Sammler wurden Mäzene
Berliner Museen verdanken reichen Kunstfreunden großzügige Stiftungen. Nach einem von ihnen, James Simon, wird die neue Eingangshalle auf der Museumsinsel benannt



Wie die Weisen aus dem Morgenland bringen James Simon (Mitte) und seine Freunde Kaiser Wilhelm II. reiche Gaben. Zeitgenössische Karikatur um 1910/11.



Eine James Simon gewidmete Tafel schmückt die Landesvertretung von Baden-Württemberg in der Berliner Tiergartenstraße 15 A, wo bis zur Kriegszerstörung die Villa Simon stand. Im Bode Museum erinnert eine Büste an James Simon, den großartigen Förderer der Berliner Museen und ihres Münzkabinetts.





Die von Simon und weiteren Mäzenen nach Berlin geholte Büste der altägyptischen Könige Nofretete wurde zur Ikone der Staatlichen Museen. Aus dem Fund von Abukir stammt das Goldmedaillon mit dem Bildnis von Alexander dem Großen, das auf Grund einer Initia-tive von James Simon nach Berlin kam.







Die noch im Bau befindliche Eingangshalle an der Spree direkt vor dem Neuen Museum trägt den Namen von James Simon. Mit der Eröffnung wird für Ende 2018 gerechnet. Die Fertigstellung des Bauwerks hatte sich wegen extrem schwieriger Gründungsmaßnahmen direkt an einem Spreearm verzögert.



Die Porzellantafel am Stadtbad Mitte in der Gartenstraße erinnert an James Simon, der das Geld für diesen so wichtigen Bau in einem Berliner Arbeiterviertel gestiftet hat. (Fotos/Repros: Caspar)

Was wären die Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz und andere Einrichtungen ohne jene jüdischen Mäzene, die die Sammlungen in der Kaiserzeit und der Weimarer Republik großzügig unterstützten und ihnen bedeutende Kunstwerke und Dokumente zukommen ließen? Reiche und kunstbegeisterte Unternehmer und Kaufleute, aber auch Bankiers und Pressezaren wie Eduard Arnhold, Ludwig Darmstaedter, Rudolf Mosse, die Rothschilds, James Simon und viele andere hätten ihr Geld auch für ein aufwändiges Leben verprassen können, wie es von anderen Vertreter der Großbourgeoisie geführt wurde. Doch sie setzten es uneigennützig für karitative und kulturelle Zwecke ein, wurden in ihrer Zeit als Wohltäter verehrt und verkehrten in allerhöchsten Kreisen.

Der Berliner Baumwollhändler James Simon etwa stiftete Schulen, Schwimmbäder und Waisenhäuser. Er schenkte den damaligen Königlichen Museen, von deren Generaldirektor Wilhelm von Bode beraten und stets von neuem ermuntert, Gemälde, Skulpturen, kunstgewerbliche Erzeugnisse, Münzen und Medaillen und überließ ihnen auch die Büste der altägyptischen Königin Nofretete, die gleichsam zur Ikone der Berliner Museen wurde. Ludwig Darmstaedter vermachte der Preußischen Staatsbibliothek seine weltberühmte Sammlung von Handschriften, Eduard Arnhold förderte Künstler der Moderne und ließ dem Berliner Kaiser-Wilhelm-Institut, aus dem die heutige Max-Planck-Gesellschaft hervor ging, namhafte Beträge für Forschungszwecke zukommen. Sie alle halfen bei Ankäufen und Restaurierungen und finanzierten archäologische Expeditionen. Ohne diese Unterstützung hätte die Berliner Museums- und Wissenschaftslandschaft gewiss nicht diese Weltgeltung erlangt, den sie vor und nach 1900 einnahm, und auch andere deutsche Kunststädte stünden ohne solche Hilfen weniger blendend da.

Die Nationalsozialisten breiteten um den jüdischen Bauwollhändler, Sammler und Stifter und all die anderen jüdischen Mäzene einen Mantel des Schweigens. Sie tilgten ihre Namen in den Museen, pressten ihnen und ihren Familien Kunstwerke und Vermögen ab, setzten sie rassistischer Verfolgung aus. Es dauerte Jahrzehnte, bis dieses schreiende Unrecht wieder gut gemacht wurde und man sich der Sammler und Stifter wieder erinnerte. So ist es nur recht und billig, dass das neue, nach Plänen von David Chipperfield gestaltete Eingangsgebäude für die fünf Häuser auf der Berliner Museumsinsel den Namen von James Simon erhält und auch eine kleine, im Sommer vielfach besuchte Grünfläche in der Nähe nach ihm benannt ist. Diese Namensgebungen sind eine späte Ehrenrettung für den jüdischen Weltbürger, dem die Berliner Museen nicht nur unermessliche Schätze verdanken, sondern die erste Volksbadeanstalt gründete, das nach ihm benannte Stadtbad Mitte. Simon hat die Bildung breiter Schichten gefördert und sozial Schwachen geholfen, so gut es ging. Er war ein Mann, der "für einen Gemeinsinn (stand), der 1933 gewaltsam zerstört wurde", wie es auf der Erinnerungstafel heißt. Sie erinnert seit 2006 mit einem von Johannes Grützke gestalteten Bildnismedaillon an der heutigen Landesvertretung von Baden-Württemberg in der Tiergartenstraße 15 A daran, dass hier bis zu ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg die Villa Simon stand.

