Okkupation mit Folgen
Warum vor 80 Jahren dem Wiener Hauptmünzamt der Kennbuchstabe B zudiktiert wurde



Das Hauptmünzamt Wien - hier auf einer Medaille und drei Plaketten aus der k. und k.-Monarchie und der Ersten Republik - wurde 1938 genötigt, gegen die Tradition mit dem Buchstaben B zu zeichnen.



Der Buchstabe B besagt, dass das Fünfzig-Pfennig-Stück von 1939 in Wien geprägt wurde.



Die Vorderseite der Zwei-Schilling-Münze von 1930 ist identisch mit einem deutschen Drei-Mark-Stück anlässlich des 700. Geburtstags des Minnesängers Walther von der Vogelweide.



Diese Ausgabe von 1936 ehrt den Prinzen Eugen von Savoyen, der als Heerführer vor und nach 1700 mit seinen Siegen die Habsburger-Monarchie aus großer Gefahr gerettet hat. Der Doppeladler mit Heiligenschein ähnelt dem aus der Kaiserzeit, nur fehlen ihm Krone, Reichsapfel und Zepter.



Vor der Annexion von 1938 glänzte Österreich mit zahlreichen Gedenkmünzen. Das 25-Schilling-Stück mit dem Heiligen Leopold aus dem Jahr 1935 ist nur in wenigen Exemplaren überliefert. (Fotos/Repros: Caspar)

Als am 12. März 1938, vor nunmehr 80 Jahren, mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Österreich der "Anschluss" der Alpenrepublik an das Deutsche Reich vollzogen wurde, dauerte es nur wenige Tage, bis durch eine von Hitler unterzeichnete Verordnung die deutsche Reichsmark-Währung im "Lande Österreich" eingeführt wurde. Rechtsgrundlage war das "Gesetz über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich" vom 13. März 1938. Neben dem Schilling war ab sofort die Reichsmark (RM) gesetzliches Zahlungsmittel, wobei eine RM mit einem Schilling und 50 Groschen bewertet wurde. In einer weiteren Verordnung vom 23. April 1938 wurden die Noten der "in Liquidation" befindlichen Österreichischen Nationalbank zur Einziehung aufgerufen und durch deutsches Papiergeld ersetzt. Die auf Schilling und Groschen lautenden Scheidemünzen sollten bis zur Einziehung und Außerkurssetzung ihre Gültigkeit behalten. Kleinmünzen zu einem und zwei Groschen galten einem und zwei Reichspfennige.

Während sich die Österreicher an das neue Geld gewöhnten, ließen die neuen Herren in aller Heimlichkeit riesige Bargeldbestände, Davisen, Goldbarren, Wertpapiere und andere Vermögenswerte aus Banken und Tresoren der okkupierten Alpenrepublik in das "Altreich" schaffen, bestimmt zur Finanzierung eines Krieges, den Hitler bereits fest im Blick und der Planung hatte. In ähnlicher Weise wurden auch andere mit Waffengewalt unter das Hakenkreuz gezwungene Länder geplündert.

Eingeschmolzen und zu Barren verarbeitet

Am 25. Mai 1938 wurden die österreichischen Goldmünzen zu hundert und 25 Schilling sowie die Silberstücke zu fünf und zwei Schilling außer Kurs gesetzt. Die in der Nationalbank und anderen Kassen befindlichen Prägungen aus Edelmetall hat man in großen Mengen eingeschmolzen und in Form von Barren dem nunmehr "großdeutschen" Staatsschatz in Berlin zugeführt. Das erklärt die relative Seltenheit vieler Ausgaben heute. Dem Tiegel fielen nicht nur ältere Stücke, sondern auch ganz prägefrische Ausgaben zum Opfer. Das seit 1935 in Wien zu Ehren von St. Leopold hergestellte Fünfundzwanzig-Schilling-Stück mit der Heiligenfigur auf der Vorderseite und dem Doppeladler auf der Rückseite erlebte 1938 eine Auflage von 1357 Exemplaren. Als Teil der österreichischen Goldreserve erlitt die Gedenkmünze den Feuertod, was das seltene Vorkommen dieses Jahrganges im Handel und den hohen Preis erklärt, der für sie erzielt wird.

Schon bald nach dem so genannten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich erhielt das technisch und personell gut ausgestattete Hauptmünzamt in Wien als eine neue Kennung den Münzbuchstabe B. Sammlern von Reichsmünzen ist das B geläufig, mit dem die Münze zu Hannover ihre Geldstücke von der preußischen Annektion 1866 bis zur Auflösung der Fabrik 1878 gezeichnet hat. Der Reichsminister der Finanzen teilte dem Reichsstatthalter in Österreich, Arthur Seyß-Inquart, mit: "An den Ausprägungen der deutschen Scheidemünzen nimmt nunmehr auch das Hauptmünzamt Wien teil. Der auf das dortige Hauptmünzamt entfallende Prägeanteil ist von mir entsprechend der Einwohnerzahl auf 8,6 % festgesetzt worden. Das von dem Hauptmünzamt in Wien auf den Münzen anzubringende Münzzeichen ist der Buchstabe B".

