Königin war "Herr" im Haus
Wie aus Vertretern des portugiesischen Hauses Braganza Könige und Kaiser von Brasilien wurden





Königin Maria von Portugal mit ihrem Gemahl Pedro III. auf einer 1782 in in Lissabon geprägten Goldmünze zu 6400 Reis sowie lein auf einer weiteren aus dem Jahr 1799.



Die sieben Burgtürme sind auf vielen portugiesischen Geldstücken wie diesen Euromünzen abgebildet, dazu Euro-Münzen aus Irland mit der Harfe.





Die Goldmünze aus dem Jahr 1822 nennt Joao VI. sowohl König von Portugal als auch König von Brasilien. Auf der 20 000-Reis-Münze von 1851 aus Gold erscheint Pedro II. als Kaiser von Brasilien. Über dem Staatswappen auf der Rückseite schwebt seine Krone. (Foto/Repros: Caspar)

Das Brasilianische Nationalmuseum in Rio de Janeiro wurde Anfang September Opfer eines furchtbaren Brandes. Unzählige Kunstwerke, Dokumente zur Geschichte des Landes und des Kontinents sowie archäologische Fundstücke und Naturreichtümer wurden unwiederbringlich Opfer der Flammen. Zerstört wurden auch Belege für die wechselvolle Geschichte Brasiliens und seines "Mutterlandes" Portugal sowie für das Leid und die Ausbeutung seiner Bewohner durch die Kolonialherren und die einheimischen Oligarchien. Präsident Michel Teuer zeigte sich angesichts des in Flammen stehenden Kaiserpalastes entsetzt und zerknirscht. Das Prachtgebäude, das mit Museen in Sankt Petersburg, Paris, London und Berlin verglichen wird, wurde 1808 Residenz des aus Portugal nach Rio vor den Franzosen geflohenen Königs Joao IV. von Portugal. In Brasilien weiß jeder, dass das Museum mit seinen einzigartigen Sammlungen in hohem Maße brandgefährdet ist. Inwieweit die Münz- und Medaillensammlung vom Brand getroffen ist, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Sollte sie vernichtet sein, wäre das ein riesengroßer Verlust für die nationale und internationale Numismatik. Obwohl von den Kuratoren immer wieder gefordert, wurde ihm brauchbarer Brandschutz versagt, und auch sonst zeigte das Gebäude außen und innen unübersehbare Spuren von Vernachlässigung. Die Katastrophe wirft die Frage auf, wie aus der portugiesischen Kolonie Brasilien 1815 ein Königreich, 1822 ein Kaiserreich und 1888 eine Republik wurde und was Münzen darüber zu berichten haben.

Ungewöhnliche Reihenfolge

Blicken wir auf portugiesische und brasilianische Geldstücke. Solche mit Doppelbildnissen kommen in der Münzgeschichte nicht gerade häufig vor. Wenn schon fürstliche Persönlichkeiten gemeinsam dargestellt wurden, etwa um eine Hochzeit oder die Geburt eines Thronfolgers zu feiern war, dann wurde vorn der amtierende Herrscher und dahinter etwas unscheinbarer seine Gattin abgebildet. Auf portugiesischen Münzen des späten 18. Jahrhundert ist die Reihenfolge umgekehrt. Hier ist Königin Maria I. "Herr" im Haus. Die aus der Dynastie Braganza stammende First Lady wird sie in voller Schönheit mit hochgetürmter Frisur und einem Lorbeerkranz darin dargestellt. Ihrem Gatten Peter III. hat man hinter der selbstbewussten Landesmutter den zweiten Platz zugewiesen.

Warum die ungewöhnliche Reihenfolge gewählt wurde, zeigt ein Blick in die portugiesische Geschichte. Im Jahre 1777 hatte Maria I. als Tochter von König Joseph I. den Thron in Lissabon bestiegen und damit auch die Herrschaft über das damals noch riesige portugiesische Kolonialreich mit Brasilien an der Spitze angetreten. Ihren Onkel Peter, mit dem sie seit 1760 verheiratet war, ernannte sie zum Mitregenten. Auch er trug den königlichen Titel, wie die Umschrift auf der hier abgebildeten Goldmünze aus dem Jahr 1785 zu erkennen gibt, die das Paar als MARIA ET PETRUS III D o G o REGES tituliert, also als "Maria und Peter III. von Gottes Gnaden Könige".

Vieles aus der wechselvollen Geschichte Portugals und Brasiliens lässt sich an den dort geprägten Münzen und Medaillen ablesen. Portugal konnte sich dank der reichen Edelmetallfunde in seinen Kolonien leisten, große und schwere Goldmünzen auszugeben. Nach ihrem Vorbild wurden ab dem 16. Jahrhundert in Deutschland so genannte Portugaleser geprägt, also Münzen im Gewicht von zehn und mehr Dukaten, die vor allem der Repräsentation und zu Geschenkwecken dienten. Die im Stil des Rokoko gestaltete Goldmünze von 1785 zeigt auf der Rückseite das gekrönte portugiesische Wappen, kenntlich an den sieben Burgtürmen (Kastelle), die um fünf in der Mitte angebrachte Schilde (Quinas) gruppiert sind. Diese heraldischen Elemente kommen auf zahllosen portugiesischen Geldstücken vor und sind auch auf heutigen Euro-Münzen zu sehen. Merkwürdig ist, dass das prachtvolle Goldstück aus der Prägeanstalt Rio de Janeiro (Münzbuchstabe R) keine Nominalbezeichnung trägt. Das war in vielen Ländern Usus. In Portugal, seinen Kolonien und in anderen Staaten ging man offenbar davon aus, dass jeder weiß, was man in der Hand hat.

