"Triumph des Willens"
Nachlass der Filmregisseurin Leni Riefenstahl wurde der Stiftung Preußischer Kulturbesitz übergeben



Die ungewöhnlich expressive Art, Filme zu machen, verschaffte der Regisseurin Leni Riefenstahl großes Ansehen. Zeit ihres Lebens stritt sie ab, mit ihrer Kunst die Nazidiktatur legitimiert und Hitler verherrlicht zu haben. Das Foto zeigt sie beim Dreh des Olympiadefilms von 1936.



Für ihren Parteitagsfilm "Triumph de Willens" und weitere Streifen wurde die Regisseurin mit Preisen und Vergünstigungen überschüttet. Das NS-Parteiorgan "Völkischer Beobachter" urteilte am 29. März 1935 über den Streifen: "Mit diesem von Leni Riefenstahl und ihren ausgezeichneten Mitarbeitern geschaffenen Werk haben wir den Standardfilm der nationalsozialistische Bewegung. Die Seele des Nationalsozialismus wird in diesem Film lebendig."







Die aus einer Weddinger Handwerkerfamilie stammende Leni Riefenstahl brachte es in der männerdominierten Naziwelt zu großem Ansehen. Der filmbegeisterte Hitler und sein Propagandachef Goebbels sorgten dafür, dass ihre Arbeiten bis in den letzten Winkel des Deutschen Reichs ehrfürchtig betrachtet werden.



Sich selber sah die Künstlerin als verfolgte Unschuld. Beim Spruchkammerverfahren in Berlin wurde sie lediglich als Mitläuferin eingestuft. Viele Sequenzen aus ihren Filmen sind heute in Dokumentationen über die NS-Zeit zu sehen, ohne dass die Herkunft extra vermerkt wird. (Repros: Caspar)

Versehen mit zahlreichen Aufnahmen vom Nürnberger NSDAP-Parteitag 1934 ist der Dokumentarfilm "Triumph des Willens" einer der wichtigsten Streifen der Filmregisseurin und Schauspielerin Leni Riefenstahl. Propagandaminister Goebbels hielt sie für eine Frau, die weiß was sie will. Hitler war an dem Film und weiteren von ihr gedrehten Streifen interessiert und bewunderte die neuartige Art und Weise, wie er und seine Gefolgsleute mit ungewohnten Aufnahmen ausn der Nähe und der Ferne sowie von oben bei der "Heerschau über seine Getreuen" in Szene gesetzt werden, wie es im Prolog heißt. Die von Richard Wagner bis zum Horst-Wessel-Lied, der Hymne der Nationalsozialisten, reichende musikalische Untermalung, die Jubelstürme der braun uniformierten Massen und die Fackelzüge, aber auch die raschen Bildmontagen verstärkten die Wirkung des Streifens, der auch heute über seinen politisch zweifelhaften Wert hinaus als Pionierleistung des damals noch jungen Genres gilt. "Triumph des Willens" beeinflusste nach 1945 Spiel- und Dokumentarfilme sowie die Filmwerbung.

Leni Riefenstahl gewann mit ihrer Arbeit im Deutschen Reich, aber auch im Ausland mehrere Preise und erhielt für sie während der Weltausstellung von 1937 in Paris eine Goldmedaille. Ihre Hommage an Hitler und die Nazipartei und weitere Filme dieser Art zeigten nicht die blutige, von Pogromen und Mordaktionen geprägte Realität im Deutschen Reich unter Hitler, Goebbels, Göring und Himmler, sondern gaukelte den Zuschauern eine Volksgemeinschaft vor, die sich jubelnd um den Führer schart und begeistert seinen Befehlen folgt. Selbstverständlich wurden die Gleichschaltung des öffentlichen Lebens und der Medien, die inneren Spannungen im Deutschen Reich und der Terror der Justiz und Sicherheitsorgane ausgeklammert, von der Verfolgung und Ermordung der Juden, Sinti und Roma sowie anderer ins "völkische" Weltbild der Nazis nicht passende Gruppen gar nicht zu reden. Zeit ihres langes Lebens verteidigte Leni Riefenstahl "Triumph des Willens" als "einen Dokumentarfilm von einem Parteitag, mehr nicht. Das hat nichts zu tun mit Politik. Ich habe versucht, die Atmosphäre, die da war, durch Bilder auszudrücken und nicht durch einen gesprochenen Kommentar. Die Bilder mussten das sagen können, was man sonst spricht. Aber deswegen ist es doch keine Propaganda."

