20 Mark traten 1942 und 1943 Münzen in den Stückelungen zu zehn Pfennigen sowie fünf, zehn und 20 Mark, die heute sehr selten sind, da nur wenige Exemplare die Zeit der Okkupation und die Nachkriegszeit im kommunistisch regierten Polen überstanden haben. Die mit dem Hinweis "Der Aelteste der Juden" über der Wertangabe auf der Vorderseite sowie dem Judenstern auf der Rückseite versehenen Prägungen bestehen aus einer Magnesiumlegierung beziehungsweise aus Aluminium. Da der erste Zehner von 1942 auf der Wertseite dem im Deutschen Reich umlaufenden Groschen ähnelte und die Gefahr der Verwechselung bestand, wurde seine Ausprägung gestoppt und die gesamte Auflage bis auf geringe Reste eingezogen und vernichtet.

Warnung vor Fälschungen

Da alle Ghettomünzen von einfacher Gestaltung sind und von Sammlern und Museen gesucht werden, hat man sie immer wieder gefälscht, weshalb beim Erwerb eine genaue Prüfung empfohlen wird. Bei genauer Untersuchung konnten bei den Münzen des Ghettos Litzmannstadt mindestens 17 verschiedene Typen anhand der Stempelkopplungen und weiteren Merkmalen ausgemacht werden. Offenbar mussten die Stempel immer wieder erneuert werden, was deren geringe Standfestigkeit unterstreicht. In der Münzliteratur ist von Auflagen zwischen 100 000 und einer Million Stück je nach Nominal die Rede, bei der Quittung zu 20 Mark werden allerdings nur 600 Exemplare angegeben. Die hohen Zahlen führten dazu, dass abgenutzte Stempel mehrfach erneuert werden mussten. Es könnte aber auch sein, dass bei der absichtlich herbeigeführten Schadhaftigkeit der Stempel Sabotage mit im Spiel war. Genaueres könnten Nachforschungen, wenn überhaupt, in einschlägigen Archiven ergeben. Unmittelbar an den Prägungen und Drucken beteiligte Personen können ja nicht mehr befragt werden.

9. Oktober 2018

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