Antikes Weltwunder im Wartestand
Umbau des Pergamonmuseums wird teurer als geplant, in der Zwischenzeit kann man den Altar auf einem Panoramagemälde bewundern



Die für das Pergamonpanorama bestimmte Rotunde wartet auf die Eröffnung, zur Zeit werden letzte Handgriffe auf der Baustelle vorgenommen.



Mit dem vierten Flügel vorn am Kupfergraben soll der Rundgang durch das Pergamonmuseum geschlossen werden. Die Brücke über den Kupfergraben und der Innenhof können von Besuchern nicht betreten werden.





Bereits 2011 und 2012 war das von Yadegar Asisi und seinen Helfern geschaffene Pergamonpanorama im Ehrenhof des Pergamonmuseums zu sehen.



Wer den Pergamonaltar und weitere Hinterlassenschaften antiker Völker betrachten möchte, muss wegen der sehr aufwändigen Sanierungsarbeiten noch ein paar Jahre warten. (Fotos: Caspar)

Die Berliner und nicht nur sie kennen es nicht anders: Welches Bauprojekt von einiger Bedeutung man auch nimmt, die Ausführung dauert länger und wird teurer als geplant. Mal ist es der schwankende Untergrund, der massiv stabilisiert werden muss, mal sind es versteckte Bau- und Materialschäden, mal sind es Firmen, die in Insolvenz gehen, weshalb neue Ausschreibungen und Umplanungen nötig sind. Meistens fallen alle Misshelligkeiten zusammen, und immer steigen die Kosten ins Unermessliche. Aktuell wird für den Flughafen Berlin-Brandenburg draußen in Schönefeld eine weitere Milliarde Euro benötigt, und wenn er denn im Herbst 2020 eröffnet wird, dann hat er statt der geplanten zwei Milliarden unverschämt hohe sieben Milliarden Euro gekostet. Weitere Beispiele für die Überschreitung des Finanz- und Terminrahmens sind die am 3. Oktober 2017 eröffnete Staatsoper Unter den Linden, die Staatsbibliothek sowie die James Simon Galerie auf der Museumsinsel und jetzt auch das benachbarte Pergamonmuseum.

Hermann Parzinger, der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, hat wegen der Kostenexplosion beim Pergamonmuseum das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung kritisiert. Die Stiftung sei "gelinde gesagt schockiert" gewesen, als sie von dem für das Baugeschehen verantwortlichen Bundesamt und dem Bundesbauministerium über die enormen Kostensteigerungen und Bauverzögerungen informiert wurde. Man erwarte vom Bundesamt "deutlich verbesserte Vorsorgeuntersuchungen erheblich optimierte Zwischenkontrollen", um künftig ähnliche Fehlentwicklungen zu vermeiden. Die Kritik betrifft die Voraussage, dass der erste Sanierungsabschnitt des Pergamonmuseums statt 261 Millionen bis zu 477 Millionen Euro kosten wird. Statt der geplanten Wiedereröffnung 2018 wird jetzt das Jahr 2023 genannt.

Interimsbau und Panorama

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist für die fünf Häuser auf der Museumsinsel verantwortlich, hinzu kommt die gerade im Bau befindliche James Simon Galerie als Entree für das Gebäudeensemble. Die aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert stammenden Gebäude wurden im Zweiten Weltkrieg durch Bomben schwer getroffen und danach mit Ausnahme des Neuen Museums wieder aufgebaut, so gut es in DDR-Zeiten ging. Das nach der Wiedervereinigung begonnene Sanierungsprogramm "Masterplan Museumsinsel" ist bis auf das Pergamonmuseum geschafft. Die Umbaupläne für das 1930, zur Hundertjahrfeier der Königlichen, ab 1918 Staatlichen Museen, eröffnete Gebäude sehen vor, dass das bisher dreiflügelige Pergamonmuseum einen vierten Flügel vorn am Kupfergraben erhält, um einen ungestörten Rundgang durch die Architektur. Und Kunstgeschichte zu ermöglichen. Dieser vierte Säulengang war bereits von Alfred Messel geplant, aber nie ausgeführt worden.