Über allem der Führer!

Leni Riefenstahl war eine der bedeutendsten aber auch umstrittensten Künstlerinnen der deutschen Film- und Fotogeschichte. Als Tänzerin, Schauspielerin, Filmemacherin und Fotografin feierte sie große Erfolge. Als Lieblingsregisseurin von Hitler und seines Propagandaministers Joseph Goebbels hatte sie unmittelbaren Zugang zur NS-Führung. Als kreative und innovative Bilderfinderin bewundert und geschätzt, wurde Leni Riefenstahl nach dem Ende der NS-Diktatur vorgeworfen, dass sie ihr künstlerisches Können ohne Wenn und Aber in den Dienst nationalsozialistischer Propaganda gestellt und keinen Gedanken daran verschwendet hat, welchen Verbrechern sie mit ihrem Schaffen dient. Stets und ständig behauptete die Starregisseurin, nur der Kunst gedient zu haben. Dabei beschrieb sie in einem Buch über die Entstehung von "Triumph des Willens", wie sie Hitlers Auftrag erfüllte. Ihr sei es darum gegangen, "die unvergesslichen Tage aus der Erinnerung und der unsagbar beglückenden Vorstellungswelt heraus gleichsam in ein neues Tageslicht zu stellen; das nur noch der gedruckten Überlieferung anvertraute Wort des Führers und seiner Getreuen wird noch einmal geboren... Über allem der Führer!"

Bis zu ihrem Tod als gefeierte Fotografin tätig, gab sie sich als verfolgte Unschuld aus und ging gegen jeden vor, der sie als willige Helferin des Naziregimes bezeichnete. Bei ihrer Selbstverteidigung konnte sie sich auf ein wohlwollendes Spruchkammerverfahren berufen, das sie lediglich als "Mitläuferin" einstufte und damit von Schuld entlastete. Dass sie nie Parteimitglied war, hat sie als Argument für eine Art Neutralität in einer Zeit gewertet, wo unbedingte Loyalität gegenüber den Mächtigen verlangt wird. All das wird sicher noch genauer geklärt, wenn erst das Riefenstahl-Archiv geöffnet ist.

Die Verstrickungen der Regisseurin mit dem NS-Regime verhinderten einen Neustart nach dem Krieg, der anderen Kunst- und Filmschaffenden und weiteren Personen durchaus gelang. So kam es, dass sie ihren während des Kriegs gedrehten Film "Tiefland" nach der gleichnamigen Oper aus dem Jahr 1903 von Eugen d'Albert und Rudolf Lothar erst 1954 fertig stellen konnte. Riefenstahl übernahm die weibliche Hauptrolle und fungierte als Regisseurin, Koproduzentin sowie Drehbuchautorin. Da die Außenaufnahmen nach dem Einmarsch italienischer Truppen in Südfrankreich nicht in den Pyrenäen gedreht werden konnten, wurde der Drehort in das Deutsche Reich verlegt. Um ihrem Film Authentizität zu verleihen, besetzte Riefenstahl die Komparsenrollen mit südländisch aussehenden Sinti und Roma, die aus den Zwangslagern Salzburg und Berlin-Marzahn rekrutiert worden waren. Nach Abschluss der Dreharbeiten wurden die von den Nazis als rassisch minderwertig und durchweg kriminell eingestuften Menschen ins "Zigeunerlager Auschwitz" deportiert, wo die meisten von ihnen ums Leben kamen. Mit ihrem Schicksal wollte Riefenstahl nichts zu tun gehabt haben.

