"Donnerwetter - tadellos"
Hoffriseur François Haby nutzte seine guten Beziehungen zu Kaiser Wilhelm II. für Reklamezwecke und ließ sich seine Erzeugnisse patentieren



Reste der kostbaren Ausstattung des Salons von François Haby können im Märkischen Museum am Köllnischen Park in Berlin betrachtet und bewundert werden.



Das Satireblatt "Simplicissimus" schlug amüsiert vor, das Bildnis der Germania auf Briefmarken durch das von Haby mit seinem berühmten "Es ist erreicht"-Bart auszutauschen.







Reklameschilder, Bart- und andere Tassen sowie Utensilien der Friseure von damals gehörten zur Ausstattung eines Salons, in dem auch Rasierseife und -messer, Parfüms, Pomaden und andere Dinge verkauft wurden, die der "Mann von Welt" so brauchte.



Beim Erfinden von Werbesprüchen war Haby sehr kreativ. Die goldverzierte Tasse verspricht, dass man beim Trinken aus ihr keinen Ärger mit seinem Bart bekommt.

Bei einem Besuch des zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehörenden Märkischen Museums am Köllnischen Park kann man einen besonders edel gestalteten Friseursalon aus der Kaiserzeit kennenlernen. Wer im alten Berlin auf sich hielt, begab sich in die flinken Hände von Hoffriseur François Haby. Wenn sich der Coiffeur von Kaiser Wilhelm II. verabschiedete, soll sich dieser zufrieden mit dem zum geflügelten Wort gewordenen Lob "Donnerwetter tadellos" gesagt haben. Habys Salon war Treffpunkt der "fashionablen Männerwelt", wie man damals sagte. Doch wurden hier auch Damen der besseren Gesellschaft verschönt. Man konnte sich bei Haby nicht nur die Haare schneiden und legen und den Bart stutzen, formen und zwirbeln lassen. Zu kaufen gab es auch Parfums, Puder und Pomaden sowie Scheren, Brenngeräte, Bürsten und Kämme. Ein besonderer Schlager waren die von Haby erfundenen Kaiser-Bartbinden, die sich der Mann von Welt des Nachts anlegte, um die gute Form seiner Gesichtsbehaarung zu schützen. Die Nennung Seiner Majestät als Referenz für Qualität der Arbeit und formvollendeten Umgang mit den Kunden war Haby wichtig, und so ließ er diese besondere Auszeichnung auf seinen Reklamen nicht unerwähnt.

Den aus einer hugenottischen Familie stammenden Haby könnte man einen Udo Walz der Kaiserzeit. Der Prominentenfriseur hatte sein Geschäft im Erdgeschoss des Domhotels an der Ecke Mittel-/Friedrichstraße gleich beim Bahnhof Friedrichstraße. Das war allerbeste Lage. Er hatte seinen Beruf von der Pieke auf gelernt und bezeichnete sich selber als Spezialist für Haar- und Bartpflege. Habys Laden umfasste zwölf Plätze für männliche und sieben für weibliche Kunden. Im Angebot waren über das übliche Schneiden, Waschen, Legen, Färben und Föhnen hinaus auch Hand- und Fußpflege, Gesichtsmassagen und sogar Höhensonne, denn um 1900 wurde es langsam schick, sich mit gebräunter Haut unter die Menschen zu begeben. Außerdem standen in Habys Unternehmen Spezialisten für Haarersatz "in bester Vollendung u. Qualität" zu Diensten. Der Friseur nutzte seine guten Kontakte zum Kaiserhof und zu Wilhelm II. persönlich, um für sich und sein Unternehmen zu werben. Um einen üppigen Bartwuchs zu bekommen, müsse man die eigens von ihm, dem Kaiserlichen und Königlichen Hoffriseur, erfundene Creme Barbalin anwenden, empfahl er seinen Kunden. Um sich vor Nachahmung zu schützen, ließ er seine Kollektionen patentieren, was einem Ritterschlag gleich kam.

Im Erfinden von Werbesprüchen wie "Es ist erreicht", "Wach auf" oder "Allen voraus" für Rasierseife sowie "Ich kann so nett sein" für Shampoo bekannt und reich geworden, konnte Haby sein Geschäft in der Mittelstraße, nicht weit von der Straße Unter den Linden entfernt, opulent und elegant einrichten. Dazu engagierte er den Jugendstildesigner Henry van de Velde, der nicht nur die edel geformten Holzmöbel und Frisiertische gestaltete, sondern auch alle im Salon gebrauchten Gefäße und Geräte, die in Vitrinen aus kostbarem Material feilgeboten wurden. Im Salon kontrastierten Waschbecken aus Marmor mit dunkelrotem Mahagonifurnier und einem violetten Wandfries. Ungewöhnlich war es für die damalige Zeit, dass Henry van de Velde im Einklang mit seinem Auftrageber die Wasser- und Gasrohre aus Messing nicht schamhaft versteckte, sondern sie stolz durch das Geschäft laufen ließ. Das soll dem Maler Max Liebermann, der bei Haby ein und aus gingt, zu einer bissigen Bemerkung veranlasst haben, niemand trage seine Gedärme wie eine Uhrkette mit sich herum.

François Haby organisierte seinen mitten im Berliner Vergnügungsviertel gelegenen Betrieb, zu dem eine kleine Fabrik für kosmetische Erzeugnisse gehörte, straff. Nachlässigkeiten seiner Angestellten wurden streng geahndet, Urlaub gab es nicht. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 54 Stunden, sie begann morgens um 8 und endete um 19 Uhr. An Sonn- und Feiertagen empfing der Salon seine Kundschaft etwas verkürzt. Der Lohn der Belegschaft war zeitüblich gering. Als Angestellte nach dem Ende der Kaiserzeit eine kleine Erhöhung erbaten, reagierte der Chef mit Kündigung.

Da sich in der Weimarer Zeit die Haar- und Bartmode änderte und die hochgezwirbelten Kaiser-Wilhelm-Bärte samt Bartbinden out waren, die anspruchsvolle Kundschaft ausblieb und Männer dazu übergingen, sich selber zu rasieren und überhaupt das Geld nicht mehr so locker saß wie vor dem Ersten Weltkrieg, gingen die Geschäfte des François Haby langsam zurück. Die Firma überstand mit ihrer formschönen Einrichtung im Wesentlichen den Zweiten Weltkrieg und konnte danach noch ein wenig von altem Ruhm zehren. Als das kriegsbeschädigte Gebäude, in dessen rückwärtigen Teilen sich der Friseursalon befand, 1964 abgerissen wurde, ließ die Bauakademie der DDR das Inventar auslagern. Teile kamen nach Weimar, Dresden sowie ins Märkische Museum, wo man zwei sorgsam restaurierte Arbeitsplätze samt Friseur-Utensilien bewundern kann.

Nachlesen kann man die Lebensgeschichte des François Haby und seines Unternehmens in dem lesenswerten Büchlein von Elisabeth Bartel ""Donnerwetter tadellos" - Kaiser, Hoffriseur und Männerbärte" aus dem zum Berliner Stadtmuseum gehörenden Verlag M. Der 3. Band der Reihe "Das Museum in der Tasche" hat 80 Seiten und 60 Abbildungen und kostet 6,90 Euro (ISBN 978-3-939254-14-0).

16. April 2018

Zurück zur Themenübersicht "Ausstellungen, Museen, Denkmalpflege"