Skelette, Waffen, Silberschätze
Bei der Schlacht von Wittstock 1636 wurden die Toten erst ausgeraubt und dann im Massengrab verscharrt



Das Museum des Dreißigjährigen Krieges wurde 1998 in der ehemaligen Bischofsburg zu Wittstock an der Dosse eröffnet und ist einzigartig in ganz Deutschland. Das Antikriegsmuseum schildert neben den Ursachen des Krieges auch die Leiden der Soldaten und der Zivilbevölkerung.



Im Brandenburger Paulikloster kann man die bei Ausgrabungen gefundene Hinterlassenschaften unserer Vorfahren betrachten und manches über deren Leben und Sterben erfahren.



So sah die Schlachtordnung bei Wittstock am 4. Oktober 1636 aus, die ehemalige Bischofstadt ist rechts oben ganz klein zu erkennen.



Wie es den im Dreißigjährigen Krieg mit Geld und Versprechungen angelockten Söldnern erging und was von ihnen und ihren Habseligkeiten bei Ausgrabungen ans Tageslicht kam, war Gegenstand einer der Schlacht von Wittstock 1636 gewidmeten Ausstellung im Paulikloster und wird dort auch weiterhin thematisiert.



Die Instrumente der Feldärzte waren einfach, aber beim Amputieren von Gliedmaßen und anderen Maßnahmen praktisch.





Soldaten und Pferde bringen im Dreißigjährigen Krieg Kanonen in Stellung, darunter wird auf der kolorierten Grafik gezeigt, wie die stark befestigte Stadt Magdeburg 1631 von den Kaiserlichen in Schutt und Asche gelegt wird.



Der im Paulikloster ausgestellte Talerfund repräsentiert ein großes Vermögen. So könnte die 1636 in der Schlacht von Wittstock erbeutete Kriegskasse zusammengesetzt gewesen sein. (Fotos/Repros: Caspar)

Den Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) kennen wir nur aus Schulbüchern, Filmen, Erzählungen und Museen. Vielleicht fällt uns etwas zum Prager Fenstersturz vor 400 Jahren ein, zum Winterkönig Friedrich von der Pfalz, zu den Feldherren Tilly und Wallenstein oder zu dem 1632 in Lützen bei Leipzig tödlich getroffenen Schwedenkönig Gustav Adolf. Was aber auf den Schlachtfeldern und in den Feldlagern wirklich geschah, wie die Söldner aus aller Herren Länder angeworben wurden und wie sie ihren Lebensunterhalt bestritten, wer ihre Kommandeure waren und wie man mit Hieb- und Stichwaffen, mit Musketen und Kanonen aufeinander zuging, entzieht sich vielfach unserer Kenntnis.

Kaum bekannt ist, wie man die Verwundeten versorgte und was mit den Toten geschah. Licht in dieses Dunkel brachte 2011 eine Ausstellung des Brandenburgischen Landesmuseums am Beispiel der Schlacht von Wittstock am 4. Oktober 1636, 375 Jahre zuvor. Die Dokumentation im Paulikloster an der Heidestraße in Brandenburg an der Havel "1636 - ihre letzte Schlacht" breitete Ergebnisse umfangreicher Ausgrabungen auf einem Schlachtfeld bei Wittstock im nordwestlichen Bundesland Brandenburg aus. In jener Schlacht gingen 16 000 Schweden unter dem Befehl des Feldmarschalls Johan Banér und seinem schottischen Kollegen Alexander Leslie auf 22 000 kaiserliche und sächsische Soldaten aufeinander los, die von Melchior Graf von Hatzfeld und dem sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. geführt wurden. In dieser Schlacht gelang den siegreichen Schweden, Kanonen, Waffen und eine Kriegskasse dem kaiserlichen und sächsischen Heer abzujagen, was in den Annalen triumphierend betont wurde. Dass auf dem Schlachtfeld etwa 6000 Tote zurückblieben, wurde kaum erwähnt.

Leichen wurden in die Grube geworfen

Etliche der im Paulikloster ausgestellten Fundstücke stammen aus einer Kiesgrube, in der unweit von Wittstock 125 Tote verscharrt worden waren. Die Vermutung, es könne sich um KZ-Häftlinge handeln, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs bei einem Todesmarsch ums Leben gekommen waren, bestätigten sich nicht, denn die Skelette und die Fundumstände erwiesen als weitaus älter. Archäologen, Anthropologen und Historiker haben die in Europa einzigartige Fundstelle systematisch untersucht und festgestellt, wie alt die Skelette stammen und wie die Menschen ums Leben kamen. Deutlich wurde dabei, dass man die Leichen nach Wertgegenständen untersucht hat, bevor sie in die Grube geworfen wurden. Das war üblich, denn die Überlebenden waren auf solche Beute angewiesen. Ihr Sold war dürftig und wurde oft nicht ausgezahlt, weshalb sie auf Raub in den besetzten Ländern und Plünderung von Toten und Verwundeten auf den Schlachtfeldern angewiesen waren.

