Dem Abriss glücklich entgangen
Im Berliner Museum für Kommunikation sind kostbare Geräte ausgestellt, mit denen Ländergrenzen überwunden wurde und werden





Aus dem Postmuseum an der Ecke Leipziger Straße/Mauerstraße wurde das Museum für Kommunikation. Oben eine Darstellung aus der Kaiserzeit mit dem ursprünglichen Fassadenschmuck.





Mit großem Feingefühl haben Bauleute und Restauratoren nach alten Plänen und Fotos den Lichthof des heutigen Museums für Kommunikation zurück gewonnen.Reliefs und Figuren im Lichthof symbolisieren in der künstlerischen Sprache des Kaiserreichs die Segnungen weltweiter Postverbindungen und Kommunikation.



Erinnerungen an Heinrich von Stephan vor dem Eingang zur unterirdischen Schatzkammer.



Im Zweiten Weltkrieg sollen mehr als 30 000 Enigma-Geräte hergestellt worden sein. Von der Verschlüsselungsmaschine sind Exemplare im Museum für Kommunikation, im Deutschen Technikmuseum und im Deutschen Historischen Museum, alle drei in Berlin, und in anderen Sammlungen ausgestellt sind.





Zahlreiche historische Apparate zum Telefonieren und Telegrafieren, aber auch Radios, Fernseher und weitere Errungenschaften ziehen neugierige Blicke auf sich. Urtümlich anmutende Schreibmaschinen für die Telegrafie sowie Telefonapparate und andere Geräte sind besondere "Hingucker" in der Ausstellung des Museums für Kommunikation. (Fotos: Caspar)

Das Museum für Kommunikation an der Leipziger Straße in Berlin, volkstümlich auch Postmuseum genannt, gehört zu den schönsten und prunkvollsten Museumsbauten der wilhelminischen Ära in Berlin. Errichtet von 1893 bis 1897 nach Plänen von Ernst Hake, werden in den Prunkräumen neben philatelistischen und postgeschichtlichen Kostbarkeiten werden in den Prunkräumen alte und neue Medien und Kommunikationstechniken mit den entsprechenden historischen Geräten vorgeführt und dokumentiert. Schönstes Exponat ist das Eckgebäude selbst, dessen Bau auf eine Idee des Reichspostmeisters Heinrich von Stephan zurück geht, der damit auch die Technikbegeisterung seiner Zeit reflektierte. In dem Neorenaissance-Bau wurden um 1900 historische und aktuelle Zeugnisse der Post- und Verkehrsgeschichte einschließlich Einrichtungen von Poststationen, Briefkästen und natürlich Postwertzeichen, Briefe, Formulare und ähnliches einem "anständig gekleideten Publikum" gezeigt. Damit war das Berliner Postmuseum weltweit die erste Einrichtung dieser Art.

Kaiser Wilhelm II., der sich oberster Kunstwart des Deutschen Reiches empfand und die Entwürfe zu solchen Staatsbauten beurteilen musste, bescheinigte dem Museumsbau einen "reinen und einfach würdigen Styl". Im Zweiten Weltkrieg stark zerstört, entging das Museum dem Abriss, dem zahlreiche andere Kriegsruinen im Ost- und Westteil Berlins zum Opfer fielen, wurde aber nach dem Wiederaufbau als DDR-Postmuseum genutzt. Dabei hat man das Innere weitgehend seines üppigen Zierrats beraubt, was einem Trend zur stilistischen "Bereinigung" historischer Bauten und vor allem der Kaiserzeit entsprach. Seit den achtziger Jahren haben Restauratoren den historischen Zustand außen und innen nach und nach rekonstruiert. So tragen die nach einem kleinen Modell aus Kupferblech neu geschaffenen Giganten auf der Attika wieder die Erdkugel auf den Schultern und symbolisieren damit weltumspannende Verkehrs- und Kommunikationsverbindungen. Im repräsentativen Lichthof wurden nach Befunden, Zeichnungen und Fotografien die alten Säulen, Gesimse, Stuckaturen und Reliefs rekonstruiert, während man auf die Wiederherstellung der Türme auf dem Dach aus Kostengründen verzichtete.

