Himmelsscheibe zu Gast in Berlin
Zur Archäologieausstellung "Bewegte Zeiten" steuert die Staatliche Münze eine attraktive Medaille bei



Die Himmelsscheibe von Nebra hat aus Halle die Reise nach Berlin angetreten und wird im Martin-Gropius-Bau sparsam beleuchtet und schwer bewacht.



Die Ausstellung "Bewegte Zeiten" wird bis zum 6. Januar im Martin-Gropius-Bau gezeigt, auf dem Foto links in der Mitte die Topographie des Terrors und rechts das Berliner Abgeordnetenhaus.



Mit der neuen Silbermedaille würdigt die Staatliche Münze Berlin die im Martin-Gropius-Bau gezeigte Himmelsscheibe von Nebra.



2006 wurde in Berlin die Silbermünze mit der Himmelsscheibe von Nebra geprägt, daneben das feiert das Fünf-Mark-Stück von 1979 das 150-jährige Bestehen des Deutschen Archäologischen Instituts.



Die Goldhüte im gleichen Raum werden als Kalendarien gedeutet. Einer von ihnen kam aus Frankreich und ist die einzige ausländische Leihgabe.



Wer solche jetzt bei Ausgrabungen gefundene Fußfesseln tragen musste, befand sich im Vorhof der Hölle.



Was man aus Metallen aller Art in der Antike und im Mittelalter herstellte, kann man an vielen Stellen der Ausstellung sehen.



Aus antikem Schutt geborgen, stellen die Kölner Keramikscherben so etwas wie ein geöffnetes Lesebuch dar. (Fotos: Caspar)

Die berühmte Himmelsscheibe von Nebra, einer der bedeutendsten archäologischen Funde der vergangenen Jahrzehnte, ist in der bis zum 6. Januar 2019 laufenden Ausstellung "Bewegte Zeiten - Archäologie in Deutschland" im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen. 1999 gemeinsam mit bronzenen Schwertern, Beilen und Meißeln von Raubgräbern am Mittelberg, einem Ortsteil von Nebra in Sachsen-Anhalt, aufgespürt und beschädigt, befindet sich die archäologische Sensation seit 2002 im Besitz des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle an der Saale und zieht dort sowie bei Wanderausstellungen im In- und Ausland begeisterte Blicke auf sich.

Die kostbare Bronzescheibe mit Goldapplikationen wurde nach allen Regeln der Kunst auf ihre Echtheit untersucht und als über jeden Zweifel erhaben eingestuft. Mit drei ebenfalls als Kalendarien gedeuteten Goldhüten in einem abgedunkelten Raum hinter Panzerglas aufgestellt und streng bewacht - der spektakuläre Goldklau im Berliner Münzkabinett steckt allen Museumsleute noch tief in den Kochen - bildet die grün patinierte, auf der Rückseite leere Scheibe mit einem Durchmesser von 32 mm den Höhe- und Endpunkt der spektakulären Ausstellung und dient auch als deren Logo. Die 3600 Jahre alte Bronzescheibe ist die bisher älteste bekannte Himmelsdarstellung, die je von Menschenhand gefertigt wurde. Sie präsentiert die Abfolge von Tag und Nacht sowie die Sicht unserer Vorfahren auf Sternenbilder, konkret auf die Plejaden, die wir auch als Siebengestirn kennen. Zudem fährt ein Schiff über den nächtlichen Himmelsozean.

Numismatisches Sahnehäubchen

Bereits 2008 hatte die Staatliche Münze Berlin eine Zehn-Euro-Gedenkmünze mit der Himmelsscheibe von Nebra nach einem Entwurf des bekannten Münzdesigners Bodo Broschat geprägt. Jetzt hat der Traditionsbetrieb eine Medaille ebenfalls zum "geschmiedeten Himmel" herausgebracht. Wer Münzen der Bundesrepublik Deutschland sammelt, kennt sicher auch das Fünf-Mark-Stück von 1979, das dem 150. Gründungstag des Deutschen Archäologischen Instituts gewidmet ist. Mit der Nebra-Münze und der neuen Medaille gibt es nun weitere Gedenkausgabe zu einem archäologischen Thema. Sie sind sozusagen das numismatische Sahnehäubchen der vom Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz mit zahlreichen Museen und Denkmalämtern gestalteten Ausstellung, zu der im Michael Imhof Verlag ein umfangreicher Katalog erschienen ist. Im unteren Bildbereich der neuen Medaille kann man die Himmelsscheibe liegend erkennen, während darüber durch Hügel und Horizont der Fundort angedeutet wird. Oben wird der Lauf der Gestirne sowie von Mond und Sonne und Sterne symbolisiert.

