Lebenswahre Münzporträts
Italien beschritt in der Renaissance-Zeit bei der Gestaltung seines Geldes neue Wege



Herzog Ercole I. d'Este von Ferrara ist auf dem undatierten Teston mit der unheimlichen Hydra auf der Rückseite lebenswahr porträtiert.



Der Teston von 1544 stellt Herzog Anton von Lothringen alles andere als geschönt mit riesiger Nase dar.



Der in Hall in Tirol geprägte Taler von 1701 zeigt Kaiser Leopold I. unter der riesigen Perücke wenig ansehnlich. (Fotos: Caspar)

In antiker Zeit wurden in Griechenland und dem römischen Reich zahllose Münzen aus Gold und Silber sowie solche aus Kupfer und Messing mit ausdrucksstarken Götterbildern, Tempeln, Tieren, Pflanzen und anderen Motiven geprägt, ergänzt durch lebenswahre Bildnisse von Herrschern aller Art und Bedeutung. Alle diese Bilder stehen in nichts dem nach, was Bildhauer und Maler damals geschaffen haben und den ganzen Stolz unserer Museen bilden. In Italien, dem Kernland des Römischen Reiches, häuften Fürsten und Stadtstaaten in nachantiker Zeit und vor allem vor und nach 1500 dank weitreichender Seefahrer- und Handelsbeziehungen und gewagter Bankgeschäfte gewaltige Reichtümer an, die auch die Entfaltung einer bedeutsamen Münzprägung ermöglichten und die Künste zu hoher Blüte führten.

Zur Freude der Sammler sind bis heute zahllose mit eindrucksvollen Bildnissen geschmückte Münzen erhalten. Hinzu traten seit dem 15. Jahrhundert prächtige Medaillen, die von Italien aus, antiken Traditionen verpflichtet, ihren Siegeszug durch Europa und dann durch die ganze Welt antraten. Anfangs wurden diese numismatischen Kostbarkeiten gegossen, nach 1500 aber auch geprägt. Dabei wurden eindrucksvolle Bildnisse von manchmal geradezu erschreckender Realistik geschaffen. Manche zeigen Menschen mit hervorstehender oder eingedrückter Nase, mit zahnlosem Mund oder Glupschaugen, und bei den Habsburgern hat man deren nach unten hängende Lippe nicht verschwiegen.

Lange hatte man in Italien und anderen Ländern auf lebenswahre Porträts keinen Wert gelegt. Es reichte, wenn ein Mensch irgendwie schemenhaft wie ein Symbol im Schmuck seiner Herscherinsignien wie Krone und Rüstung abgebildet war. Als man aber in der Zeit der Renaissance die Kultur und Kunst der Antike neu belebte, wuchs auch das Interesse an lebenswahren Bildnissen. Da diese nicht nur auf Leinwand oder Holz gemalt oder zu Figuren geformt, sondern auch auf Münzen und Medaillen dokumentiert wurden, hatte jeder, ob Mann oder Frau, seinen Landesfürsten und wegen der internationalen Vermischung des Geldes auch weitere Potentaten stets griffbereit in der Tasche.

Die lebenswahre Wiedergabe von Münzporträts war eine große Herausforderung für Künstler und Stempelschneider sowie diejenigen, die mit Handstempeln und Hammer am Amboss arbeiteten und darauf acht geben mussten, dass die Gepräge sauber ausgeführt werden und es beim Zuschlagen keine Verletzungen gibt. Abgeleitet vom italienischen Wort Testa für Kopf, bilden die etwa neun Gramm schweren Testoni ein interessantes Sammelgebiet mit herrlichen Geprägen, für das der Münzhandel ab und zu Angebote bereit hält. Die neuartigen Silbermünzen waren sehr beliebt und auch im täglichen Geldverkehr praktisch gut handhabbar. Die etwa Vierteltalern vergleichbaren Testoni verbreiteten sich schnell in Italien und weiteren Ländern Europas. In Frankreich hießen sie Teston, in Tirol, dem Ursprungsland des Talers, Pfundner und in der Schweiz und Teilen Süddeutschlands Dicken.

Der hier abgebildete Teston ohne Jahreszahl wurde um 1493 mit dem Bildnis von Ercole I. d'Este, dem Herzog von Ferrara. Das scharf geschnittene Profil des kunstbegeisterten und baufreudigen Herrschers ist auf der Silbermünze realistisch wiedergegeben. Die siebenköpfige Hydra auf der Rückseite spielt auf den Vornamen und die Taten des Herrschers an, denn er legte die Sümpfe um seine Residenzstadt Ferrara trocken. Hofarchitekt Biagio Rossetti entwarf dort eine Erweiterung der Stadt mit geraden Straßen und einer klaren, von mittelalterlichen Siedlungen abweichenden Struktur, die als die erste moderne Stadtplanung der Welt gilt und zu Recht auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes steht. Nach der Legende hauste die furchtbare Hydra in einem sumpfigen Gelände. Indem Ercole I. oder auf deutsch Herkules die Hydra wie der sagenhafte Held der Antike tötet, indem er ihr nachwachsenden Halsstümpfe mit Feuer ausbrennt, bewältigt er eine gigantische Bauaufgabe, lautet die Botschaft dieser ungewöhnlichen Münze. Spätere Potentaten wie August der Starke, Kurfürst von Sachsen und König von Polen, haben sich auf Münzen und Medaillen gern als Herkules mit dem Löwenfell feiern lassen. Der ist auf seinen Münzen und Medaillen schon von weitem an seiner schnabelartig gebogenen Nase zu erkennen.

1. Oktober 2018

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