Fälschungsschutz durch vertiefte Schrift
Um 1800 wurden neue Methoden für die Anfertigung von Prägestempeln ausprobiert





Aus Westphalen und aus Preußen sind bemerkenswerte Beispiele aus dem frühen 19. Jahrhundert für numismatischen Fälschungsschutz überliefert.



In solchen Ateliers tüftelten Graveure und Techniker aus, wie sie Stempelschnitt und Fälschungssicherheit der Münzen ihres Landes verbessern können. Kupferstich aus dem 18. Jahrhundert.



Preußens Minister Friedrich Anton von Heynitz war ein innovativer Mann, der sich bei seinem König Friedrich Wilhelm III. für neuartigen Stempelschnitt einsetzte, der aber wegen mancherlei technischer und wirtschaftlicher Schwierigkeiten nur in der Probephase stecken blieb. Er gehörte zu den Gründern der Bergakademie Freiberg und sorgte für die Reorganisation des preußischen Berg- und Hüttenwesens. Die Rückseite der Medaille mit der Ansicht einer Spindelpresse ist einer Medaille der Kaiserin Maria Theresia nachempfunden.



Die Zwei-Penny-Stücke von 1797 stellen eine Meisterleistung moderner Münzgravur als Maßnahme gegen das in England grassierende Fälscherunwesen dar. (Fotos/Repros: Caspar)

Münz- und Medaillenstempel werden im Allgemeinen so hergestellt, dass man durch vertiefte Gravur ein Werkzeug aus Stahl bekommt, das beim Prägen erhabene, also hoch stehende Bilder und Schriften ergibt. Ende des 18. Jahrhundert ging man in Frankreich, England, Preußen und anderen Ländern dazu über, bei den Münzstempeln erhabene und vertiefte Elemente zu kombinieren. Ziel war es, Geldstücke vor Fälschung zu schützen und die Machenschaften von Betrügern einzudämmen. Einfacher Stempelschnitt vor allem bei Kleinmünzen leistete ihnen Vorschub, und das wollte man ändern. Für Betrüger gab es kaum eine Hürde, Münzstempel auf herkömmliche Weise durch Gravur nachzuahmen. Schwere Strafen für Leib und Leben schreckte sie nicht ab.

Das Problem waren vertiefte Elemente auf den fertigen Münzen. Dazu wurden Stempel gebraucht, bei denen die später vertieft erscheinenden Details erhöht heraustreten. Es musste zunächst ein Zwischenstempel mit dem angefertigt werden, der das gleiche Relief der späteren Münze besitzt. In diesen Stempel gravierte man die Schrift oder schlug Buchstabenpunzen und ähnliches ein. Davon gewann man den eigentlichen Arbeitsstempel, der Erhabenes und Vertieftes vereinte. Um den Ur- und Zwischenstempel makellos abformen und vervielfältigen zu können, brauchte man kräftige Spindelpressen, die in der Regel nur offizielle Münzanstalten besaßen. Kleinen Gaunern dürften die Maschinen kaum zur Verfügung gestanden haben.

Der in Kassel von 1807 bis 1813 regierende König Jerôme (Hieronymus) Bonaparte, ein Bruder von Kaiser Napoleon I., übernahm die neue Art der Stempelfertigung aus Paris. Die Signatur "Tiolier" auf Fünf-Cent-Stücken und weiteren Münzen unter der auf den König weisenden Signatur HN (Hieronymus Napoleon) weist darauf hin, dass die Stempel von dem berühmten Pariser Graveur Pierre-Joseph Tiolier gefertigt wurden. Das nach dem Frieden von Tilsit im Sommer 1807 aus Teilen der preußischen Monarchie sowie aus Hessen-Kassel, Braunschweig-Wolfenbüttel und des Kurfürstentums Hannover zusammengewürfelte Königreich Westphalen bestand nur so lange, wie sein kaiserlicher Protektor Napoleon I. an der Macht war. Jerôme dokumentierte seine Würde auf Geldstücken aus Gold, Silber und Kupfer mit seinem Bildnis, Monogramm und Wappen. In volkstümlicher Erinnerung blieb er als "König Lustick", weil das angeblich das einzige deutsche Wort war, das er kannte und sprach. Der Vorname des mit einer württembergischen Prinzessin vermählten königlichen Lebemanns wurde im nordhessischen Dialekt zu "Schrohm" verballhornt, womit ein Spaßvogel, Schalk und Schürzenjäger gemeint war. Nach Jerôme ist ein in Kassel und Umgebung beliebter Kräuterschnaps benannt.

Parallel zu den Abwehrversuchen der preußischen Justiz und Polizei gegen das die Staatskasse erheblich schädigende Fälscherunwesen mühten sich auch der berühmte Stempelschneider Daniel Friedrich Loos und sein Sohn Friedrich Wilhelm Loos um neue Münzstempel, "deren Nachahmung für die gemeinen Falschmünzer unmöglich, für die künstlerischen (also technisch versierteren Graveure, H. C.) aber mit den größten Schwierigkeiten verknüpft sein würde". Der zuständige Minister Friedrich Anton von Heynitz lobte gegenüber König Friedrich Wilhelm III. die Leistungen des "sehr geschickten Hof-Medailleurs", der sich an den neuartigen Pennies "englischer Produktion" orientierte. Die gleichzeitige Verwendung erhabener und vertiefter Schriften, Zahlen, Bilder und Wappen für das probeweise geprägte goldene Fünftalerstück von 1799 lag im Trend. Die von beiden Loos entwickelten Friedrichs d'ors, also Fünftalerstücke aus Gold, repräsentierten durch ihre ungewöhnliche Art, gleichzeitig erhabene und vertiefte Reliefs zu erzeugen, in Preußen einen neuen technischen Standard, betonte der Minister. Er halte die Nachahmung solcher Stempel selbst durch den geschicktesten Falschmünzer für unmöglich. Heynitz bat den König, die "successive Anfertigung" ähnlicher Stempel für doppelte und halbe Friedrichs d'ors aus Gold sowie silberne Reichstaler, Acht-, Vier- und Zweigroschenstücke "gnädigst befehlen" zu wollen.

Wie so oft klaffte zwischen Wunsch und Wirklichkeit eine Lücke, und aus dem löblichen Plan, preußisches Geld durch ungewöhnlich geschnittene Stempel vor Betrügern zu schützen, konnte wegen technischer Probleme bei der Vervielfältigung der neuartigen Werkzeuge, aber auch Unzulänglichkeiten in den einzelnen Münzstätten, hoher Prägekosten und schwieriger Zeiten nicht verwirklicht werden. Der König nahm die ihm vorgelegten Probemünzen zwar zustimmend zur Kenntnis und belohnte die innovativen Graveure. Aber ein Auftrag zur Umstellung der preußischen Münzen erging nicht, weil die Kosten für das Auswechseln der bisherigen Gepräge gegen solche mit dem neuartigen Stempelschnitt denn doch zu hoch waren. Es dauerte noch einige Zeit, bis sich die neuartigen Gravuren durchgesetzt hatten.

29. August 2018

Zurück zur Themenübersicht "Münzen und Medaillen"