"Alte Münze neu geprägt"
Ehemalige Geldfabrik am Berliner Molkenmarkt wird Kulturzentrum / Ausstellung würdigt Geschichte eines besonderen Ortes



Das Luftbild zeigt die schweren Kriegszerstörungen auf dem Gelände der Münzanstalt am Molkenmarkt, im Vordergrund ist am spitzen Dach das Palais Schwerin zu erkennen, gegenüber ist das Stahlskelett einer nicht vollendeten Fabrikhalle zu erkennen.







Dem nach dem Auszug der Staatlichen Münze 2006 weitgehend leer stehenden Gebäudekomplex am Molkenmarkt ist ein Neuanfang als Kulturstandort nur zu wünschen. Blick von außen und in den Fabrikhof, der von der Straße Krögel betreten werden kann, sowie ins Treppenhaus. Die Herrichtung der Gebäude für Zwecke von Kunst und Kultur übernimmt die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM). In leer stehende Gebäudeteile zogen Künstler und Kreativunternehmen als Zwischennutzer ein und machten die Räume schrittweise für Konzerte und Ausstellungen zugänglich. Vor kurzem wurde ein Café eingerichtet, und wer möchte, kann in einem Tanzstudio Swing lernen.



Der Historiker Eberhard Elfert kennt sich in der Alten Münze bestens aus, veranstaltet Führungen und zeichnet auch für die neue Ausstellung verantwortlich.



Die Medaillen zeigen Kopfbau der ehemaligen Berliner Münze, der früher Direktionsgebäude war, links Kniehebelpressen, die noch nach dem Zweiten Weltkrieg im Einsatz waren, rechts weitere Prägegeräte.



Das Produktionsprogramm des VEB Münze der DDR war breit, hier eine Auswahl von Geldstücken, die in jedem Portemonnaie zu finden waren.



Der Kulturbund der DDR hat Berliner Münzgebäude auf verschiedenen Ausstellungsmedaillen gemeinsam mit dort eingesetzten Geräten abgebildet. Einige sind im Betriebsmuseum der Staatlichen Münze Berlin an der Ollenhauerstraße 97 im Bezirk Reinickendorf zu sehen. (Fotos/Repros: Caspar

Der Berliner Senat will die frühere Geldfabrik am Molkenmarkt, bekannt auch als Alte Münze, als Kultur- und Kreativzentrum sichern, sanieren und entwickeln. Dazu gibt es einen Beschluss des Abgeordnetenhauses, und es stehen 35 Millionen Euro für den Um- und Ausbau zur Verfügung. Am 19. November 2018 wurde auf zwei Etagen der während der NS-Zeit nach Plänen der Architekten Fritz Keibel und Arthur Reck erbauten Prägeanstalt eine Ausstellung eröffnet, die öffentlich zugänglich ist sowie vor oder nach einer Führung durch den weiträumigen Komplex betrachtet werden kann. Die Dokumentation berichtet, dass ab 1935 auf dem Gelände des urtümlich anmutenden Krögel gegenüber dem Neuen Stadthaus eine traditionell mit dem Buchstaben A zeichnende Reichsmünze errichtet wurde. Geplant war, dass die Preußische Staatsmünze genannte Geldfabrik die übrigen deutschen Prägeanstalten in München (D), Muldenhütten (E), Stuttgart (F), Karlsruhe (G) und Hamburg (J) ablöst. Allerdings nahm die Reichsregierung 1942 wegen des Kriegsverlaufs von dem Vorhaben Abstand. Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Münze barg in ihren Tiefkellern zahlreiche Kunstwerke der Staatlichen Museen. Da die Betondecken den Bomben nicht stand hielten, wurden viele wertvolle Objekte ein Raub der Flammen.

Die von Eberhard Elfert und Katharina Wolf unter Verwendung zahlreicher historischer Fotos und Baupläne gestaltete Ausstellung "Alte Münze neu geprägt" bietet eine Fülle von Informationen über den Bau und das Schicksal der Alten Münze vor und nach 1945. Ziel ist es, Interesse und Verständnis für ein wenig beachtetes Areal in zentraler Lage zu wecken. Die Texte und Bilder sollen allen Interessierten ermöglichen, die wechselvolle Entwicklung des Standortes zu verfolgen und sich an seinem Ausbau als Kulturstandort mit Ideen zu beteiligen. Alte Fotos zeigen, wie die Arbeitsbedingungen im damaligen VEB Münze der DDR ausgesehen haben, und dass außer Hartgeld und Orden im Rahmen der damals von der SED und Regierung verlangten so genannten Konsumgüterproduktion Schuhabsätze aus Metall und Souvenirmedaillen produziert wurden.

Eine Gegend mit üblem Ruf

Die Straße Krögel erinnert entfernt an die Geschichte des Areals, zu dem auch das Palais Schwerin gehört. Nach dem preußischen Minister Otto Graf von Schwerin benannt, war das Haus zeitweilig Sitz der Preußischen Tabak-General-Administration und besaß als Kriminalgericht, Polizeidirektion und Gefängnis einen üblen Ruf. Da sich in der Nachbarschaft die berüchtigte Stadtvogtei befand, war "Schwerin" ein Synonym für Knast schlechthin. Allein im Jahr 1875 sollen hier über 23 000 Menschen inhaftiert gewesen sein. Nach dem Bau des Polizeipräsidiums am Alexanderplatz war das Palais Schwerin weiterhin der Justizverwaltung unterstellt. In den 1920er Jahren gab es in dem Barockbau ein Möbelhaus, wovon ein Foto in der Ausstellung berichtet.

