Schnapsidee zum 10. Jahrestag der DDR
Sonderbare Entwürfe für Pieck-Taler von 1959 und weitere Projekte im Archiv der KfW-Bankengruppe Berlin



Zeichnungen im Archiv der KfW-Bankengruppe belegen, dass es 1959 zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR die Idee gab, eine solche Pieck-Taler genannte Jubiläumsmünze herauszugeben.



Als Stalin noch en vogue war, und das war er in der DDR bis 1961, hat man solche Abzeichen mit seinem Kopf und dem von Wilhelm Pieck geschmückt. Wer wen dominierte, ist auf dem Abzeichen von 1950 gut zu erkennen.



Auf der Strecke blieb auch der Entwurf für eine Sondermünze zum 40. Jahrestag der Gründung der SED im April 1986.



Die Medaille des VEB Mansfeld Kombinats "Wilhelm Pieck" in Eisleben kombiniert das Porträt des DDR-Präsidenten mit der Nachbildung eines Mansfelder Segenstalers. Das Stück ist ein Beleg für den Personenkult rund um den nur als "Bauch" oder "Kaiser Wilhelm" veräppelten SED-Funktionär.



In den Jahren 1972 und 1973 kamen DDR-Präsident Wilhelm Pieck und Ministerpräsident Otto Grotewohl, auf 20-Mark-Münzen zu numismatischen Ehren. (Repros/Fotos: Caspar)

Als die DDR am 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik Deutschland beitrat, begann in der deutschen Münz- und Geldgeschichte eine neue Ära. Geldscheine und Münzen des zweiten deutschen Staates hatten mit der Währungsumstellung vom 1. Juli 1990 ausgedient und waren nur noch für Sammler und als historische Dokumente interessant. Die Staatsbank der DDR hieß jetzt Staatsbank Berlin und wurde 1994 in die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) integriert. Dabei kamen die nicht unerheblichen Bestände an deutschen und ausländischen Banknoten sowie Münzen, die die DDR-Staatsbank zu Studienzwecken zusammengetragen hatte, in das heutige Konzernarchiv der KfW Bankengruppe. Bei einem Besuch in deren Sitz an der Charlottenstraße 33/33a nahe dem Gendarmenmarkt war Gelegenheit, einen Blick auf die Münzschätze zu werfen und dabei auch zahlreiche nicht realisierte Entwürfe für Gedenkmünzen der DDR zu betrachten.

Zu ihnen gehört der so genannte Pieck-Taler, benannt nach Wilhelm Pieck, dem ersten und einzigen Präsidenten der DDR. Von dieser mit dem Kopf des langjährigen Vorsitzenden der KPD beziehungsweise nach dem Zusammenschluss von Kommunisten und Sozialdemokraten der SED geschmückten Münze mit der anachronistischen Bezeichnung "Taler" gibt es sehr zum Leidwesen von Kuriositätensammlern kein Abschlag aus Metall, sondern nur gezeichnete Entwürfe. Sie sagen, dass es 1959 zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR den Plan gegeben hat, eine solche diesem Jubiläum gewidmete Münze zu prägen. Das war sieben Jahre bevor die ersten, dem Philosophen und Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz und dem Architekten Karl Friedrich Wilhelm Schinkel gewidmeten Gedenkmünzen aus Silber erschienen. Mit ihnen wurde die bis zum Ende der DDR 1990 erfolgreiche Serie von Sondermünzen eröffnet. Die normalen Stücke und die Sonderprägungen und numismatischen Kuriositäten sind in den Angeboten des Münzhandels regelmäßig vertreten, wobei zu sagen ist, dass die nach 1990 verlangten Preise heute nicht mehr erreicht werden.

Plane mit, arbeite mit, regiere mit

Man kann nun darüber spekulieren, wie es zu dem Entwurf für den Pieck-Taler kam und warum er nicht im VEB Münze der DDR realisiert wurde. Der am 7. Oktober 1959 mit großem Brimborium gefeierte 10. Jahrestag der DDR stand noch ganz im Zeichen des Stalinismus, obwohl dieser offiziell von der SED-Führung unter Ulbricht, Pieck und Grotewohl niemals zugegeben wurde. Zwar hatte der damalige Parteichef Nikita Chruschtschow bereits 1956 auf dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion den 1953 verstorbenen Josef Stalin mehr oder weniger deutlich als Diktator und Massenmörder entlarvt und den Personenkult um ihn verdammt. Doch in der DDR wurde diese Botschaft offiziell nicht zur Kenntnis genommen. Nur so ist es zu verstehen, dass jemand auf die "Schnapsidee" kam, den sich volkstümlich gebenden, in Wahrheit aber knallhart agierenden Pieck wie einen regierenden Monarchen auf ein Geldstück zu setzen und dieses zu allem Unglück auch noch Taler zu nennen.

Wie weitere Entwürfe im Archiv der KfW Bankengruppe zeigen, sollte diese Münze den Wert von drei Mark wie in der Kaiserzeit haben. Gedacht war an Varianten mit der Um- beziehungsweise Randschrift PLANE MIT ARBEITE MIT REGIERE MIT sowie solche mit kleinen Lorbeerzweigen, aber ohne Staatswappen. Der Slogan wurde, dies sei nebenbei bemerkt, im Volksmund zu dem Spott "Plane mit - Arbeite mit - Resigniere mit" umgedeutet, weil im zweiten deutschen Staat de facto nicht das Volk an der Regierung mitwirkte, sondern nur eine kleine Clique von Staats- und Parteifunktionären.

