Wilcox-Papier aus Spechthausen
Im Land Brandenburg wird die Erinnerung an einen wichtigen Industriezweig wach gehalten



Hinter den Mauern der Reichsdruckerei im Berliner Bezirk Kreuzberg wurden in der Kaiserzeit Geldscheine und andere Wertpapiere hergestellt. Die konkreten Verfahren waren ein gut gehütetes Geheimnis.



Das mittelalterlich anmutende Design der deutschen Geldscheine war nicht jedermanns Sache. Es zu modernisieren gelang erst 1918, nach der Abschaffung der Monarchie.



In der Literatur zu Wirtschafts- und Geldfragen wurden Banknoten vorgestellt, allerdings in vereinfachter Form, damit sie nicht als Vorlagen für Fälscher missbraucht werden können.



Das Hauszeichen der Papierfabrik Gebrüder Ebart in Spechthausen stammt aus dem Jahr 1903.



Täuschend echt nachgemacht wurden diese Zehn-Pfund-Note mit der Jahreszahl 1936 und Millionen weitere Geldscheine unter größter Geheimhaltung im KZ Sachsenhausen. In der Gedenkstätte wird ausführlich auch über die Todesangst, die die dafür zwangsverpflichteten Häftlinge aushalten mussten. (Fotos: Caspar)

Die Frage, wie Geld hergestellt wurde, hat die Öffentlichkeit in der Kaiserzeit offenbar sehr beschäftigt. Illustrierte Zeitschriften sowie populärwissenschaftliche und touristische Literatur befriedigten die Neugier des Publikums vor allem was die Produktion von Münzen betraf, während der Druck von Banknoten aus Gründen der Geheimhaltung weniger intensiv beleuchtet wurde. Das hatte einen triftigen Grund, denn Geldscheine wurden in größerer Zahl gefälscht, und so hatten Staatsbanken und Druckereien allen Grund, dem Publikum Einzelheiten über die Fertigung der Papiere, die Herstellung der Druckplatten sowie die Konstruktion und Arbeitsweise der Druck- und Zählmaschinen vorzuenthalten. Auch heute kann man eher bei der Prägung von Münzen zuschauen, während der Druck von Geldscheinen in Hochsicherheitsbereichen erfolgt, die hermetisch von der Öffentlichkeit abgeschlossen sind.

In dem auch als Reprint des Leipziger Zentralantiquariats von 1985 verfügbaren Buch von Paul Lindenberg "Berlin in Wort und Bild" (Berlin 1895) findet man eine kurze Schilderung des überaus komplizierten und langwierigen Banknotendrucks in der Berliner Reichsdruckerei. Sie war am 6. Juli 1879 auf Initiative des später geadelten Generalpostmeisters Heinrich Stephan durch Zusammenschluss der Deckerschen Geheimen Oberhofbuchdruckerei und der Königlich-preußischen Staatsdruckerei als Reichsbehörde gegründet worden und hatte ihren Standort in Berlin an der Oranienstraße/Ecke Alte Jakobstraße. Das am gleichen Ort nicht weit vom Stadtzentrum ansässige Traditionsunternehmen, das 1951 in Bundesdruckerei umbenannt wurde, war mit der Münchner Wertpapierdruckerei Giesecke & Devrient für den Druck der deutschen Geldscheine zuständig. Heute werden hier wie dort die Euro-Geldscheine hergestellt. Wo das geschieht, zeigen winzige, nur Kennern vertraute Signaturen.