Denkmal des Museumsgründers ging verloren

Im Lichthof über dem Kellergeschoß bewegen sich Roboter über den in den deutschen Reichsfarben schwarz, weiß und rot gehaltenen Fußboden, und auf den Galerien sowie in den angrenzenden Schauräumen kann man sich in Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Kommunikation vertiefen. Von den obersten Galerien schauen überlebensgroße Figuren in den Hof, die lange verschollen waren. Die Postbedienstete aus dunkelrotem Kupferblech, unter ihnen ein Postillon, ein Telegrafist und ein Mann, der Kabel verlegt, wurden nach kleinen Vorlagen neu geschaffen. Neben Wappendarstellungen und allegorischen Figuren wurden "exotische" Köpfe im Deckenbereich wiederhergestellt. Sie symbolisieren jene Erdteile, mit denen das Deutsche Reich vor über einhundert Jahren als Kolonial- und Wirtschaftsmacht durch Bahnlinien und Kabel verbunden war. Verloren sind das Denkmal des Museumsgründers Heinrich von Stephan im Mittelpunkt des Lichthofs und die Büste seines kaiserlichen Gönners Wilhelm II. Das gilt auch für die historische Deckenmalereien und das bunte Glasdach, die dem hell gestrichenen Vestibül ursprünglich eine einzigartige Färbung gegeben haben. Sonst aber wurde das Haus anhand erhaltener Reste weitgehend so wiederhergestellt, wie es zur Erbauungszeit aussah, allerdings ergänzt durch moderne Zutaten und zeitgemäße Ausstellungstechnik. Insgesamt kostete die Sanierung des Hauses 60 Millionen DM und die Einrichtung der Ausstellung 15 Millionen DM (ca. 30 bzw. 15 Millionen Euro), wobei keine öffentliche Mittel, sondern nur solche der Deutschen Post AG und der Deutschen Telekom von der Museumsstiftung Post und Telekommunikation eingesetzt wurden.

Die wegen der Lichtempfindlichkeit der Exponate stark abgedunkelte Schatzkammer im Kellergeschoss unter dem Lichthof bringen Philatelisten und solche, die es werden wollen, in Wallung bringt. Zu sehen sind besonders wertvolle und seltene historische Briefe sowie Postwertzeichen wie die Blaue Mauritius oder bundesdeutsche Olympiamarken, die offiziell nie ausgegeben wurden, sowie besonders kostbares technische Gerätschaften, die bei der Übertragung von Signalen aller Art eingesetzt waren. Eine Vitrine vor dem Eingang für die Schatzkammer ehrt Heinrich von Stephan, den Gründer des Museums. Sicherlich wären Postkarte und Paketkarte, Telefon und Telegrafie, einheitliche Posttarife, die Rohrpost und andere Errungenschaften auch ohne ihn eingeführt worden, doch war es seiner Energie und Zähigkeit zu danken, dass diese Errungenschaften schon frühzeitig im Deutschen Reich eine Chance bekamen und bald Allgemeingut auf allen Kontinenten wurden.

Brite knackt Code der Enigma

Neugierige Blicke zieht neben vielen anderen Exponaten die nach dem griechischen Wort für Rätsel benannte Schlüssel- oder Verschlüsselungsmaschine Enigma au sich. Während des Zweiten Weltkriegs spielte das Gerät in der militärischen Kommunikation des Deutschen Reiches, des diplomatischen Dienstes, der Polizei und den Sicherheitsdienste, der Reichspost, Reichsbahn und anderer Behörden eine bedeutende Rolle. Sie alle wussten nicht, dass es den Staaten der Anti-Hitler-Koalition gelungen war, die per Enigma verschickten Funksprüche zu entziffern und sich aus ihrer Kenntnis Vorteile bei der Planung und Durchführung militärischer und politischer Aktionen zu verschaffen. Das von dem Erfinder und Unternehmer Arthur Scherbius zum Patent angemeldete Gerät zeigt, wie man nach dem Ersten Weltkrieg versuchte, die bisherigen unsicheren und umständlichen Verschlüsselungstechniken durch bessere maschinelle Verfahren zu ersetzen. Bei der Vorbereitung der westalliierten Operation Overlord am so genannten D-Day, dem 6. Juni 1944, spielten entschlüsselte Enigma-Funksprüche eine herausragende Rolle, weil man wusste, wo sich die deutschen Gefechtsstellungen in der Normandie befinden.

Auch im Osten hatten sowjetische Codebrecher Erfolg, so dass die Rote Armee auch in Kenntnis der geheimen Pläne des Oberkommandos der Wehrmacht zielgerichtet und effektiv bis nach Berlin vorstoßen konnte. Entscheidenden Anteil an der Entschlüsselung der Enigma hatte der britische Mathematiker, Logiker und Informatiker Allan Turing. Mit den dabei gewonnenen Informationen konnte man Agentenberichte und weitere Informationen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen und Gegenmaßnahmen einleiten. So konnten die Alliierten unter anderem in der Schlacht im Atlantik im Wissen um die deutsche Strategie ihre Konvois an deutschen U-Booten vorbeisteuern. Außerdem half die Decodierung deutscher Botschaftsmeldungen den Alliierten dabei, ihre Angriffe effektiv auszurichten.