Die Medaille mit der Jahreszahl 2018 besteht aus einer Legierung aus 999/1000 Silber und wiegt eine halbe Unze, also 15,5 Gramm. Mit einem Durchmesser von 32,5 mm wird die Ausgabe mit einer attraktiven Klappkarte für 19,90 Euro verkauft. Wer erwartet hatte, in der Ausstellung auch etwas über die Arbeitsmethoden der Bodendenkmalpfleger und die Aufbereitung der von ihnen freigelegten Fundgüter zu erfahren, wird enttäuscht sein. Denn dies wäre Thema einer weiteren, nicht minder spannenden Ausstellung, betonte Museumsdirektor Matthias Wemhoff beim Rundgang durch die Schau. "Sie ist Teil des Europäischen Kulturerbejahrs 2018, das sich mit den Austauschprozessen und den vielfältigen, durch unzählige archäologische Funde belegten Beziehungen der Völker befasst. Abweichend von üblichen chronologischen Abläufen haben wir die Ausstellung thematisch gegliedert."

Schon immer auf Wanderschaft

Passend zum Motto "Bewegte Zeiten", lenkt die Ausstellung den Blick auf die Bewegung von Menschen, Dingen und Ideen sowie die damit früher und heute verbundenen Konflikte, die sich mangels zumeist fehlender schriftlicher Quellen unter anderem durch das noch recht neue Fachgebiet der Schlachtfeldarchäologie belegt sind. Mit spektakulären archäologischen Funden aus den vergangenen 20 Jahren quer durch alle deutschen Bundesländer und neuen Erkenntnissen über Altfunde dokumentiert die unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier nach dreijähriger Vorbereitungszeit am 20. September 2018 eröffnete Schau, dass Völker, Gruppen und einzelne Menschen schon immer auf Wanderschaft waren und sich gegenseitig ausgetauscht und auf vielfältige Weise befruchtet haben. Die Suche nach Nahrung, aber auch die Flucht vor Dürre, Nässe und Kälte sowie vor bewaffneten Auseinandersetzungen und andere Gefahren waren gewichtige Gründe, weshalb Menschen ihre vertraute Umgebung verließen und sich auf gefährliche Wege ins Unbekannte machten.

Hinter jedem Exponat stecken Schicksale, und wer möchte, kann beim Anblick der Grabbeigaben, des Inhalts von Gräbern und Abfallgruben und von früheren Schlachtfeldern seiner Fantasie freien Lauf lassen. Das gilt auch für die Münzfunde, die überall ausgelegt sind, bei denen man sich fragt, was die Menschen veranlasst hat, sie dem Boden oder einem Loch in der Hausmauer anzuvertrauen und warum sie nach Abwendung von Gefahr nicht wieder ans Tageslicht geholt wurden.

Die Ausstellung im einstigen Kunstgewerbemuseum aus der Kaiserzeit und heutigen Martin-Gropiusbau zeigt gleich zu Beginn im Lichthof sind Zeugnisse aus der Römerzeit, die beim U-Bahn-Bau in Köln ans Tageslicht kamen. Bei den Tonscherben sowie Steinskulturen konnten Handelsverbindungen bis ins antike Rom, ja sogar bis nach Pompeji festgestellt werden, das anno 79 nach Christus unter dicken, aus dem Vesuv gequollenen Lavamassen versank. Dass Menschen auf der einen Seite in Saus und Braus lebten, belegt durch luxuriöse Grabbeigaben bis hin zum aufklappbaren Schminkstuhl einer vornehmen Dame ganz aus Silber, und andere als schwer in Eisenketten liegende Sklaven ein elendes Leben führten, wird man beim Rundgang unschwer erkennen. Goldschätze sowie Münzen aus Silber und Gold werden einzeln und als Hortfunde präsentiert, doch die wahre Sensation ist die "Venus von Hohle Fels", eine 40 000 alte Schnitzerei aus Mammut-Elfenbein, die aus Blaubeuren nach Berlin entliehen wurde. Dieses knapp 60 mm hohe Kunstwerk korrigiert und Vorstellung von Menschen, die sich ihren Höhlen nur mit Strichzeichnungen die Zeit vertrieben und nichts als Essen, Jagen und Pflege der Familie im Kopf hatten.

Der lange Blick in die Vergangenheit

"Die Ausstellung vermittelt die Erkenntnis, dass der Raum, in dem wir leben, zu allen Zeiten in ein intensives gesamteuropäisches Netzwerk eingebunden war", betont der Archäologe Matthias Wemhoff mit Blick auf die Probleme, mit denen wir uns heute und morgen herumschlagen. Kaum eine Entwicklung sei allein regional zu verstehen, seit jeher hätten Fragen wie Migration, Globalisierung und Innovation und die damit verbundenen Konflikte die Menschen herausgefordert. "Der lange Blick in die Vergangenheit lehrt, dass Europa über viele verbindende kulturelle Grundlagen verfügt, die eine Kraftquell für eine gemeinsame, nicht von Nationalismen, sondern von Offenheit und Austausch geprägte Zukunft sein können."

Erwähnt sei, dass die Ausstellung erschreckende Beispiele für Bildersturm, für mutwillige Zerstörung von Kulturgütern aller Art bietet. Die naheliegende Frage, ob bei uns eine Brandkatastrophe wie vorwenigen Wochen im brasilianischen Nationalmuseum möglich ist, wurde negativ beschieden, für alle Fälle wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft und Anstrengungen erhöht, die dem Boden entnommenen Funde zu erforschen und zu dokumentieren.

22. September 2018

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