Geheimnisvolle Fasern

Die Reichsdruckerei hatte um 1895 etwa 1300 Arbeiter und war in einem Gebäudekomplex mit zahllosen Seiten- und Hintergebäuden sowie vier Höfen auf einer Fläche von 100 000 Quadratmetern untergebracht. Hier wurde Büttenpapier aus Spechthausen bei Eberswalde und aus anderen Papierfabriken verarbeitet. In Lindenbergs Buch ist dazu lediglich zu erfahren, dass das Papier mit feinen Pflanzenfasern durchzogen ist, "welche mittelst sehr zweckdienlicher, aber äußerst kostspieliger Maschinen in die Masse verwebt werden, sodaß eine Fälschung kaum möglich ist, ohne sofort als solche erkannt zu werden. Das zum Druck präparierte Papier gelangt in den Kupferdrucksaal, woselbst eine größere Anzahl Handpressen wie eine Schnellpresse thätig sind; die zum Druck der Geldscheine nötigen Kupferstichplatten - stets achtfach galvanisch vervielfältigt als Druckplatte für acht Kassenscheine - werden auf heißen Eisenplatten erwärmt, dann mit blauer Farbe eingerieben, wozu sich der betreffende Arbeiter erst mehrerer Tücher, schließlich seiner Handfläche bedient, hierauf auf den Tisch der Maschine gelegt und mit dem leicht angefeuchteten Papierbogen bedeckt, über welchen ein weiches Tuch gebreitet wird, worauf sich der Tisch auf Schienen unter die Druckpresse bewegt." Die Bogen wurden erst mit der einen Seite und dann in einem anderen Saal mit der anderen Seite bedruckt. Neben dem langwierigen Kupfertiefdruck wie zu Albrecht Dürers Zeiten gab es auch den Druck mit der Schnellpresse. Pro Stunde wurden hier je nach Art und Größe zwischen 1600 bis 2400 Stück hergestellt. Jede Banknote musste noch nummeriert werden. Dies geschah aus Sicherheitgründen nicht in der Reichsdruckerei, sondern davon entfernt in der Staatsschulden-Verwaltung ebenfalls in Berlin. Man muss nicht viel Phantasie haben, um sich vorzustellen, wie mühsam und teuer die Fertigung einer Banknotenserie mit vielen tausend Stück war.

Geheimnisvoll klingt Lindenbergs Hinweis auf eine "Prozedur", der die Scheine unterworfen wurden, um fotografische Nachbildungen unmöglich zu machen. Auch hier werden keine Einzelheiten mitgeteilt. Dass es damals viele Versuche gab, in- und ausländische Scheine zu fälschen, zeigen nicht nur polizeiliche Bekanntmachungen in den Zeitungen sowie Gerichtsverfahren, sondern auch detaillierte Warnungen in der Fachpresse und in Büchern über Geldangelegenheiten, welche die bewußten Noten spiegelverkehrt und mit untilgbaren "Muster"-Aufdrucken abbilden.

Zu viele Notenbanken im neuen Deutschen Reich

Schon um der Geldfälschung aus dem Weg zu gehen und die Banknoten zu standardisieren, war dem Deutschen Reich daran gelegen, die Zahl der Banken so klein wie möglich zu halten, die das Recht zur Ausgabe von Geldscheinen besaßen. Erst 1872 konnte durch ein spezielles Gesetz die Ausweitung der regionalen Notenbanken unterbunden werden. Gab es vor der Reichseinigung von 1871 in Deutschland 54 solcher Emittenten und 1876 noch 32, so waren es 1887 nur noch 18 und 1914 gerade noch vier regionale Notenbanken. Diese Entwicklung verlief nicht ohne Konflikte, wurden doch erhebliche wirtschaftliche Interessen von Banken sowie Sonderrechte von Bundesfürsten berührt, auf ungern auf diese verzichteten.

Da nach 1871 zunächst eine deutsche Zentralbank fehlte, die für das ganze Reich zuständig war, gab die Preußische Bank im Auftrag der Reichsschuldenverwaltung 1874 so genannte Reichskassenscheine heraus. Die Preußische Bank wurde 1875 in die der Reichsregierung direkt unterstehende Reichsbank umgewandelt. Versehen mit Engeln, welche die Kaiserkrone tragen, sowie verschiedenen Ornamenten, Inschriften, Unterschriften von hohen Bankbeamten sowie einem Warnhinweis für Betrüger, denen hohe Zuchthausstrafen angedroht wurden, boten die Scheine nur geringen Fälschungsschutz. Ab 1882 wurde daher das patentierte "Wilcox-Faserpapier" verwendet, das von der Papierfabrik Gebr. Ebart in Spechthausen bei Eberswalde hergestellt wurde.

