Medaillen fürs Volk
Schnell gefertigte Arbeiten führen zu Unrecht ein Mauerblümchendasein, denn sie sind interessante Zeugnisse für Geschichte und Lebensweise



Die Könige von England und Preußen sowie berühmte Heerführer sind auf der Medaille von 1759 zu Ehren eines Bündnisses zwischen England und Preußen friedlich vereint.



Ein unbekannter Trittbrettfahrer hat Friedrich dem Großen mit dieser Medaille von 1779 auf den Frieden von Teschen keinen Gefallen getan.



Die Schuld an der Hungersnot wird auf der Medaille von 1773 den so genannten Kornjuden in die Schuhe geschoben.





An gute Zeiten und an schlechte Zeiten erinnern die Medaillen von 1772 und 1816. Ohne sie wüsste man wenig von Jahren des Wohlstandes und der Not und was bestimmte Nahrungsmittel gekostet haben. (Fotos: Caspar)

Nicht immer genügen Medaillen des preußischen Königs Friedrich II. hohen und höchsten künstlerischen Ansprüchen. Es gibt auch welche, die ziemlich primitiv wirken und aus billigem Material bestehen. Diese so genannten Volksmedaillen oder volkstümlichen Medaillen bilden innerhalb der großen Zahl von Geprägen, die von hochtalentierten und einfallsreichen Künstlern im Auftrag des Königs von Preußen, aber auch aus eigenem Antrieb geschaffen wurden, eine Ausnahme. Sie führen zu Unrecht ein Mauerblümchendasein, obwohl sie historisch sehr interessant sind. Ab und zu werden die für den sprichwörtlichen "kleinen Man auf der Straße" hergestellten, meist aus Zinn, Kupfer oder Bronze bestehenden Gepräge und Güsse vom Münzhandel preiswert angeboten.

Angefertigt wurden Volksmedaillen, Jetons und andere Arbeiten im In- und Ausland zu unterschiedlichen Anlässen wie Geburten, Hochzeiten und Sterbefälle in fürstlichen Familien. Aber auch Themen wie Religion, Ehe und Familie sowie Not, Teuerung und Hunger und nicht zu vergessen wurden Kriege und Friedensschlüsse durch sie gewürdigt und weithin bekannt gemacht. Manchen Stücken merkt man an, dass sie schnell und flüchtig angefertigt wurden und zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt waren. Man kann orthographische Fehler feststellen und auch Porträts sehen, die wenig realistisch sind. Kurzum, da man für die Medaillen seinerzeit wenig bezahlen musste, haben sich ihre Hersteller mit ihrer Gestaltung keine sonderliche Mühe gegeben. Dass sie dessen ungeachtet recht beliebt gewesen sein mussten und als Schmuck getragen wurden, zeigen die bei Sammlern höchst unbeliebten Löcher oder Henkel.

Berühmt sind die volkstümlichen Medaillen zur Erinnerung an die Hauptgegner in den Schlesischen Kriegen, Friedrich II. und Maria Theresia. Offenbar war das Interesse ihrer Zeitgenossen so groß, nicht nur in Zeitungen und durch Flugblätter etwas über die mit Unterbrechungen zwischen 1740 und 1763 geführten Kriege um die schlesische Provinz und weitere Ereignisse im 18. Jahrhundert zu erfahren, sondern auch dazu passende Medaillen in die Hand zu bekommen. Der bekannte Osnabrücker Münzhändler und Buchautor Manfred Olding hat die auf den Preußenkönig bezüglichen Stücke in seinem Katalog der Medaillen Friedrichs des Großen (Gietl Verlag 2003) erfasst. Auf ihnen wird der Monarch als unbesiegbarer Kriegsheld gefeiert, als ein Mann, dem Gott gnädig ist und der sich durch nichts beirren lässt. Auf stolzem Pferd reitend, versetzt Friedrich II., genannt der Große, seine Feinde in Angst und Schrecken, und mit erhobenem Schwert zwingt er die römisch-deutsche Kaiserin Maria Theresia in die Knie. Auf weiteren Volksmedaillen sieht man, wie Städte und Festungen beschossen werden. Da und dort erhebt sich der preußische Adler über Schlachtfelder und Festungen.

Nicht wenige Medaillen dieser Art sind englischen Ursprungs. Sie entstanden in einer Zeit, als die Briten den mit reichlichen Unterstützungsgeldern ausgestatteten Friedrich II. für sich gegen Frankreich kämpfen ließen, das mit dem Haus Habsburg, also Maria Theresia, verbündet war. Die guten Beziehungen zwischen London und Berlin wird auf einer Medaille aus dem Jahr 1759 durch das Bildnis der beiden dort regierenden Könige George II. und Friedrich II. unterstrichen, ergänzt durch Porträts preußischer und britischer Heerführer. Manfred Olding stellt in seinem verdienstvollen Buch qualitätvolle Medaillen des großen Stempelschneiders Abraham Abramson solchen von unbekannter Hand gegenüber, die einen rohen Schnitt aufweisen und nur als Arbeiten von Trittbrettfahrern angesehen werden können, wie er schreibt.

Es lohnt sich, systematisch nach volkstümlichen Medaillen zu suchen. Dass ganze Serien gefertigt wurden bedeutet, dass es für sie einen Markt und Absatzgebiete gab. Unabhängig von ihrem künstlerischen und materiellen Wert stellen sie interessante Zeitzeugnisse dar. Wer wüsste denn heute, dass es im 19. Jahrhundert immer wieder Hungersnöte und Preiserhöhungen gab, unter denen die Völker, von ganz reichen Leuten abgesehen, schrecklich gelitten haben. Verschiedene Volksmedaillen gehen auf diese viele Menschenleben fordernden Katastrophen ein und bilden ein ganz eigenartiges, höchst aussagekräftiges Sondergebiet. Sich eine dazu passende Sammlung anzulegen und sich mit Inhalten und Formen der Volksmedaillen auseinanderzusetzen, dürfte viel Freude und geistigen Genuss bringen. In das Fach gehören Belegexemplare aus der Zeit vor und nach der deutschen Reichseinigung von 1871 sowie Arbeiten aus Frankfurt am Main, die Ereignissen und Gestalten der Revolutionsjahre 1848/49 auf recht originelle Weise in Erinnerung halten.

27. August 2018

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