Uralte Geschütze in der Exerzierhalle
Deutsches Historisches Museum und Spandauer Zitadelle führen durch 500 Jahre Militärgeschichte



Das Zeughaus Unter den Linden war das Waffenarsenal der brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Könige. Im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, avancierte es 1952 zum Museum für Deutsche Geschichte, aus dem das heutige Deutsche Historische Museum wurde.





Rund um den Schlüterhof hat das Deutsche Historische Museum einige seiner wertvollsten Geschütze aufgestellt. Die Griffe auf der im Schlüterhof ausgestellten Kanone haben die Form von preußischen Adlern.



Wenn man Glück hatte, traf die Kanonenkugel die Festung oder Burg in der Ferne. Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert





Viele Kanonen sind mit Inschriften und prächtig dekorierten Wappen geschmückt. Der Guss der Bronzerohre war ausgesprochen teuer, was sie zu einer begehrten Kriegsbeute werden ließ.





Das Deutsche Historische Museum hat aus seinem Geschützbestand einige repräsentative Stücke für die Ausstellung in der Exerzierhalle auf der Spandauer Zitadelle beigesteuert, hier Bronzerohre aus der Barockzeit. Kriegsgerät aus fünf Jahrhunderten wird in der Exerzierhalle auf der Spandauer Zitadelle gezeigt, ergänzt durch wertvolle stadt- und militärgeschichtliche Hinterlassenschaften. (Fotos/Repro: Caspar)

An zwei Orten in Berlin sind historische Geschütze aufgestellt - im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums (DHM) Unter den Linden in der Mitte der Stadt und in der Exerzierhalle der Spandauer Zitadelle. Im Schlüterhof sind besonders wertvolle und prächtig dekorierte Kanonen aus der Barockzeit aufgestellt, ein Bruchteil dessen, was das DHM und seine Vorgänger besessen haben, denn viele in diversen Kriegen eroberte Kanonen und Mörser gingen der nach Plänen von Andreas Schlüter zu Beginn des 18. Jahrhunderts erbauten Waffenhalle im Laufe der Zeit verloren. Frankreich verlangte nach dem vor hundert Jahren beendeten Ersten Weltkrieg mehr als 2000 Kanonen und weitere Objekte zurück, die die Truppen des preußischen Königs Wilhelm I. und seiner Verbündeten im Krieg von 1870/71 erobert hatten. Weitere Verluste musste das Zeughaus, aus dem 1952 das Museum für Deutsche Geschichte beziehungsweise nach der Wiedervereinigung 1990 das Deutsche Historische Museum hervor gingen, aufgrund eines Kontrollratsbeschlusses vom 13. Mai 1946 zahllose Kanonen, Gewehre sowie Blank- und andere Waffen aus der Zeit nach 1850 zum Verschrotten abgeben. Von etwa 750 Geschützen des 15. bis 20. Jahrhunderts im Zeughaus gingen rund 650 durch Einschmelzung, Diebstahl und auf andere Weise verloren. 1952 waren von ursprünglich etwa 100 000 im Zeughaus befindlichen Objekten nur noch 4950 vorhanden. Manche Lücken konnten später geschlossen werden.

Der Menschheit bewahrt

Zwar gab die Sowjetunion 1958 zahlreiche Objekte unter dem Motto "Der Menschheit bewahrt" an die DDR zurück, nicht aber die historischen Geschütze, Handfeuerwaffen, Blankwaffen und Ritterrüstungen, die in Moskau und Leningrad, dem heutigen Sankt Petersburg, verblieben. Nach wie vor steht die Rückführung dieses Bestandes aus Russland und aus Polen auf der Tagesordnung. Vor Kriegsende waren fünf mit Museumsgütern beladene Eisenbahnwagons in die Hände sowjetischer und polnischer Truppen gelangt. Große Mengen wurden nach Warschau gebracht, wo sie bis heute im Polnischen Militärmuseum verwahrt werden. Sollten sich die ehemaligen Kriegsgegner irgendwann über die Rückgabe einigen, könnte das eine oder andere Stück im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums oder an anderer Stelle gezeigt werden.

