"Dem Sieger gehört die Kunst"
Medaillen machten Propaganda für Napoleon I., der 1806 neben vielen Kunstwerken auch Schadows Quadriga entführen ließ



Der Kaiser wird auf der Medaille von 1804 als ein Mann gefeiert, der von seinem Volk auf den Schild gehoben und von Gott gesegnet wurde.



Der Einzug der Franzosen mit Napoleon I. an der Spitze durch das Brandenburger Tor in Berlin war 1806 die Prägung dieser bei Berlin-Sammlern begehrten Medaille wert.



Napoleon I. und Karl der Große sowie der mythische Sachsenkönig Widukind und König Friedrich August I. von Sachsen auf einer Medaille von 1806 anlässlich der französisch-sächsischem Allianz,



Auf dem Höhepunkt seiner Macht wurden dem Empereur prächtige Medaillen gewidmet, oben die Verteilung von Ländern und Würden an ihm ergebene Personen.



Die Medaille von 1812 symbolisiert den Rückzug der Grande Armée aus dem eisigen Russland als Folge von schrecklichem Unwetter und dem Wüten des Windgottes Zephyr.



Das traurige Schicksal der Soldaten, die im russischen Winter 1812/13 unter schrecklichen Bedingungen verreckten, wurde auf keiner Medaille vermerkt. Die farbige Grafik von Johann Gottfried Schadow schildert die Tragödie, der unzählige Menschen zum Opfer fielen.



Die Heimkehr des 1821 im erzwungenen Exil auf der Insel Sankt Helena verstorbenen Kaisers von Frankreich und Königs von Italien wurde durch diese Medaille gewürdigt. (Repros: Caspar)

Als sich der Erste Konsul Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1804 in der Pariser Kirche Notre Dame feierlich zum Kaiser der Franzosen krönte, muss das für den neuen starken Mann Europas ein unbeschreibliches Gefühl gewesen sein. Aus dem Nichts war der 1769 auf der Insel Korsika geborene ehemalige General der französischen Revolutionsarmee in schwindelnde Höhe aufgestiegen. Die Nation lag ihm zu Füßen, während der Krönungsakt im Beisein des Papstes Pius VII. und alles, was danach kam, vom übrigen Europa mit unguten Ahnungen beobachtet wurde. Die alteingesessenen Dynastien blickten verächtlich auf den "Korsen" herab. Doch als der Emporkömmling sein Schwert quer über Europa legte, drängte es manche gekrönte Häupter, mit ihm in freundschaftliche, gar verwandtschaftliche Beziehungen zu treten. Man versprach sich davon Vorteile und wusste sich unter dem Protektorat des anscheinend unbesiegbaren Kaisers sicher. Süddeutsche Fürsten traten 1806 dem von Napoleon I. protegierten Rheinbund bei und versetzten damit dem morschen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation den Todesstoß. Dessen Oberhaupt Kaiser Franz II. legte kurz darauf die Reichskrone nieder und nannte sich von nun an Franz I. Kaiser von Österreich.

Nur zehn Jahre nach der spektakulären Selbstkrönung zum Kaiser war der Aufsteiger am Ende. Er musste, nach den verheerenden Niederlagen in der Völkerschlacht bei Leipzig auf die Mittelmeerinsel Elba verbannt und bald darauf nach Frankreich zurück gekehrt, und dann noch einmal nach der Schlacht von Waterloo abdanken und wurde 1815 endgültig auf die ferne Insel Sankt Helena deportiert, wo er 1821 mit nur 52 Jahren starb. Niemand hat gezählt, wie viele Millionen Tote und Verwundete den Weg des von Sieg zu Sieg eilenden, gegen Ende seiner Herrschaft aber von Niederlagen und Rückzügen geplagten Feldherrn säumten, und trotzdem gilt er vor allem in Frankreich als Held. 1840, nur 19 Jahre nach seinem Tod auf der fernen Insel Sankt Helena, wurde dem ehemaligen Kaiser im Pariser Invalidendom eine prächtige Grabstätte bereitet, die seither zum Ziel unzähliger Verehrer und Touristen ist.

Wie kein anderer Monarch seiner Zeit spielte das "korsische Ungeheuer", wie Napoleon von seinen Feinden genannt wurde, die Klaviatur der Propaganda. Zu seinem Ruhm als Kaiser, Heerführer und Politiker, Bauherr, Mäzen, zärtlicher Liebhaber und treusorgender Familienvater trugen nicht nur zahllose gedruckte und gemalte Legenden bei, die ihn unerschrockenen in der Pose eines militärischen Alleskönners und weisen Staatenlenkers verherrlichten. Auch auf Medaillen wusste sich Napoleon Bonaparte blendend darzustellen, und die Anziehungskraft dieser Prägungen hat bis heute nichts eingebüßt. Frankreichs erster Mann wurde schon vor seiner Kaiserkrönung auf Münzen und Medaillen verewigt. Nahezu jedes Ereignis von einiger Bedeutung war die Prägung von Medaillen wert. Auf ihnen ist er mit seinem klassizistisch-makellosen Profil wie ein überirdischer, nie alternder Halbgott aufgefasst. Der Lorbeerkranz im Haar erinnert an Darstellungen der römischen Kaiserzeit. Einige Motive sind direkt antiken Skulpturen, darunter auch solchen, die französische Truppen aus besetzten Ländern als "Beutekunst" entführt hatten, sowie römischen Münzen nachempfunden und signalisieren damit historische Kontinuität und Traditionslinien in weit entfernte Zeiten.