Im Zusammenhang mit dem Bau der Reichsmünze wurde das Palais Schwerin 1937/38 unter Beibehaltung der barocken Fassade umgestaltet und durch zwei Seitenflügel erweitert, aber nicht, wie vielfach behauptet, nach rückwärts versetzt. In DDR-Zeiten teilten sich das Kulturministerium und der VEB Münze der DDR den weiträumigen Komplex am Molkenmarkt und Rolandufer. Nach der Wiedervereinigung 1990 prägte die Staatliche Münze Berlin in der Nachfolge des VEB Münze der DDR als nunmehr fünfte bundesdeutsche Geldfabrik gesamtdeutsch, wobei die Hamburger Münze die Umstellung auf andere Nominale unterstützte. Die Berliner Münze steuert 20 Prozent aller deutschen Kurs- und Gedenkmünzen bei und stellt darüber hinaus zahlreiche Medaillen her, nicht aber Orden wie zu DDR-Zeiten.

Neu definierte Liegenschaftspolitik

Das am Molkenmarkt befindliche Ministerium für Kultur war der verlängerte Arm der SED-Führung, die sehr auf die Beachtung ihrer Vorgaben auf dem Gebiet von Kunst und Kultur bedacht war und alles unterdrückte, was ihr politisch und ideologisch nicht in den Kram passte. Am Molkenmarkt wurde unter anderem entschieden, ob Bücher gedruckt, Filme gedreht oder Bilder gemalt werden dürfen oder nicht. In dem Gebäudekomplex war auch der mit der Herstellung von Werbematerialien und Postkarten befasste Planet Verlag untergebracht, an den die Ausstellung erinnert.

Seit der Verlegung der Geld- und Medaillenproduktion 2006 in den Norden der Stadt wird über die Zukunft der Alten Münze debattiert. Ein fest geplanter Verkauf scheiterte, weil der Investor das Geld nicht aufbringen konnte. Ein weiterer Versuch wurde vom Finanzsenator gestoppt. Das war eine gute Entscheidung, denn inzwischen will Berlin im Rahmen einer neu definierten Liegenschaftspolitik sein bauliches Tafelsilber nicht mehr veräußern, sondern selber nutzen. Indem Eberhard Elfert und sein Team das Gebäude aus dem Dornröschenschlaf holt, will er es nicht bei Fakten und Daten belassen. In der Ausstellung kommen auch jene Menschen zu Wort, die in dem Komplex in Sichtweite des Roten Rathauses und Neuen Stadthauses gearbeitet oder an ihn Erinnerungen haben. Gedacht wird an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für Kultur, an den Heizer, der in den weiträumigen Kellern Kohlen in Handkarren zur Heizanlage schob, oder an jene Menschen, die in den Räumen am Rolandufer Silberlöffel, Familienschmuck und alte Münzen abgaben, um so das in der DDR rare Zahngold zu bekommen. Wer sich an das Ausstellungsteam wenden möchte, kann eine E-Mail an info@elfkonzept.de unter dem Stichwort "Alte Münze" senden. Weitere Informationen und Terminabsprachen im Internet unter www.alte-muenze-neu-gepraegt.de und www.berlin.de/alte-muenze.de.

Was zu diesem wichtigen Bau passt

Bei der Eröffnung der Ausstellung betonte Kultursenator Klaus Lederer den Willen des Landes Berlin, den nach dem Auszug der Staatlichen Münze an einen neuen und besseren Standort an der Ollenhauerstraße 97 im Bezirk Reinickendorf leer stehenden Gebäudekomplex in eine Heimstatt von bildenden Künstlern, Musikern, Theaterleuten und anderen Kulturschaffenden zu verwandeln. Die bereit gestellten 35 Millionen werden angesichts des teilweise desolaten Gebäudezustands nicht ausreichen, weshalb weitere Mittel nötig sein werden. Durch Vermietung von Räumlichkeiten sollen einige Investitionen wieder zurückfließen. "Wir müssen uns stets überlegen, wer zu diesem wichtigen Bau passt. So können Maler nicht in den Kellerräumen untergebracht werden, sie brauchen Tageslicht, Musiker sind dort besser untergebracht. Wie der Nutzermix aussehen soll und saniert werden muss, wird in den kommenden Monaten Gegenstand von Diskussionen auch unter Einbeziehung der breiten, an der Wiederbelebung der Alten Münze interessierten Öffentlichkeit sein", sagte Lederer.

Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und dem Wiederaufbau stellte der VEB Münze der DDR in dem Trakt am Rolandufer das Hartgeld der DDR her, während in dem Verwaltungsgebäude am Molkenmarkt mit dem eindrucksvollen Münzfries über dem Portal das Ministerium für Kultur der DDR untergebracht war. Bedingt durch die frühere Verwendung in DDR-Zeiten gehört dieser Gebäudetrakt heute dem Bund. Hingegen befinden sich das lang gestreckte Werkstattgebäude am Rolandufer, das sich daran anschließende Direktorenhaus sowie das im Hof befindliche Fabrikgebäude im Besitz des Landes Berlin.

Siehe auch Ankündigung auf dieser Internetseite/Bereich Berlin vom 4. Oktober 2018 )

20. November 2018

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