Kenner der Szene werfen der Preußenstiftung vor, sie hätte von den Problemen beim Umbau und der Sanierung des Pergamonmuseum kennen müssen. Unter dem Eindruck massiver Kritik an der Stiftung und weil Verzögerungen beim Umbau des Saals mit dem antiken Pergamonaltar und weiterer Räume für die Berliner Museumslandschaft unzumutbar sind, haben die Staatlichen Museen auf dem ehemaligen Kasernengelände gegenüber dem Bodemuseum eine Interimausstellung mit Skulpturen aus Pergamon und Gipsabgüssen der in die Wände eingelassenen Reliefs vom Altar erbaut. Wer an dem Bau vorbei kommt, sieht, dass nur noch Restarbeiten zu absolvieren sind. Nach der Eröffnung wird an dieser Stelle mit neuen Bildern berichtet. In der mächtigen Rotunde, die einem alten Gasometer nicht unähnlich ist, soll ein von Yadegar Asisi geschaffenes Panoramagemälde in einer Rotunde den Besuchern eine Vorstellung vom Leben im antiken Pergamon vermitteln. Das im Innenbereich aufgespannte Wandbild fand bereits 2011 und 2012 im Ehrenhof des Pergamonmuseums großen Zuspruch. Es ist 25 Meter hoch, 103 Meter lang und besteht es aus zahllosen farbigen Einzelbildern, die Asisi in Zusammenarbeit mit Archäologen zu einer einzigartigen Gesamtschau zusammengesetzt hat. Das Panoramabild schildert das Leben in Pergamon um das Jahr 129 nach Christus und bildet mit den steinernen Hinterlassenschaften von dort eine Einheit. Die neue Ausstellung soll nach dem Willen der Staatlichen Museen zu Berlin die Besucher ein wenig darüber trösten, dass sie weitere Jahre die im Pergamonmuseum wegen der Bauarbeiten ausgelagerten Hinterlassenschaften der Griechen und Römer sowie vorderasiatischer und weiterer Völkerschaften nicht sehen können.

Götter-, Herrscher- und Kriegerstatuen, Münzen und andere Exponate erinnern daran, dass Pergamon im 3. und 2. Jahrhundert vor Christus die Metropole eines mächtigen Reiches war, das große Teile der heutigen Türkei umfasste. Die Königsdynastie der Attaliden hatte den Ehrgeiz, Pergamon, das heutige Bergama, zu einem zweiten Athen zu machen. Mit seinen Marmorbauten und Siegesdenkmälern konkurrierte die Stadt mit Athen, dem damals vielgerühmten Machtzentrum der antiken Welt. Die besten Bildhauer ihrer Zeit waren den Königen von Pergamon zu Diensten. Die letzten Attaliden überließen ihr Reich den Römern, die nach einer Phase der Stagnation Pergamon, der Hauptstadt der Provinz Asia, zu neuem Glanz verhalfen. Nach dem Ende des Römischen Reiches versank Pergamon in einen Dornröschenschlaf. Die großartigen Bauten und Figuren aus Marmor wurden in nachrömischer Zeit von den Bewohnern in kleine Stücke zerschlagen und als Baumaterial verwendet. Als der Archäologe Carl Humann im 19. Jahrhundert den Burgberg von Bergama untersuchte, erkannte er, dass im Erdreich spektakuläre Kunstwerke liegen. Bis heute graben deutsche und türkische Archäologen Reste des antiken Pergamon aus.

Weltwunder unterm Schutthügel

Als der deutsche Vermessungsingenieur Carl Humann im Auftrag der türkischen Regierung nach Bergama, in das antike Pergamon in Nordwestkleinasien kam, sah er ein Schuttfeld, das von Rasen und Buschwerk bedeckt und von Mauerzügen durchsetzt war. Traurigkeit habe ihn angesichts der kläglichen Reste dieses, wie er schrieb, "stolzen uneinnehmbaren Herrschersitzes der Attaliden" erfasst, berichtet Humann nach Berlin. Er verlegte, von Entdeckerfieber gepackt, seinen Wohnsitz nach Bergama, sorgte für den Schutz der auf der Erdoberfläche verstreuten Altertümer. Er machte die Königlichen Museen in Berlin auf die Fundstücke aufmerksam und übersandte ihnen zwei Reliefs, die "einem durchlaufenden Fries angehört haben, der einen Kampf zwischen Männern darstellte." Der Fries könne nur einem sehr bedeutenden Bauwerk angehört haben, war Humann überzeugt. Die nach Berlin transportierten Skulpturen und Architekturfragmente erregten großes Aufsehen. Sie wurden in einem ihnen gewidmeten Museum auf der Museumsinsel aufgestellt, das aber schon bald wegen Baumängeln abgerissen. Von 1910 bis 1930 nach Plänen von Alfred Messel das heutige Pergamonmuseum erbaut. Endlich konnten die Reliefs in einem riesigen Saal mit steil ansteigender Treppe ihrer Bedeutung angemessen präsentiert werden.