Die Erzeugung von Wert- und Banknotenpapier unterlag strengsten Kontrollen und erfolgte unter den Augen wachsamer Beamter. Nicht verwendete Materialien, Schöpfformen und Geräte zur Erzeugung der Wasserzeichen wurden unter ihrer Aufsicht unbrauchbar gemacht. Die Überwachungskommission der Reichsbank sorgte auch dafür, dass Reste der übrig gebliebenen Papiere vernichtet wurden. Aus dem Buch von Karin Friese "Papierfabriken im Finowtal. Die Geschichte der Papiermühlen und Papierfabriken vom 16. bis zum 20. Jahrhundert mit einem Katalog ihrer Wasserzeichen" sind Einzelheiten über die Papierfabrik Spechthausen zu erfahren. Darin ist neben der Entwicklung dieses Industriezweigs im Norden des heutigen Landes Brandenburg und der Tätigkeit einzelner Manufakturen und Fabriken für den Hof und die Regierung in Berlin auch einiges über das schon im frühen 19. Jahrhundert hergestellte Papier für preußische Tresor- und andere Geldscheine zu erfahren. Geheimnisumwittert war das sogenannte Wilcox-Papier. Die Preußische Bank hatte das Patent von dem Erfinder James M. Wilcox in Glenn Mills (Pennsylvania) gekauft. Nach ihrer Gründung bediente sich die Reichsbank dieses Verfahrens und ließ unter strenger Aufsicht ihrer Beamten farbige Fasern in das Druckpapier einbringen. Zu diesem Zweck wurde das geheimnisumwitterte Wilcox-Gerät regelmäßig von Berlin nach Spechthausen geschafft. Wurde die Maschine zum Verteilen der winzigen Fasern nicht gebraucht, hat man sie wieder zurück gebracht und in der Reichsbank eingeschlossen. Mit dem umständlichen, aber notwendigen Verfahren wurde sichergestellt, dass Unbefugte die Echtheitsmerkmale nicht nachahmen konnten.

Farbige Partikel als Echtheitsmerkmal

Die Einführung des Wilcox-Papiers war nötig, weil von den frühen Reichskassenscheinen häufig Fälschungen auftauchten und in der Öffentlichkeit die Forderung nach verbessertem Schutz erhoben wurde. Erstmals wurde Wilcox-Papier 1882 für die Reichskassenscheine zu 5, 20 und 50 Mark verwendet. Gut sind dunkelblaue Fasern auf hellblauem Grund zu erkennen. Außerdem hat man in Spechthausen die Wertzahl des Scheins seitenverkehrt als Wasserzeichen als Fälschungsschutz verwendet. In einer Verfügung an die Beamten der Reichspost- und Telegrafenverwaltung von 1895 heißt es: "Die blauen Fasern lassen sich durch eine Nadel aus der Papiermasse auslösen, wie durch eine Probe ohne Beeinträchtigung der Gültigkeit des Scheins festgestellt werden kann. Liegen die Fasern ihrer ganzen Länge nach auf der Oberfläche, so kann man sicher sein, ein Falschstück vor sich zu haben".

In der Kaiserzeit ging man dazu über, neben blauen Fasern auch anders gefärbte Partikel in die Papiere einzubringen. Außerdem wurden als Wasserzeichen neben Ziffern auch Merkurkopf, die Kaiserkrone zwischen Lorbeerzweigen und andere Darstellungen verwendet. Schließlich gab es Verbesserungen bei den Wilcox-Fasern. Damit besaßen die Geldscheine des Deutschen Reichs eine verwirrende Vielfalt von Sicherheitsmerkmalen, was von Fälscher ausgenutzt wurde, in der Bevölkerung die Kenntnis über diese Merkmale wenig ausgeprägt ist.

Geheimnisvolle Aktion Bernhard

Zum dunkelsten Kapitel der Geschichte der Spechthausener Papierfabrik gehört die Anfertigung von Papier für Falschgeld, das im Konzentrationslager Sachsenhausen bei Oranienburg nördlich von Berlin gedruckt wurde. Im Rahmen der nach dem SS-Offizier Bernhard Krüger benannten "Aktion Bernhard" wurden unter der Aufsicht des Reichssicherheitshauptamtes rund neun Millionen Pfund Sterling in falschen Banknoten durch KZ-Häftlinge hergestellt. Damit sollte der britischen Wirtschaft geschadet, aber auch deutsche Agenten in Feindesland mit dringend benötigten Devisen versorgt werden. Die Papierfabrik Spechthausen wurde als "kriegswichtig" eingestuft, die Arbeiter waren "uk", also unabkömmlich, und wurden nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Aus einer Chronik ist zu erfahren, dass während des Zweiten Weltkriegs auch in Spechthausen Banknoten gedruckt wurden, die aber aus Sicherheitsgründen erst in der Berliner Reichsdruckerei ihre Kontrollnummern erhielten. Als am 22. April 1945 die sowjetischen Truppen einrückten, lagen ungeschnittene Bogen für Briefmarken und Papiergeld, aber auch halbfertige und fertige Scheine ohne Kontrollnummern in der Druckerei verstreut gelegen. 1946 wurden die Maschinen als Reparationen an die Sowjetunion mit der Bahn in die Nähe von Swerdlowsk gebracht. Die ehemalige Papierfabrik wurde zeitweilig von der Nationalen Volksarmee der DDR genutzt und wird seit einigen Jahren als Wohnort ausgebaut.

9. Januar 2018

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