Flucht vor französischen Truppen

Peter III. hatte als vierter Sohn von König Joao V. (Johann V.) von Portugal kaum Aussicht auf die Thronfolge. 1750 bestieg sein älterer Bruder Joseph I. den Thron, doch hatte er keinen männlichen Erben, sondern nur die auf der Goldmünze abgebildete Tochter Maria. Um ihr die Krone zu sichern und Rangeleien in der Familie zu vermeiden, verheiratete er sie mit dem 26 Jahre älteren Prinzen Peter. Bedenken, dass eine Heirat unter nahen Blutsverwandten zu Komplikationen kommen könnte, gab es nicht. Auch in anderen Fürstenhäusern waren solche engen Verbindungen nicht unbekannt. Dass durch die Erbkrankheiten weitergegeben wurden, nahm man in Kauf.

König Peter III. überließ die Regierungsgeschäfte weitgehend seiner machtbewussten Frau. Sie ging unrühmlich dadurch in die Geschichte ein, dass sie antiklerikale Reformen, die unter ihrem Vater im Zeichen der Aufklärung eingeführt wurden, wieder zurücknahm. Klerikaler Eifer verschaffte ihr den Beinamen "die Fromme". Gleich nach ihrer Thronbesteigung entließ Maria den auf Einschränkung der Macht der Kirche dringenden Ersten Minister ihres Vaters, Sebastião José de Carvalho e Mello, Marquis de Pombal. Klugerweise aber hielt Maria an dessen Außen- und Wirtschaftspolitik fest und mühte um die Verbesserung der Infrastruktur ihres Landes. Nach dem Tod Karls III. verfiel die Königin zunehmend in eine irrationale Frömmelei und wurde schließlich wahnsinnig, weshalb sie 1792 entmündigt wurde. Die Staatsgeschäfte übernahm als Prinzregent ihr Sohn Johann, der nach ihrem Tod im Jahre 1816 als Joao VI. (Johann VI.) den Thron bestieg.

Gemeinsam mit Joao VI. musste Maria 1808 vor den Truppen des französischen Kaisers Napoleons I. nach Brasilien fliehen. Die riesige Kolonie wurde 1815 in ein eigenständiges Königreich umgewandelt, das mit Portugal in Personalunion verbunden war. So kommt es, dass die geistig umnachtete Maria von Portugal 1815, ein Jahr vor ihrem Tod in Rio de Janeiro, noch Königin von Brasilien wurde.

Reichtum durch gnadenlose Ausbeutung

Portugal und Spanien hatten 1494 unter Vermittlung von Papst Alexander VI. die Aufteilung Südamerikas beschlossen. Die damals bekannte Westküste geriet unter spanische Herrschaft, der Bereich des heutigen Brasiliens wurde portugiesische Kolonie. Furchtbare Verbrechen ereigneten sich bei der Christianisierung und Kolonisierung des Subkontinents. Um ihre Herrschaft zu festigen, schickten die portugiesischen Könige europäische Siedler nach Brasilien und gründeten 1549 die Hauptstadt Salvador da Bahia (San Salvador). Die gnadenlose Ausbeutung der Kolonie und weiterer Länder machte Portugal zu einem reichen Land, das sich eine prächtige Goldmünzenprägung erlaubte. In unseren Landen waren die großen und schweren Goldmünzen beliebt und als "Portugaleser" nachgeahmt.

Nachdem sich das wirtschaftliche Schwergewicht auf den Süden des Landes verlagert hatte, stieg Rio de Janeiro zur Hauptstadt von Brasilien auf und wurde Zentrum des portugiesischen Weltreichs, solange Lissabon nicht zur Verfügung stand. Der 1821 in seine Heimat zurück gekehrte König Joao VI. überließ das Königreich Brasilien seinem Sohn Pedro, der sich als Pedro I. am 22. September 1822 zum Kaiser proklamierte. Nach nur drei Jahren trat er seine Krone angesichts innerer Unruhen und kriegerischer Auseinandersetzungen mit Argentinien an seinen erst fünf Jahre alten Sohn Pedro II. ab und bestieg in Portugal den Thron seiner Vorfahren. Kronprinzessin Isabella, eine Tochter von Kaiser Pedro II., hob 1888 die Sklaverei offiziell ab, womit sich sie sich und die kaiserliche Familie die Feindschaft der Großgrundbesitzer und der Armee einhandelte. Nach einem Militärputsch verließ Pedro II. am 15. November 1889 das Land und ging nach Paris ins Exil. Brasilien wurde mit diesem Schritt Republik, und eine neue Seite im Buch der Geschichte wurde aufgeschlagen.

4. September 2018

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"