Türken vor Wien
Das Deutsche Historische Museum zeigt interessante Zeugnisse aus dem späten 17. Jahrhundert



Der Gobelin im Besitz des Deutschen Historischen Museums zeigt das Getümmel beim Kampf der kaiserlichen Heere mit denen der Osmanen.



Gefangene Türken flehen um Gnade. Solche im Deutschen Historischen Museum ausgestellte, bunt bemalte Figuren sollten den Menschen die Angst vor den Osmanen nehmen.



Kaiser Leopold I. hatte Glück, sein Reich etablierte sich im ausgehenden 17. Jahrhundert zu einer europäischen Großmacht.



Die Medaille von 1683 feiert die Befreiung von Wien und die Vertreibung der durch einen Halbmond gekennzeichneten Türken.



Das Fünf-Mark-Stück von 1955 feiert Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, genannt Türkenlouis.



Zeugnis der Türkenmode in der Barockzeit ist Haus „Zum Arabischen Coffe Baum“ im Herzen von Leipzig. Das Relief über dem Eingang zeigt, wie ein Putto einem wohlhabenden Türken eine Schale mit dem neuen Modegetränk reicht. (Fotos: Caspar)

Mehrfach wurde das christliche Abendland von osmanischen Heeren bedroht. Sie hatten 1453 dem byzantinischen Kaiserreich ein Ende bereitet, machten sich Länder auf dem Balkan untertan und unternahmen immer wieder Vorstöße nach Westen. Beim ersten Türkenkrieg von 1529 kamen sie bis vor Wien, das Tor nach Europa, wie man sagte. Allerdings musste Sultan Suleiman I., der zuvor Ofen, das heutige Budapest erobert hatte, die Belagerung der Kaiserstadt vom 21. September bis 15. Oktober 1529 ergebnislos abbrechen. Er und seine Nachfolger zogen sich mit ihren Heeren zurück, blieben aber in Ungarn und machten sich das goldreiche Fürstentum Siebenbürgen und weitere Territorien untertan.

Als das türkische Heer unter dem Befehl des Großwesirs Kara Mustafa Pascha vom 14. Juli bis 12. September 1683 Wien erneut belagerte, bestand die Gefahr, dass es nach der Eroberung dieses "goldenen Apfels" weiter in das Innere Europas vordringt und sich die dort herrschenden Machtverhältnisse radikal verändern. Ihre Abwehr wurde von Kaiser Leopold I. zur nationalen Aufgabe erhoben. Er verstand es, bedeutende Kräfte zu seiner Unterstützung und zur Vertreibung der Türken zu mobilisieren.

Der Belagerung von Wien waren kriegerische Auseinandersetzungen in der zum polnischen Königreich gehörenden Ukraine vorangegangen, in denen mal die Polen, mal die Türken siegten. Ein 1676 zwischen beiden Parteien abgeschlossener Frieden hielt nicht lange, die sich auf weitere Waffengänge vorbereiteten. Das durch den Dreißigjährigen Krieg sowie durch Abwehrkämpfe gegen den eroberungslustigen französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. und eine Pestepidemie geschwächte Heilige Römische Reich deutscher Nation und sein kaiserliches Oberhaupt beobachteten mit Sorge das Herannahen der Türken. Kaiser Leopold I., König Jan III. Sobieski von Polen, Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern und Papst Innozenz XI. vereinbarten ein gegenseitiges Schutz- und Trutzbündnis, das die Stellung von Soldaten und im Falle des Papstes gewisse Geldzuwendungen festlegte.

Das Eindringen türkischer Heere vor Augen und in Erwartung großer Summen und Gnadenerweise eilten ausländische Truppen dem bedrängten Kaiser zu Hilfe. Dessen Aufwendungen waren nichts im Vergleich zu dem, was geschehen würde, wenn Wien fallen würde und der Weg für die Türken weiter nach Westen frei wäre. Die Belagerung der seit dem ersten Türkenkrieg durch starke Bastionen geschützten Kaiserstadt wurde dank des rechtzeitigen Erscheinens bayerischer, sächsischer und polnischer Hilfstruppen abgebrochen. Dabei spielte der Sieg der Verbündeten in der Schlacht am Kahlenberg am 12. September 1683 eine wichtige Rolle. Das türkische Heer setzte sich unter Zurücklassung von Waffen und Ausrüstungsgegenständen nach Ungarn ab, konnte aber von den vereinten Heeren weiter nach Osten abgedrängt werden.

Um eine neue Invasion zu verhindern, verbanden sich 1684 das Haus Habsburg, Polen und Venedig unter dem Protektorat des Papstes zu einer Heiligen Allianz. Zwei Jahre später trat Russland diesem Bündnis bei, denn auch dort lebte man in Angst vor den Türken. Nach mehreren Kriegszügen und Schlachten schlossen Kaiser und Reich am 26. Januar 1699 mit der Hohen Pforte, also dem Osmanischen Reich, den Frieden von Karlowitz, durch den Leopold I. der Besitz von großen Teilen des ungarischen Königreichs zugesichert wurde. Das kaiserliche Haus Habsburg hatte sich als europäische Großmacht etabliert. Da auch Brandenburg-Preußen an der Abwendung der türkischen Gefahr beteiligt war, legte Leopold I. dem brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. keine Steine in den Weg, als dieser den preußischen Königstitel anstrebte. Am 18. Januar 1701 setzte er sich als König Friedrich I. in Königsberg die neue preußische Königskrone aufs Haupt.

Zu den deutschen Feldherren, die im Krieg mit den Türken glänzten, gehörte Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, genannt Türkenlouis. Eine frühe Gedenkmünze der Bundesrepublik Deutschland von 1955 feiert den kaiserlichen Generalfeldmarschall als Retter des christlichen Europa vor der türkischen Gefahr. Ungeachtet der Furcht vor neuen Kriegen mit dem Osmanischen Reich wurde türkische Kunst und Kultur im christlichen Europa modern. Wer es sich leisten konnte, trank türkischen Kaffee und maskierte sich à la turque. Verschiedene am Krieg von 1683 und danach beteiligte Potentaten und Feldherren brachten türkische Waffen, Kleidungsstücke, Zelte und andere Hinterlassenschaften nach Hause. Im Deutschen Historischen Museum Unter den Linden in Berlin, in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, im Heeresgeschichtlichen Museum Wien und an anderen Orten sind Kostbarkeiten aus der Türkenbeute, wie man sagte, ausgestellt.

11. Januar 2018

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