Sowohl im Deutschen Historischen Museum als auch in der Spandauer Zitadelle kann man einen Rundgang durch ein halbes Jahrtausend Militärgeschichte unternehmen, etwa wenn man Waffen, Fahnen, Rüstungen, Orden und andere Utensilien betrachtet und die geschichtlichen Hintergründe erkundet. Die in der Exerzierhalle aufgestellten Kanonen, Haubitzen und Mörser standen ursprünglich im Berliner Zeughaus. Außer den reich mit Wappen, Herrschermonogrammen, Jahreszahlen sowie lateinischen und deutschen Inschriften und nicht zuletzt mit Angaben über Kaliber und Gewicht geschmückten Kanonen präsentiert die Ausstellung auch die Pickelhauben genannten Helme preußischer Soldaten und Polizisten aus dem 19. Jahrhundert sowie Werkzeuge, mit denen Gewehre und anderes Kriegsgerät hergestellt wurden, ergänzt durch militärgeschichtlich interessante Grafiken, Dokumente, Fotos und andere Erinnerungsstücke.

Aus der Not wurde eine Tugend

Auf der Zitadelle erfährt man, dass die Festungs- und Garnisonstadt vor den Toren Berlins lange Zeit ein wichtiger Rüstungsstandort war. Zu sehen ist, dass die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert das Waffenhandwerk durch Einsatz von Dampfmaschinen sowie neuartiger Schmelz- und Gießverfahren revolutioniert hat. Statt der mühsamen und kostspieligen Einzelanfertigung von Gewehren, Säbeln und Munition trat die Massenproduktion. Sie verhalf der damals noch selbstständigen Stadt Spandau und ihrer Umgebung zu wirtschaftlichem Aufschwung. Allerdings war der Gewinn für die Kommune aus der Arbeit der Gießerei, Gewehrfabrik, Pulver- und Geschossfabrik und weiterer Werkstätten nicht groß, weil viele von ihnen keine oder nur geringe Gewerbesteuern zahlen mussten.

Der rasante Aufschwung der Spandauer Rüstungsindustrie mit immerhin 70 000 Arbeitern im Ersten Weltkrieg endete vor hundert Jahren mit der deutschen Niederlage von 1918, als die Betriebe aufgrund des Versailler Vertrags geschlossen wurden und zehntausende Männer und Frauen arbeitslos wurden. Wie man in Spandau aus der Not eine Tugend machte und auf neue, friedliche Erzeugnisse umstieg, etwa elektrische Haushaltsgegenstände, Motorräder und Spielfilme, wird nicht in der alten Exerzierhalle dokumentiert, sondern gleich nebenan im Stadtgeschichtlichen Museum.

Zu den dunklen Kapiteln der Spandauer Geschichte gehört die hochgeheime Arbeit des Heeresgasschutzlaboratoriums mit etwa 300 Beschäftigten, das auf der zum militärischen Sperrgebiet erklärten Zitadelle untergebracht war. Hier wurde ab 1935 über das Giftgas Tabun geforscht und mit ihm auch experimentiert. Als sich im Frühjahr 1945 die Rote Armee der Zitadelle näherte, wurden alle Dokumente und Gerätschaften vernichtet, und die Mitarbeiter wichen nach Munsterlager in der Lüneburger Heide aus. Der Nervenkampfstoff wurde während des Zweiten Weltkriegs zwar in Bomben und Granaten gefüllt, aber nicht praktisch eingesetzt. Nach 1945 hat man die Behälter in der Ostsee versenkt. Da sie inzwischen korrodieren, gehen von diesen Hinterlassenschaften des NS-Reichs große Gefahren für den Fischbestand aus.

27. März 2018

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