Da österreichische Münzen bis dahin ohne Kennung auskamen, war die Weisung aus der Reichshauptstadt gewöhnungsbedürftig. Da das A seit 1750 auf allen Berliner Münzen stand und das B seit 1878 frei war, mussten sich die Mitarbeiter der Wiener Münze mit dem zweiten Buchstaben des Alphabets zufrieden geben. Die Umstellung war im Übrigen noch das kleinste aller Übel, die sich das "Anschluss"-Gebiet gefallen lassen musste.

Reichsmünzestätte in Berlin

Aus der Antwort des Amts des Reichsstatthalters auf den Brief des Reichsfinanzministers kann man eine gewisse Besorgnis über die Zukunft der Wiener Münze herauslesen, die bis dahin eine interessante Münzprägung mit beachtlichen Gedenkausgaben aus Gold und Silber entfaltet hatte und sich nun um ihr Renommee sowie die Weiterbeschäftigung von Gestaltern und Graveuren sorgte. "Bei der Beteiligung des Hauptmünzamtes in Wien wäre nicht nur der Prägeanteil, sondern auch der Anteil an der Erstellung von Entwürfen zu berücksichtigen. Ferner soll der bedeutende Export, der ja nunmehr zum Ruhme deutschen Könnens nach Kräften beitragen kann, aufrecht erhalten bleiben."

Solche vorsichtig formulierten Hinweise fruchteten nichts, das Wiener Hauptmünzamt hat wie die anderen deutschen Münzstätten Pfennige und Groschen sowie 1938 und 1939 Silbergeld hergestellt, und zwar 1938 und 1939 zu zwei Reichsmark und 1939 zu fünf Reichsmark mit dem Kopf des 1934 verstorbenen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, dem Hitler zu Dank verpflichtet war, weil er ihn am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt hatte. Zu weiteren Gedenkmünzen kam es in Hitlers Reich nicht mehr. Eine Silberausgabe mit dem Kopf des "Führers" sowie solche auf den erhofften Endsieg kamen über Planungen und einige Probeabschläge nicht hinaus. Die letzten Kleinmünzen in Wien mit dem "B" geprägten Münzen tragen die Jahreszahl 1944.

Das Wiener Hauptmünzamt konnte froh sein, dass es noch ein paar Jahre in Anspruch genommen wurde, denn es gab Pläne, die Münzstätten in München (Münzzeichen D), Muldenhütten (E), Stuttgart (F), Karlsruhe (G) und Hamburg aufzugeben und das deutsche Hartgeld mit dem A nur noch in der zur einzigen Reichsmünzstätte erhobenen Anstalt am Berliner Molkenmarkt herzustellen. Der am 1. September 1939 von Hitlerdeutschland vom Zaun gebrochene Zweite Weltkrieg sorgte jedoch dafür, dass diese Pläne aufgeschoben und fallen gelassen wurden. So blieben die Münzstätten weiter bestehen und prägten zum Teil bis wenige Wochen vor dem Kriegsende Hartgeld mit dem Hakenkreuz.

Hammer und Sichel in den Adlerklauen

Nach dem Ende des so genannten Tausendjährigen Reiches schaffte das Wiener Hauptmünzamt das ungeliebte "B" ab und begann mit der Ausgabe von Schilling- und Groschenmünzen, wobei interessant ist, dass der Adler wie schon in den frühen Jahren der Republik statt des mit dem Ende der Monarchie obsolet gewordenen Zepters und der Reichsapfels einen Hammer und eine Sichel in den Klauen hält. Da dies jedoch sehr an sowjetische Embleme erinnerte, hat es nach 1945 immer wieder Versuche gegeben, den Adler seiner als "kommunistisch" empfundenen Abzeichen Hammer und Sichel zu entledigen. Mit der Einführung des Euro am 1. Januar 2002, die zu einem ungeheuren Boom in der österreichischen Münzprägung führte, hat sich das Problem von allein gelöst. Der einköpfige Adler im österreichischen Staatswappen ist nach wie vor mit Hammer und Sichel geschmückt.

Wer sich für den "Anschluss Österreichs" und die numismatischen Folgen interessiert, wird zahlreiche Medaillen finden, die das Ereignis - jubelnde Zustimmung der "Heim ins Reich" geholten Menschen und das Aufgehen der Alpenrepublik im Großdeutschen Reich feiern. Mit solchen Prägungen tat sich unter anderem der Medailleur Karl Goetz hervor, in die Reihe gehören aber auch Kalendermedaillen, bei denen das Hauptmünzamt Wien als Herausgeber nicht vergaß zu vermerken, dass der 20. April "Führers Geburtstag" ist, falls das jemand vergessen haben sollte.

Zum "Anschluss" Österreichs vor 80 Jahren siehe Beitrag vom 10. März 2018 auf dieser Internetseite, Rubrik Geschichte

11. März 2018

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