Der abenteuerliche Simplicissimus
Silbermünze von 1976 zu fünf DM erinnert an großartigen Schelmenroman und weist zurück in die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs



Das Titelbild zu Grimmelshausens Schelmenroman von 1669 war die Vorlage für die silberne Fünf-Mark-Münze von 1976.



Grimmig lädt das Mischwesen mit Pferdefuß und Fischschwanz zum Lesen des Buches ein, mit dem sein Autor berühmt wurde.



Zur Dreihundertfünfzigjahrfeier des Westfälischen Friedens 1998 kam eine weitere Gedenkmünze der Bundesrepublik Deutschland im Wert von Zehn Mark heraus.



Die Gräuel des Dreißigjährigen Krieges waren im 17. Jahrhunderts Thema vieler Gemälde und Grafiken wie dieser, auf der man sieht, wie ein Reiter über wehrlose Zivilisten herfällt und sie tötet.



"Dies ist das Hundevieh, welches so unsägliches Elend über unser Vaterland gebracht hat und von allen anständigen deutschen Wappentieren verabscheut wird", lautet der originale Text für ein Titelbild im "Simplicissimus" von Thomas Theodor Heine.



Wie sehr das Münchner Satireblatt die deutsche Familie "vergiftet", zeigt diese ebenfalls von Heine gezeichnete Karikatur. (Foto/Repros: Caspar)

Der vor 400 Jahren mit dem Prager Fenstersturz ausgelöste Dreißigjährige Krieg hat deutliche numismatische Spuren vor allem im 17. und auch noch im 18. Jahrhundert hinterlassen. Zahlreiche Münzen und Medaillen erinnern an Ereignisse und Gestalten in diesem bis dahin schlimmsten aller Kriege. Er wurde angesichts furchtbarer Ausblutung und Erschöpfung 1648 mit den Friedensschlüssen von Münster und Osnabrück beendet. Sie bestätigten im Wesentlichen die territorialen und religionspolitischen Zustände in der Zeit vor 1618, darunter auch die verheerende Kleinstaaterei im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation.

Mit einem Fünf-Mark-Stück erinnerte die Bundesrepublik Deutschland 1976 an den 300. Todestag des wohl bedeutendsten deutschen Dichters der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs, Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen. Gestalter Reinhard Heinsdorff bediente sich einer bewährten Bildvorlage, nämlich eines aus Mensch, Vogel und Fisch bestehenden Fabelwesens, das den Betrachter grinsend anschaut und ihm ein aufgeschlagenes Buch zeigt. Der Titelkupferstich stammt aus Grimmelshausens Schelmenroman "Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch". Die Randschrift der in München geprägten Silbermünze lautet schlicht DER ABENTEUERLICHE SIMPLICISSIMUS und weist damit auf den berühmtesten deutschen Schelmenroman des 17. Jahrhunderts hin. 1669 veröffentlicht, ist das Buch der erste deutsche Prosaroman von Weltgeltung. Mit ihm schuf Grimmelshausen aus eigenem Erleben ein faszinierend-abenteuerliches, derb-drastisches und von hintergründigem Humor gekennzeichnetes Zeitgemälde. Die direkte, oft urwüchsige Sprache hob sich damit wohltuend von dem galant-gekünstelten und mit vielen fremden Begriffen durchmischten Wortgeklingel mancher Zeitgenossen ab.

Die drastische Allegorie auf dem Titelblatt von Grimmelshausens Meisterwerk und auf der Silbermünze von 1976 deutet an, worum es dem Autor ging - Dummheit, Schwächen und Eitelkeiten und ihre Ursachen zu entlarven und so zur Verbesserung und Läuterung des Menschengeschlechts beizutragen. Der Text unter jenem Titelkupfer von 1669 beschreibt das Anliegen des Autors und seines Romans so: "Ich wurde durchs Fewr wie Phoenix geborn. Ich flog durch die Lüffte! wurd nit verlorn. Ich wandert durchs Wasser, Ich raißt über Landt, in solchem Umbschwermen macht ich mir bekandt. Was mich offt betrübet und selten ergetzt, was war das? Ich habs in diß Buche gesetzt, damit sich der Leser gleich, wie ich itzt thue, entferne der Thorheit und lebe in Ruhe."

Grimmelshausen wurde um 1622 in Gelnhausen als Sohn eines protestantischen Gastwirts und Bäckers geboren. Während des Dreißigjährigen Kriegs von hessischen Soldaten nach Kassel verschleppt, geriet er wider Willen in die kaiserliche Armee und erlebte als Soldat am eigenen Leib die Grausamkeiten und die Sinnlosigkeit des Krieges um Krone, Territorien, Geld und Untertanen. Seine Erlebnisse und Abenteuer verarbeitete der Autor im "Simplicissimus" und in anderen Schriften, die er unter seinem eigenen Namen oder auch verschiedenen Pseudonymen veröffentlichte. Als endlich Frieden war, konvertierte Grimmelshausen zur katholischen Kirche und heiratete 1649 in Offenburg Katharina Henninger, mit der er eine große Familie gründete.

Offenbar hat sich Grimmelshausen im Dreißigjährigen Krieg seine Bildung autodidaktisch in den Bibliotheken seiner jeweiligen Vorgesetzten angeeignet. Über sich lässt er, drastisch übertrieben und dadurch wenig glaubwürdig, einen Widersacher sagen: "Man weiß ja wohl daß Er selbst nichts studirt, gelernt noch erfahren: sondern so bald er kaum das ABC begriffen hatt / in Krieg kommen / im zehnjährigen Alter ein rotziger Musquetier worden / auch allwo in demselben liderlichen Leben ohne gute disciplin und Unterweisungen wie ein anderer grober Schlingel / unwissender Esel / Ignorant und Idioth uffgewachsen". Nach dem Krieg gründete Grimmelshausen eine Familie und fand als Schultheiß (Bürgermeister) im Badischen sein Auskommen, wo er 1676 starb.

Erwähnt sei, dass das 1896 gegründete Münchner Satireblatt "Simplicissimus" unter seinen Mitarbeitern bedeutende Zeichner und Autoren wie Thomas Theodor Heine, Bruno Paul, Ludwig Thoma und Rainer Maria Rilke hatte. Indem die Zeitschrift wie schon ihr Namensgeber, der als subversiv und "jugendgefährdend" eingestufte Schelmenroman von 1667, ihrer Zeit politische Fehlleistungen und moralische Gebrechen vorhielt, brachte sie die damals Mächtigen - Kaiser, Könige und Fürsten sowie Adel und Offiziere, Beamten, Priester, Fabrikherren, Junker sowie jede Menge Untertanen, Spießer und Kleingeister - gegen sich auf. Besonders vorlaute Mitarbeiter des "Simplicissimus" wurden wegen angeblicher Majestätsbeleidigung ins Gefängnis geschickt, was der Popularität des Blattes und seiner Auflage jedoch durchaus gut tat.

16. Mai 2018

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