Tod im Schmelztiegel

Der Pieck-Taler ist nicht der einzige Entwurf, der auf der Strecke blieb. In den KfW-Unterlagen findet sich ein Entwurf von Heinz Rodewald von 1986 zum 40. Jahrestag der Gründung der SED mit den Köpfen von Wilhelm Pieck und Otto Grotewohl, die im April 1946 die von der sowjetischen Besatzungsmacht initiierte und überwachte Vereinigung von KPD und SPD vollzogen haben. Immer, wenn in der DDR an diesen Akt erinnert wurde, hat man den Zusammenschluss als freiwillig und historisch gerechtfertigt gefeiert und dabei verschwiegen, dass es erhebliche Widerstände gab. Viele Leute wollten sich nicht "vereinigen" lassen und kehrten angewidert der Sowjetische Besatzungszone beziehungsweise ab 7. Oktober 1949 der DDR den Rücken. Wilhelm Pieck und Ministerpräsident Otto Grotewohl gelangten 1972 und 1973 zu numismatischen Ehren. Pieck kam auf 20-Mark-Stücke, von denen über 7,6 Millionen Stück in der Berliner Münze, kenntlich am Buchstaben A, hergestellt wurden. Grotewohl brachte es auf mehr als 2,7 Millionen Stück. Nach dem Ende der DDR wurde bekannt, dass von der Pieck-Auflage 5,2 Millionen und im Fall von Grotewohl mehr als eine Million Stück wieder eingeschmolzen wurden, wohl weil man das Material für andere Zwecke benötigte.

Nachgewiesen ist eine solche Aktion in der Zeit vom 15. bis 17. Juli 1980, aber auch danach muss es weitere Vernichtungen von geprägtem Geld gegeben haben. Es ging um 13,790 Tonnen ausrangierter Münzen, die in 2808 verplombten Beuteln Stück angeliefert wurden. Die ganze dem VEB Walzwerk Hettstedt übergebene Schmelzgutmasse repräsentierte einen Wert von 12 240 000 Mark. Die Vernichtung der Münzen in drei großen Schmelztiegeln erfolgte in Anwesenheit von Mitarbeitern der DDR-Staatsbank, die wohl aber nicht die ganze Zeit den Vorgang beobachteten, weil sie Mahlzeiten einnahmen oder die Toilette aufsuchen mussten. Insgesamt wurden in jenen drei Julitagen 1980 folgende Münzen eingeschmolzen: 20 Mark gemischte Motive 69 500 Stück in 278 Beuteln, 20 Mark Wilhelm Pieck 362 500 Stück in 562 Beuteln, 20 Mark Ernst Thälmann 90 000 Stück in 360 Beuteln und 10 Mark Buchenwalddenkmal 180 000 Stück in 720 Beuteln.

Gelegenheit macht Diebe

Nach dem geflügelten Wort "Gelegenheit macht Diebe" nutzten einige Metallarbeiter unbewachte Augenblicke, um sich eine größere Zahl der zum Tod im Tiegel bestimmten Münzen anzueignen. Wie aus einem Schreiben der Hauptabteilung Kriminalpolizei des Ministeriums des Inneren an den Präsidenten der Staatsbank der DDR vom 12. August 1980 hervor geht, kam es zur "Entwendung von Zahlungsmitteln der DDR im Rahmen der Vernichtung", weshalb um Vorkehrungen gebeten wird, um diese künftig auszuschließen. Anscheinend hatten sich die in die Tiegel geworfenen Münzen nicht sofort verflüssigt, sondern waren eine Zeitlang dort liegen geblieben, so dass Arbeiter sie in unbeobachteten Augenblicken wieder herausfischen konnten. Sie hatten ja feuerfeste Handschuhe und benutzten lange Gießlöffel, um sich zu bedienen.

In einem Vermerk der Staatsbank zu den Vorfällen in Hettstedt wird betont, dass die Bank an der Aufklärung außerordentlich interessiert sei. Doch gab es über die Details unterschiedliche Auffassungen, vor allem, weil die Abwesenheit von Mitarbeitern der Staatsbank dem Diebstahl wohl Vorschub leistete. Es sei vorgekommen, dass "Münzen ohne jede Beschädigung durch Hitzeeinwirkung in Verkaufsstellen des Handels bzw. Gaststätten in Umlauf gebracht" wurden. Daraufhin wurden gegen 13 Beschuldigte Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls von Zahlungsmitteln der DDR eingeleitet und gegen einen Gießer Haftbefehl erlassen. "Nach bisherigen Feststellungen sind Münzen im Wert von ca. 15 TM (15 000 Mark) entwendet worden. Münzen im Wert von 6.230 Mark konnten beschlagnahmt werden".

Was aus den Münzdieben von Hettstedt wurde, müsste noch geklärt werden, und auch das Schicksal der sichergestellten Münzen ist nicht bekannt. Ob sie je in Sammlerhände gelangten könnte man vielleicht von Stücken mit Brandspuren ableiten. Auf jeden Fall bietet der Vorgang Stoff für einen Kriminalfilm. Dass er nicht in die Öffentlichkeit kam, ist verständlich, denn er warf ein nicht gerade positives Licht auf die Verhältnisse in dem Volkseigenen Betrieb und die Dienstauffassung der Aufpasser von der Staatsbank.

24. März 2018

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