Histoire métallique wie beim Sonnenkönig

Der General, Erste Konsul und Kaiser war wie schon einer seiner Vorgänger auf dem französischen Thron, Sonnenkönig Ludwig XIV., von Medaillen fasziniert. Er kannte ihre Wirkung und förderte nach Kräften die Histoire métallique, also die auf geprägtem Metall dargestellte Geschichte, für die er die besten Künstler des Landes arbeiten ließ. Als Frankreich noch eine Republik war, nahm Napoleon Bonaparte auf Medaillenbilder und Inschriften Einfluss und verwarf Vorlagen, die nicht seinen Vorstellungen entsprachen. Als er und seine Gemahlin Josephine sich im Dezember 1804 krönten, ließ er große und kleine Medaillen aus Edelmetall und Bronze anfertigen und sie an Teilnehmer der Zeremonie, aber auch an das wartende Volk verteilen. "Sein Platz ist für immer an oberster Stelle" lautet die Inschrift auf einer solchen Medaille mit dem Doppelbildnis des Kaiserpaars und einem Adler, der auf einem Felsen sein Nest beschützt. Eine andere Medaille zeigt, wie der als römischer Imperator kostümierte Monarch von einem Vertreter des Senats und einem Mann aus dem Volk wie ein römischer Imperator auf den Schild gehoben wird. Die Medaille muss dem Kaiser so gut gefallen haben, dass er mehrfach Nachprägungen veranlasste.

Dem Kaiser stand als Ratgeber in Kunst- und Medaillenfragen Baron Dominique-Vivant Denon zur Seite, ein Mann, der sich unrühmlich einen Namen als Organisator großangelegter Kunstraubzüge in den von den Franzosen besetzten Ländern machte. Der ehemalige königliche Kammerherr, Diplomat, Archäologe, Museumsdirektor und Schriftsteller war davon überzeugt, dass Medaillen "die einzigen Zeugnisse des Ruhms (sind), die alle Jahrhunderte überdauern". Die auf Medaillen angebrachte Signatur DENON DIR. (Denon direxit) unterstreicht, dass er der führende Kopf und Inspirator der Medaillensuite war, während die ausführenden Stempelschneider wie Bertrand Andrieu, Henri François Brandt, Nicolas Brenet, Jean Pierre Droz, André Galle, Raymons Gayrard, Louis Jaley, Vincent Jeuffroy und viele andere mit ihrem Namen und dem Zusatz F. (fecit, hat gemacht) als ausführende Künstler ausgewiesen sind. Sie erhielten pro Stempel mehrere tausend Francs Lohn, während die Zeichner der Entwürfe nur mit weniger als hundert Francs abgespeist wurden.

Ich kam, ich sah, ich siegte

Als Propaganda-Erzeugnisse nahmen es die napoleonischen Medaillen mit der Wahrheit nicht genau, was man natürlich auch an vielen anderen numismatischen Hinterlassenschaften vor und nach Napoleon Bonaparte beobachten kann. Brutale Völkerrechtsverletzungen wurden als Befreiungstaten, das Diktat schmachvoller und bedrückender Friedensverträge als Gnadenerweis, die Absetzung alteingesessener Dynastien und die Thronbesteigung von Mitgliedern des Bonaparte-Clans als Sieg der Vernunft verherrlicht. Da Napoleon den Standpunkt "Dem Sieger gehört die Kunst" vertrat, ließ er auf Medaillen die Aufstellung der aus Italien entführten antiken Kunstwerke in eigens eingerichteten Ausstellungssälen im Louvre als große Kulturleistung und Rettungstat feiern.

Viele Medaillen illustrieren Cäsars Ausspruch "Ich kam, ich sah, ich siegte", wenn auf ihnen Napoleon hoch zu Ross über den um Gnade winselnden Feind hinweg reitet, wenn er auf einem Adler sitzend herbei fliegt und seine Gegner in Angst und Schrecken versetzt und oder wenn er in gnädiger Pose deren Unterwerfung entgegennimmt. Volkserhebungen gegen das napoleonische Regime waren selbstverständlich keine Medaille wert, ebenso wenig die Ermordung von politischen Gegnern oder Zerwürfnisse innerhalb der Eliten sowie Differenzen zwischen Vertragspartnern. Der Kaiser verglich sich mit Karl dem Großen und ließ sich auf einer Medaille gemeinsam mit dem Schöpfer des karolingischen Reiches darstellen. Wenn es Niederlagen gab, und die musste Napoleon I. natürlich auch einstecken, je länger er an der Macht war, waren sie kein Thema. Kleine Siege hingegen wurden durch Medaillen propagandistisch aufgewertet. Der spektakuläre Rückzug der nach dem Brand von Moskau 1812 von ihrem Kaiser im Stich gelassenen Grande Armée aus dem eisigen Russland wurde nicht beherrschbaren Naturgewalten wie Kälte, Morast und Sturm angelastet.

12. Juni 2018

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