Kaum bekannt ist, dass die die besten Stücke der Ausgrabungen auf dem Burgberg von Pergamon unter Ausnutzung nicht ganz klar formulierter Vertragsbestimmungen an die Spree kamen. Kaum waren die ersten Stücke vom Pergamonaltar entdeckt, wurde darüber spekuliert, ob die Relikte zum Pergamonaltar gehören. Der Direktor der Skulpturensammlung, Alexander Conze, bat Humann weiter zu graben und neue Stücke nach Berlin zu schicken. Zugleich wurden auf diplomatischen Weg Fühler zur türkischen Regierung ausgestreckt, um eine reguläre Ausgrabungslizenz zu erhalten. Da die kaiserliche Regierung in Berlin gute Beziehungen zur Pforte, also zum Hof des Sultans, unterhielt und Humann dort auch kein Unbekannter war, erteilte der türkische Unterrichtsminister Munif Effendi dem deutschen Konsul in Smyrna die Erlaubnis. Das war im Jahre 1878, 14 Jahre nach Humanns erstem Besuch in Bergama.

Ganz umsonst war die Lizenz nicht zu bekommen. Sie wurde gegen Zahlung von drei türkischen Gold-Pfunden und Erstattung aller Unkosten für ein Jahr erteilt. Alles, was an "Antiquitäten" gefunden wurde, sollte in einem speziellen Buch fixiert und gegen fremden Zugriff gesichert werden. Sorgsam wurden die tonnenschweren Brocken von dem antiken Weltwunder verpackt und nach Berlin geschafft. Dank geschickter Auswahl der Relikte wurden vor allem die künstlerisch wertvollen Teile verschifft, während die ebenfalls aus Marmor bestehenden, weniger interessanten Architekturgliederungen, Säulen und Kleinfunde am Ort blieben. Damit war dem türkischen Ausgrabungsgesetz Genüge getan, und Humann konnte die Preziosen seiner in drei Kampagnen zwischen 1878 und 1886 veranstalteten Grabungen ungestört ausführen. Obwohl der Burgberg von Pergamon noch längst nicht erforscht ist, rechnen Fachleute nicht mehr mit archäologischen Sensationen. Sollte das eine oder andere Figurenstück dennoch ans Tageslicht kommen, weil der Burgberg immer noch nicht vollständig ausgegraben ist, bleibt es in Bergama. Eine Bronzemünze aus der römischen Kaiserzeit bildet den mit reichem Figurenschmuck und ganz oben mit einem Baldachin versehenen Pergamonaltar ab. Geprägt zwischen 193 und 211 nach Christus und versehen mit dem Doppelbildnis des Septimius Severus und der Iulia Domna, ist das Geldstück die einzige antike Darstellung, die von dem berühmten Siegesmonument überliefert ist.

Kampf der Götter und Giganten

Die von Carl Humann und weiteren Spezialisten freigelegten Funde von Pergamon gehören zu einem Siegesmonument, das der pergamenische Königs Eumenes II. (197-159 vor Christus) zur Erinnerung an seinen Kampf gegen die Galather errichten ließ. Dargestellt ist in dramatischen Szenen das Ringen der Götter und mit furchterregenden Giganten. Solche Szenen, die die Auseinandersetzungen zwischen Göttern und Menschen um die Herrschaft auf der Erde symbolisieren, waren im alten Griechenland beliebt und verbreitet. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Götter- und Gigantenfries sicherheitshalber abgebaut und eingelagert. Die Rote Armee nahm ihn als "Beutekunst" in die Sowjetunion mit. 1958 wurden die schweren Kisten an die DDR zurückgegeben. Damals hatte man keine Zeit, den Zustand des in Einzelstücke zerlegten Bildwerkes zu prüfen und schon gar nicht zu restaurieren. Weil man das nach den Kriegsschäden notdürftig reparierte Pergamonmuseum und den Altar 1959 zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR unter dem Moto "Der Menschheit bewahrt" unbedingt der Öffentlichkeit präsentieren wollte, wurden die Platten in grau gestrichene Betonwände eingefügt. Erst die Vereinigung der Staatlichen Museen zu Berlin West und Ost (1990) ermöglichte eine umfassende Bestandsaufnahme der Schäden sowie die Reinigung und Konservierung des empfindlichen Kunstwerks, das eindeutig zu "dem" Besuchermagneten auf der Berliner Museumsinsel ist und hoffentlich nach Ende der langwierigen und teuren Umbau- und Sanierungsarbeiten im Pergamonmuseum wieder sein wird.

8. Januar 2018

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