Pietät konnte sich in diesem brutalen Überlebenskampf keiner leisten, auch wenn Bilder und Erzählungen vom "edlen Kriegshandwerk" und dem "Sterben auf dem Feld der Ehre" fabulieren. Wenn die Überlebenden die Kleider ihrer Kameraden und der Gegner aufrissen, flogen Knöpfe und Schallen beiseite, und viele Gegenstände wurden übersehen. Ein christliches Begräbnis wurde den Gefallenen des "Treffens von Wittstock" nicht zuteil, wie das Gemetzel in zeitgenössischen Berichten beschrieben wurde. Wie man sie übereinander schichtete und mit Erde bedeckte, zeigte eine im Keller des Museums ausgestellte Installation, die sich nur nervenstarke Besucher ansehen sollten, wie ein Warnhinweis an der Tür besagte.

Die Ergebnisse des erst ein paar Jahre alten Forschungsgebiets "Schlachtfeldarchäologie" zeigen, dass die Lebenserwartung einfacher Soldaten wegen schlechter Versorgung und mangelhafter ärztlicher Betreuung entschieden geringer war als die der Offiziere und Generale, die es sich selbst in schwierigster Lage gut gehen ließen. Indem die Befehlshaber mehr und besser essen konnten als ihre Untergebenen, waren sie auch besser vor Seuchen geschützt, die damals große Teile der Heere und der Zivilbevölkerung dahin rafften. Die im Massengrab von Wittstock gefundenen Schädel und Skelette weisen Spuren furchtbarer Verletzungen und von schmerzhaften, durch Hunger und Infektionen verursachter Krankheiten auf. Überdies vermitteln persönliche Habseligkeiten sowie Stiche, Gemälde, Aufzeichnungen, Waffen, Munition und selbst das urtümliche Handwerkszeug von Feldärzten ein detailliertes Bild vom Soldatenalltag sowie vom Kampfgeschehen und den Gräueln auf dem Land und unter den Stadtbewohnern in jenem bis dahin schrecklichsten aller Kriege.

Fenstersturz mit großer Wirkung

Durch einen simplen Anlass, den Fenstersturz von Prag vor 400 Jahren, ausgelöst, ging es in ihm vor allem um Länder, Kronen und Einflusszonen und erst dann um Glaubensfragen. Mit Mitteln des Zwangs und der Verlockung wurden Männer von weither, aber auch Frauen und Kinder dazu gebracht, in den Krieg zu ziehen und ihre Haut für fremde Interessen zum Markt zu tragen. In ihren Berichten an ihre Regierungen suchten sich Befehlshaber in ein gutes Licht zu setzen, selbst wenn sie durch Selbstüberschätzung und persönliches Versagen Schuld an Niederlagen und unnötig vielen Opfern trugen.

Selbstverständlich spielte geprägtes Geld zur Bezahlung der Offiziere und Soldaten, aber auch für ihre Versorgung, Kleidung und Bewaffnung eine große Rolle. Die Plünderung der Toten war so gründlich, dass nur wenige Münzen bei ihnen gefunden wurden. Die Ausstellung im Paulikloster zeigt am Beispiel mehrerer bedeutender Münzeschätze, was man im Brandenburgischen während des Dreißigjährigen Kriegs, aber auch davor und danach dem Boden anvertraut oder in Häusern eingemauert hat, um sein zumeist bescheidenes Vermögen vor marodierenden Soldaten zu bewahren und sich deren Kontributionsforderungen zu entziehen. Ausgestellt sind über die Wittstock-Ausstellung hinaus bei Bau- und Feldarbeiten entdeckte Ersparnisse von Städtern und Bauern. Sie haben in Töpfen und Kriegen guthaltige Prager und andere Groschen, aber auch Kippergeld aus den Anfangsjahren des Dreißigjährigen Kriegs sowie sorgsam über Generationen zusammengesparte Taler und in Einzelfällen sogar Goldmünzen versteckt. Oft konnte man diese Schätze nicht mehr heben, als die Gefahr vorbei und die Besatzer abgezogen waren, weil ihre Besitzer nicht mehr lebten und die Familien ausgerottet waren. So hängen an jeder Münze, an jedem ebenfalls beiseite gelegten Silberlöffel oder Schmuckstück und an vielen anderen Objekten menschliche Schicksale.

LITERATURTIPP Das vom Archäologischen Landesmuseum Brandenburg herausgegebene Buch "1636 - ihre letzte Schlacht" erschien im Konrad Theiss Verlag Stuttgart, hat 205 Seiten, ist reich illustriert und kostet 18 Euro. Das Museum des Dreißigjährigen Kriegs in Wittstock/Dosse brachte einen reich illustrierten Ausstellungskatalog heraus, in dem nicht nur die Geschichte der Schlacht von 1636 geschildert, sondern auch vom Leben und Sterben im Dreißigjährigen Krieg berichtet und das Geschehen in einer Zeittafel zusammengefasst wird.

6. März 2018

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