S-Bahnmuseum zieht nach Lichtenberg
Dokumentation zur Berliner Verkehrsgeschichte will 2019 an neuem Standort mit besseren Öffnungszeiten starten



In Mauerzeiten war der in der Mitte und unterirdisch geteilte Bahnhof Friedrichstraße Sehnsuchtort von DDR-Bewohnern, die "nur mal so" oder ganz und gar in den Westen fahren wollten.



Reisende, so sie denn ein Visum besaßen, mussten erst den Tränenpalast passieren, um dann durch ein Labyrinth von unterirdischen Gängen zu den Bahnsteigen des Bahnhofs Friedrichstraße zu gelangen.



In alten Zeitungen wurden Fahrpläne und die Preise je nach Klasse der Elektrischen Hoch- und Untergrundbahn veröffentlicht.



Das Foto zeigt den Übergang vom Ringbahnhof Landsberger Allee zur gleichnamigen U-Bahn-Station. Das Gebäude vorn steht nicht mehr, dort befindet sich ein großes Einkaufszentrum.



Radikal verändert hat sich der Ostbahnhof, den man in DDR-Zeiten so schnell wie möglich hinter sich ließ, so gruselig und schmutzig war es hier.



Der Eingang zum U-Bahn-Museum befindet sich in der Empfangshalle des U-Bahnhof Olympiastadions. Geöffnet ist es jeweils am 2. Sonnabend im Monat zwischen 10.30 und 16 Uhr geöffnet. (Fotos/Repros: Caspar)

Das 1997 eingerichtete Berliner S-Bahnmuseum muss seinen bisherigen Standort im Bahnhof Griebnitzsee verlassen und startet neu im S-Bahnhof Lichtenberg. Hier wie dort wird geschildert, woher das "S" im Logo der Berliner Stadtbahn kommt, warum die Wagen rot-ocker gestrichen sind, wie sich das Streckennetz der Stadtbahn entwickelt hat und welche Auswirkungen der Bau der Mauer vom 13. August 1961 und ihr Fall 28 Jahre später auf den innerstädtischen Verkehr und das Leben im geteilten Berlin hatten. Ebenso wird der Frage nachgegangen, wie sich der Kalte Krieg auf die S-Bahn auswirkte, und wie es kam, dass die DDR-Reichsbahn beim "Klassenfeind" quer durch in Westberlin fuhr. Dargestellt wurde und wird dann auch in der neuen Ausstellung, welcher Anstrengungen es nach 1989/90 bedufte, das Streckennetz wieder zu komplettieren und auch die zum Teil stark heruntergekommenen Bahnhöfe für die Aufgaben des 21. Jahrhunderts zu ertüchtigen.

Der Umzug des S-Bahnmuseums von seinem Standort zwischen Berlin und Potsdam quer durch die Stadt in deren Ostteil wird nötig, weil die Deutsche Bahn die Räumlichkeiten für eigene Zwecke braucht. Da das ehrenamtlich betriebene und inzwischen geschlossene Museum im Bahnhof Griebnitzsee nur selten geöffnet werden konnte, war ihm nur eine geringe, aber stets sehr interessierte Besucherschar beschieden. Das soll sich ändern, wenn erst die neuen Räume im Obergeschoss des Bahnhofs Lichtenberg bezogen sein werden und an vier oder mehr Tagen in der Woche öffnen. Die neue Adresse hätte auch den Effekt, dass Interessenten an der Stadt- sowie S-Bahn- und Verkehrsgeschichte ihren Blick in den Bezirk Lichtenberg lenken werden und damit auch einem Wunsch des Senats und der Touristikbrache entsprechen, Sehenswürdigkeiten und Museen außerhalb der City aufzusuchen und diese damit auch ein wenig von überbordenden Besucherströmen zu entlasten.

Nach 28 Jahren der Teilung wurde Ende 1989 der Berliner S-Bahnring wieder durchgängig befahrbar, mal links herum, mal rechts herum. In Erinnerung sind übervolle Züge und Orientierungsschwierigkeiten der Fahrgäste, ja auch das man als Ostdeutscher eine Zeitlang nach Vorzeigen seines Ausweises umsonst fahren konnte. Was auf einer Einstunden-Fahrt auf der Ringbahn beiderseits der Gleise zu beobachten ist, was sich dort entwickelt und was am Ring mal stand und passierte, schildern Michael Bienert und Ralph Hoppe, von Station zu Station fahrend, in ihrem bei der Berlin-Edition erschienenen Band "Eine Stunde Stadt - Berliner Ringbahn-Reise" (311 S., zahlr. Abb., 19,90 Euro, ISDN 3-8148-0096-6). Die Autoren machen auf unterhaltsame Art mit Stadt- und Landesgeschichte des 20. Jahrhunderts bekannt, wobei die Kriegszerstörungen und die verheerenden Folgen des Mauerbaues auf das ausgeklügelte Berliner Verkehrswesen Schwerpunkte bilden. Die Gliederung des riesigen Stoffes nach Strecken und Bahnhöfen und die im Anhang abgedruckte weiterführende Literatur wird vielleicht den einen oder anderen Freak ermuntern, mit dem Buch in der Hand auf Entdeckungsreise zu gehen, womit ein Anliegen der Autoren, den eigenen Blick für interessante Bauten und Situationen zu schärfen, erfüllt würde.

Das mit historischen und aktuellen Fotos ausgestattete Buch enthält Anekdoten und feuilletonistische Ausflüge, vorgestellt werden Bahnhöfe und ihre Erbauer, und wenn ursprünglich nur an eine Art Stadtrundfahrt gedacht war, ist eine "halbe Weltreise" entstanden, wie die Autoren betonen. "Wir haben nicht eine Stadt gesehen, sondern viele Städte. Wir haben beobachtet, wie widersprüchliche Interessen einzelne Stadtquartiere geformt haben und formen. Der Ring symbolisiert die große Transformation Berlins von der überschaubaren Residenzstadt zur ausufernden Millionenmetropole. Seine Wiederherstellung macht das Werden und Wachsen der Stadt erfahrbarer. Die S-Bahn ist ein demokratisches Verkehrsmittel: Sie nimmt alle mit, ob arm oder reich. Deshalb sind auch in Zukunft alle möglichen Erscheinungsformen von Stadt längs der Ringbahn vorstellbar, ob Wohnen, Gewerbe, Handel, Kultur, Sport oder Erholung."

Als 1983 das elektromechanische Hebelstellwerk Olympia-Stadion geschlossen und durch ein Spurplanstellwerk ersetzt wurde, war der Abriss der alten Technik geplant. Den Bemühungen von Mitarbeitern ist zu verdanken, dass die Anlage als technisches Denkmal erkannt und anerkannt wurde. Durch Zusammenführung des Stellwerks mit der Sammlung des 2009 verstorbenen U-Bahn-Betriebsleiters Klaus Siepert entstand ein Museum, wie es in Europa einzigartig in seiner Vielfalt ist. Viele Gerätschaften funktionieren auch heute wie vor über 70 Jahren.

12. Februar 2018

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