Bei der Regierung in Berlin, die die Bedeutung gut funktionierender Münz-, Verkehrs- und Postverhältnisse wohl zu schätzen wusste, besaß der technikbegeisterte Stephan großes Ansehen. 1870 zum Generalpostmeister des Norddeutschen Bundes ernannt, wurde der emsige Beamte schon sechs Jahre später, nach der Verschmelzung des Reichstelegrafenwesens mit der Reichspost, zum Generalpostmeister befördert, ein Titel, der schon bald in die Bezeichnung Staatssekretär des Reichspostamtes umgewandelt wurde. 1885 verlieh Kaiser Wilhelm I. dem bürgerlich geborenen Stephan den Adelstitel. Der Staatsminister mühte sich um Verständlichkeit im behördlichen Sprachverkehr und erließ 1875 nicht weniger als 671 Verdeutschungen im Postwesen. Zu nennen sind Briefumschlag statt Couvert, Einschreiben statt Recommandé, Postkarte statt Correspondenzkarte, postlagernd statt Poste restante, Nachnahme Remboursement oder Einlieferungsschein statt Récépissé'. Zu den vielen Ehrungen, die Heinrich von Stephan erhielt, gehört auch die Ehrenmitgliedschaft im Allgemeinen Deutschen Sprachverein.

Am 7. Januar 1831 im pommerschen Stolp geboren, hatte sich der wissbegierige, sprachbegabte Sohn eines Schneidermeisters von ganz unten hoch gearbeitet. Nach "vorzüglich" bestandener Reifeprüfung arbeitete er 1847 als Schreiber im Postbüro seiner Heimatstadt und sammelte in den folgenden Jahren in diesem Metier Erfahrungen in Marienburg, Danzig, Magdeburg, Köln, Frankfurt (Oder) und Potsdam. 1859 wechselte Stephan ins Generalpostamt nach Berlin. Obwohl er schon 1865 das "Postblatt" entwickelt hatte, dauerte es noch fünf Jahre, bis der rechteckige Karton mit aufgedrucktem Postwertzeichen zu einem halben Silbergroschen auf der Vorderseite und Raum für Mitteilungen auf der Rückseite als "Correspondenzkarte" ausgegeben wurde und schon bald ihren Siegeszug in alle Welt antrat. Noch vor der Gründung des Kaiserreiches im Jahr 1871 sorgte Stephan für die Ablösung der 350 Jahre alten Thurn und Taxis'schen Postverwaltung. Er war auch dabei, als über die Überwindung von Binnen- und Außengrenzen, die Vereinheitlichung von Münzen, Maßen und Gewichten, von Zöllen, Post- und Transporttarifen verhandelt wurde.

Internationale Verträge helfen Grenzen zu überwinden

Der Chef der preußischen und deutschen Postverwaltung forderte im Interesse der Entwicklung von Handel, Wirtschaft und Gedankenaustausch die Überwindung postalischer Schranken. "Die Taxen müssen möglichst billig, einfach, leicht anwendbar und dem Publikum verbindlich sein und im richtigen Verhältnis zur Leistung (der Post) stehen", verlangte er. Die Vereinheitlichung des Postwesens im Norddeutschen Bund mit der Einführung der Briefgebühr von einem Silbergroschen und einheitlichen Gebühren für den Paket-, Geld- und Zeitungsverkehr diente als Modell für die Vereinheitlichung der Landesposten. In ländlichen Bereichen wurde das übliche Briefzustellgeld abgeschafft, statt dessen richtete Stephan Poststellen ein, die den Zustellverkehr erheblich vereinfachten. Außerdem wurde der Post die traditionelle Personenbeförderung abgenommen.

Unter Stephans Federführung wurde 1873 in Berlin der Entwurf eines internationalen Postvertrags ausgearbeitet, der deutsche Erfahrungen im Postverkehr mit Österreich, Dänemark, Spanien und anderen Ländern nutzte. Wichtig war die Einführung international geltender einheitlicher Posttarife für Briefe, Drucksachen, Warenproben und Geschäftspapiere. Klarheit, Übersichtlichkeit und vor allem niedrige Preise waren in Stephans Verständnis Voraussetzungen, um Handel und Verkehr wirkungsvolle Impulse zu vermitteln. Um den Eindruck zu vermeiden, das kaiserliche Deutschland sei Vormund anderer Staaten, wurde der von Stephan vorbereitete internationale Postkongress nicht in Berlin, sondern im schweizerischen Bern veranstaltet. Am 9. Oktober 1874 konnte der "Allgemeine Postvertrag" unterzeichnet werden. 1878 gaben sich die mittlerweile 33 Mitgliedsstaaten den Namen Weltpostverein, und der Allgemeine Postvereins-Vertrag hieß von nun an "Weltpostvertrag".

28. Mai 2018

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