Ehrung für "Türkenlouis"
Warum 1955 die dritte bundesdeutsche Gedenkmünze einen badischen Markgrafen ehrte



In einer Gesamtauflage von 200 00 Stück geprägt, wird die Silbermünze von 1955 zu Ehren Ludwig Wilhelms von Baden regelmäßig im Handel angeboten.



Anders ist es mit der Probe, die nur eine winzige Auflage erlebte und daher extrem teuer ist.



Es dauerte jeweils ein halbes Jahrhundert, bis der gescheiterte Anschlag auf Hitler am 20. Juli 1944 sowie der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR durch Gedenkmünzen gewürdigt wurden. (Fotos: Caspar)

Beim Anblick der 1952 aufgelegten Gedenkmünzenserie der Bundesrepublik Deutschland wird man gelegentlich verwundert den Kopf schütteln. Es gibt Themen, bei denen man fragen möchte, warum die mit Münzfragen befassten Gremien sie genehmigt haben, und es gibt andere Anlässe, die keine oder eine späte Berücksichtigung fanden. Der Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR fand, um ein Beispiel zu nennen, erst 2003, nach 50 Jahren, seine numismatische Ehrung durch ein 10-Euro-Stück. Ähnlich war es auch mit der Erinnerung an den missglückten Anschlag vom 20. Juli 1944, der 50 Jahre später durch eine Silbermünze zu 10 DM gewürdigt wurde.

Die dritte Fünf-Mark-Münze der Bundesrepublik Deutschland aus Silber wurde 1955 nicht etwa zum zehnten Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs und damit auf die Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus geprägt, sondern zur Erinnerung an einen wohl nur noch Spezialisten für die Barockzeit und Militärhistorikern bekannten deutschen Fürsten. Die damals von "badischen Kreisen" angeregte und in Karlsruhe mit dem Kennbuchstaben G geprägte Silbermünze anlässlich des 350. Geburtstages des Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden ehrt einen in Diensten des römisch-deutschen Kaisers Leopold I. stehenden Feldherrn, der im späten 17. Jahrhundert gegen die bedrohlich auf das römisch-deutsche Reich vorrückenden Osmanen kämpfte. Ludwig Wilhelm war darüber hinaus an der Abwehr französischer Invasoren beteiligt, die vom "Sonnenkönig" Ludwig XIV. ausgeschickt wurden, um mit Feuer und Schwert deutsche Gebiete zu unterwerfen und dem eigenen Reich einzuverleiben.

Da der Markgraf auch Bauherr des Schlosses zu Rastatt war, nimmt es nicht Wunder, dass der Bundesadler auf der Rückseite der Gedenkmünze die Ansicht dieses Schlosses bedeckt. Es war 1714 Schauplatz eines Friedensschlusses, mit dem der seit 14 Jahren tobende Spanische Erbfolgekrieg beendet wurde. Triumphale Siege brachten Ludwig Wilhelm, einem Vetter des kaiserlichen Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen, nicht nur den Ehrentitel "Türkenlouis" ein, sondern auch reiche Kriegsbeute an Kunstwerken und militärischen Ausrüstungsgegenständen, die heute im Badischen Landesmuseum Karlsruhe gezeigt werden. Der Markgraf von Baden, der im Spanischen Erbfolgekrieg an der Seite des Prinzen Eugen und des englischen Feldherrn Marlborough gegen die Franzosen kämpfte, starb 1707 im Schloss Rastatt an den Spätfolgen einer Kriegsverwundung.

Dass 1955 ein kaiserlicher Feldmarschall aus der Barockzeit als Kämpfer gegen die Türken und die Franzosen durch eine bundesdeutsche Gedenkmünze geehrt wurde, war ein Politikum. Anlässlich einer Ausstellung den Badischen Landesmuseums im Schloss zu Rastatt nannte es der bekannte Museumsdirektor und Münzforscher Friedrich Wielandt eine deutsche Ehrenpflicht, sich des Markgrafen zu erinnern. Seiner Feldherrnkunst sei es zu danken, "dass in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die Türkengefahr gebannt und die abendländische Kultur vor dem Untergang bewahrt werden konnte. Da sich Europa heute wiederum aus dem Osten bedroht sieht, scheint uns Anlass gegeben zu sein, in breiten Schichten der Bevölkerung die Erinnerung an jene Zeiten zu wecken, in denen es vereinten Kräften gelungen ist, eine tödliche Gefahr durch mutiges und entschlossenes Handeln zu bannen". Neben dem Prinzen Eugen von Savoyen gehöre Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden als kaiserlicher Befehlshaber der Weltgeschichte an, außerdem habe er das Reich gegen Frankreich verteidigt.

Ohne Zweifel war die silberne Gedenkmünze von 1955 Ausdruck erwachenden Selbstbewusstseins der jungen Bundesrepublik Deutschland, die sich gerade unter Kanzler Konrad Adenauer eine eigene Armee, die Bundeswehr, zulegte, ein Wirtschaftswunder ohnegleichen erlebte und daher im westlichen Europa eine bedeutende Rolle zu spielen begann. Erwähnt sei, dass es neben der von Karl Föll gestalteten Münze noch Probeabschläge gibt, die sich von der regulären angebotenen Ausgabe unterscheiden. Da Münze mit dem Türkenlouis genannten Markgrafen in einer Auflage von 1980 000 Stück in Stempelglanz und 2000 in Polierter Platte geprägt wurde, ist sie auch regelmäßig in den Angeboten des Münzhandels präsent.

14. März 2018

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