Zeit- und Filmgeschichte in 700 Kartons

Der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurde jetzt der in 700 Kartons verstaute Nachlass der Leni Riefenstahl übereignet. Er enthält umfangreiche Fotografie- und Filmbestände, Manuskripte, Briefe, Akten und Dokumente. Hinzu kommen zahlreiche von der 2003 im Alter von 101 Jahren verstorbenen Regisseurin gesammelte Presseausschnitte und Bücher. Dieser einzigartige Bestand wird von der Berliner Kunstbibliothek und der Staatsbibliothek aufgearbeitet und soll eines Tages auch publiziert werden. "Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat mit dem Nachlass von Leni Riefenstahl nicht nur ein bahnbrechendes ästhetisches Werk übernommen, sondern auch eine besondere Verantwortung für die kritische Auseinandersetzung mit dieser streitbaren Person der Zeitgeschichte. Gerade auch die Rolle von Leni Riefenstahl im Nationalsozialismus wird bei der Aufarbeitung des Nachlasses von zentraler Bedeutung sein", sagt Stiftungspräsident Hermann Parzinger.

Nach dem Tod von Leni Riefenstahls Ehemann Horst Kettner im Dezember 2016 wurde die ehemalige Sekretärin der Filmemacherin und Fotografin, Gisela Jahn, Alleinerbin. Sie entschied, den gesamten Nachlass der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zu schenken. Es sei der Wunsch der Erbin gewesen, den Nachlass in Berlin, Leni Riefenstahls Geburtsstadt, aufbewahrt zu wissen, so Stiftungschef Parzinger. Die von ihm geleitete Institution biete mit ihren Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungseinrichtungen hervorragende Voraussetzungen für die Bewahrung und Erschließung dieses komplexen Nachlasses.

Gut betreut in der Staatsbibliothek

Die Archivbestände reichen bis in die 1920er Jahre zurück und scheinen vor allem für die Nachkriegszeit komplett zu sein. Mit der Übernahme aus dem Haus Leni Riefenstahls in Pöcking am Starnberger See und dem Abschluss des Schenkungsvertrages soll das Konvolut in den kommenden Monaten gesichtet und geordnet werden. Für die Erfassung und Erschließung des Nachlasses will die Preußenstiftung Drittmittel beschaffen und ein interdisziplinäres Forschungs- und Archivteam zusammenstellen. Für den Bereich Film will die Preußenstiftung mit der Stiftung Deutsche Kinemathek zusammenarbeiten. Die Korrespondenzen, Tagebücher und Manuskripte sollen von der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin betreut werden, in der heute über tausend Nachlässe aus fünf Jahrhunderten von Persönlichkeiten aus allen Bereichen des geistigen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens aufbewahrt und erschlossen werden. Des weiteren wird der fotografische Bestand von der Sammlung Fotografie der Kunstbibliothek betreut und erschlossen, die im Museum für Fotografie am Berliner Bahnhof Zoo untergebracht ist.

Im Filmmuseum wird seit 2004 auch das Werk Helmut Newtons gezeigt, mit dem Leni Riefenstahl in ihren späten Lebensjahren eng befreundet war. Die Dauerausstellung "Private Property" dokumentiert diese Beziehung mit Briefen und Büchern von Leni Riefenstahl, während sich Briefe von Newton in ihrem Archiv befinden. Das Museum für Fotografie hat sich in den letzten Jahren zu einem lebendigen Ort für die Auseinandersetzung mit der Geschichte und Gegenwart der Fotografie entwickelt. Über 30 Ausstellungen haben die Rolle der Fotografie in Kunst, Presse, Wissenschaft, Geschichte zum Thema gehabt. Mit dem Pressebildarchiv Willy Römer und weiteren Nachlässen bedeutender Fotografen wurde die 150 Jahre alte Sammlung seit 2004 erheblich erweitert. Die kommerziellen Verwertungsrechte wurden von Gisela Jahn der Firma La Tresor Kreativhandel GmbH von Holger Roost-Macías übertragen, die digitale Einzelbildverwertung übernimmt die bpk-Bildagentur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.

15. Februar 2018

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