Da James Simon 1932 starb, blieb ihm erspart zu sehen, wie die Nationalsozialisten mit seiner Familie und seinem Erbe umsprangen. Dass der kunstbeflissene Unternehmer so viel für Berlin und seine Berliner Museen geleistet hatte, zählte jetzt nicht mehr. Mit großen Anstrengungen, der mutigen Nutzung alter Verbindungen zu den Staatlichen Museen und unter Berufung auf Simons Verdienste um sie vermochten es Familienmitglieder, sich vor der Deportation in die nationalsozialistischen Vernichtungslager zu bewahren. Dorothee Westphal, eine Tochter des Mäzens, wurde 1956 Direktorin der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz.

Der Mäzen Simon ist im Bode-Museum vormals Kaiser-Friedrich-Museum durch eine Büste neben dem Gobelinsaal präsent. In der ständigen Ausstellung des Münzkabinetts wenige Schritte weiter entfernt sind einige herausragende numismatische Belegstücke für Simons Generosität ausgestellt - die Goldmedaillone aus dem berühmten Fund von Abukir, durch den 1902 nördlich von Alexandria rund 600 Goldmünzen, 20 Medaillone und einige Barren ans Tageslicht kamen. Das Berliner Kabinett konnte mit Unterstützung von Simon und weiteren Sponsoren fünf der zwischen 48 und 60 Millimeter großen Kunstwerke kaufen. Ohne diese Hilfe hätte die Sammlung die erforderlichen 110 000 Goldmark (etwa 1,5 Millionen Euro) nicht aufbringen können, und die Stücke wären anderswo hingegangen. Simon hatte bei den Kaufverhandlungen die Initiative ergriffen und ein Konsortium von zehn Kunstfreunden gebildet, welches die immense Summe als zinsloses Darlehen vorstreckte. Bei der späteren Rückzahlung verzichtete Simon auf seinen Anteil. Es wird angenommen, dass die Medaillone anläßlich der mit Sport- und Kulturwettkämpfen verbundenen Alexanderspiele in Beroia an prominente Würdenträger, hohe Beamte und siegreiche Athleten vergeben wurden.

Außer diesen herausragenden Zeugnissen antiker Münz- und Prägekunst überließ Simon dem Kabinett rund 400 Münzen und Medaillen anläßlich seines Einzugs in das 1904 eröffnete Kaiser-Friedrich-Museum, das heutige Bode Museum. Wie Wolfgang Steguweit in dem Buch "James Simon - Philantroph und Kunstmäzen" (Prestel Verlag München 2006) betont, lassen Simons Geschenke an das Berliner Münzkabinett auf die enzyklopädische Absicht des Mäzens schließen, "jedem bedeutenden Teilbestand gleichermaßen etwas zugute kommen zu lassen, um somit dem Münzkabinett zur Gänze zu dienen". Wenn man alle Schenkungen von Simon betrachtet, zeige sich das besondere Interesse des Sammlers für Renaissancemedaillen. Mehr als 400 Medaillen aus dieser Zeit seien Teil einer "Morgengabe" zur Eröffnung des Kaiser-Friedrich-Museums am 18. Oktober 1904 gewesen, wo sie im Raum der James-Simon-Sammlung mit den anderen Stiftungen vereint wurden.

In einem von der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste Magdeburg veröffentlichten Buch würdigen zwölf Autorinnen und Autoren jüdische Sammler und Stifter nicht nur in Berlin, sondern auch solche in Dresden, Frankfurt am Main, München und anderen Städten. Deutlich wird, dass die Motive der Sammler und Stifter nicht das Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung in einem christlich geprägten Umfeld voller Standesdünkel waren. Vielmehr war es ihnen ein besonderes Anliegen, im Sinne jüdischer Tradition Gutes zu tun und der Gesellschaft etwas von dem zu geben, was sie und ihre Familien dieser verdankten. Das Buch unterstreicht, wie vor 1933 private Kunst- und Kulturförderung beschaffen war, beschreibt den Kulturbruch durch die Errichtung der NS-Diktatur 1933, beleuchtet die Suche nach verlorenen Kunstwerken und die geistige und materielle Wiedergutmachung an den unvergessenen Mäzenen und ihren Familien.

Mit seinen biographischen Notizen sowie allgemeingeschichtlichen und kunsthistorischen Anmerkungen unterstreicht das Buch die Richtigkeit dessen, was Theodor Fontane in einem Brief von 1890 so formulierte: "Ich habe von unserm von mir aufrichtig geliebten Adel gegenüber einsehen müssen, dass und alle Freiheit und feinere Kultur, wenigstens hier in Berlin, vorwiegend durch die reiche Judenschaft vermittelt wird. Das ist eine Tatsache, der man sich unterwerfen muss und als Kunst- und Literaturmensch (weil man sonst garnicht existieren könnte, mit Freudigkeit". Das Buch "Sammeln, Stiften, Fördern - Jüdische Mäzene in der deutschen Gesellschaft" hat 320 Seiten und 30 Abbildungen und kostet 24,90 Euro.

1. Juni 2018

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