Luftangriff auf Potsdam mit verheerenden Folgen
Nach den britischen Bombenabwürfen am 14. April 1945 war von barocker Pracht nicht mehr viel übrig



Im Potsdam Museum am Alten Markt wird mit vielen Bildern sowie Zeitzeugenberichten und Gegenständen des britischen Bombenangriffs vom 14. April 1945 gedacht.





So sah das Potsdamer Stadtschloss vor seiner Zerstörung und so vor dem Abriss der Ruine 1960 auf Befehl des SED-Chefs Walter Ulbricht aus.





Die Nikolaikirche mit der auffälligen Kuppel wurde als Bezugspunkt für die Bombenabwürfe genommen. In den 1950-er Jahren begann der Wiederaufbau des Gotteshauses.





Die Nachkriegsaufnahmen zeigen, wie die Straßenbahn die Schlossruine umrundet. (Fotos/Repros: Caspar)

Was wäre geschehen, wenn das Attentat des Grafen Claus Schenk von Stauffenberg am 20. Juli 1944 Erfolg gehabt hätte? Niemand weiß es, alles ist Spekulation. Bestimmt wäre der Krieg vorzeitig beendet worden, die Übernahme der Macht wäre aber schwierig bis chaotisch erfolgt. Ganz gewiss hätten sich Nazi- und Kriegsverbrecher nicht ohne weiteres den Umstürzlern ergeben. Deutschland und den andern Ländern wäre viel Tod und Leid erspart geblieben, und viele Städte stünden bis heute unzerstört. Auch Potsdam am 14. April 1945, drei Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, nicht mehr bombardiert worden. Der Luftangriff erfolgte in einer Zeit, als bereits große Teile des Deutschen Reich von den Alliierten besetzt waren und sich die Rote Armee der Reichshauptstadt Berlin bedrohlich näherte.

Die Bombardierung der spanischen Kleinstadt Guernica am 26. April 1937 und der mittelenglischen Industriestadt Coventry durch deutsche Flugzeuge in der Nacht vom 14. zum 15. November 1940 leitete die systematische Zerstörung von Städten und Industriebetrieben aus der Luft ein. Coventry wurde zum Symbol des von beiden Seiten erbarmungslos geführten Luftkrieges, der keinen Unterschied zwischen Zivilisten und Militärs macht und nur ein Ziel kennt, den Gegner bis ins Mark zu treffen sowie Angst und Schrecken unter der Bevölkerung zu verbreiten und sie zum Aufgeben zu bewegen. Die NS-Führung war irritiert, als die Royal Air Force schon bald nach Coventry deutsche Städte bombardierte, darunter als erste Mannheim, Lübeck, Rostock, Köln und Hamburg sowie mehrfach Berlin.

Hitler versprach neue, bessere Städte

Zu den letzten Städten, die von dem auf die Zermürbung der Deutschen und Zerstörung ihrer Kriegsindustrie abzielenden Luftkrieg betroffen waren, gehörten Dresden (13. Februar 1945), Berlin (3. Februar 1945 und mehrfach davor), Bielefeld (14. März 1945), Würzburg (16. März 1945) und Potsdam (14. April 1945). Hitler versuchte, das Volk damit zu trösten, dass die zerbombten Städte nach dem "Endsieg" schöner und großzügiger denn je aufgebaut werden. Er schilderte die Zukunft der zerbombten Reichshauptstadt in rosigen Farben, die nicht nur ihr historisches Zentrum verloren hatte, sondern auch große Wohnbereiche, Brücken und Fabriken. Viele Altbauten hätten sowieso seinen Neubauplänen geopfert werden sollen, das würden jetzt britische und amerikanische Bomben erledigten, lautete Hitlers zynischer Kommentar in internem Kreis. Die SS-Offiziere Günsche und Linge berichteten in dem Band "Das Buch Hitler" aus eigenem Erleben: "Zu den Angriffen auf Berlin bemerkte Hitler einmal: ,Wenn sie doch endlich das Berliner Rathaus zerbomben würden! Dieses abscheuliche Gebäude stört mich als Architekt schon lange. Wenn die Angelsachsen es verschonen, dann wahrscheinlich um mich zu ärgern', meinte er lachend."

Die ständigen Bombenangriffe und die vielen Toten an den Fronten bewirkten nicht, dass sich die Deutschen "noch fanatischer" hinter ihren Führer stellten und ihr blindlings "durch dick und dünn" folgten, wie es Goebbels forderte. Angesichts des Terrors, den die Sicherheitsdienste verbreiteten, und der Angst vor Denunziation wurden Wünsche auf ein schnelles Ende des Krieges nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Flugblätter, die die Alliierten über Berlin und andere Städte abwarfen und die Deutschen aufforderten, sich zu ergeben, steckte man, wenn überhaupt, schnell weg. Genutzt haben solche Propagandaaktionen wenig. In einem dieser Flugblätter forderte der britische Luftmarschall Arthur Harris, der Vater des "Moral bombing", die Deutschen zum Widerstand auf. "Vergesst Eines nicht: wie weit eure Armeen auch vormarschieren: sie können nie nach England kommen. [...] Es steht bei euch, mit Krieg und Bomberei Schluss zu machen. Stürzt die Nazis, und ihr habt Frieden! Es ist nicht wahr, dass wir einen Rachefrieden planen. Das ist eine deutsche Propagandalüge. Aber wir werden es ganz gewiss jeder deutschen Regierung unmöglich machen, noch einmal einen totalen Krieg anzufangen. Ist das nicht ebenso euer Interesse wie das unsere?" Schicksal ergeben auf die Entwarnung warten.

Ziele nach Reiseführern ausgewählt

Die Bombenangriffe richteten sich nicht nur gegen die Zivilbevölkerung, sondern auch gegen militärische Ziele wie Bahnanlagen und Häfen sowie Rüstungsbetriebe, was in den Diskussionen im und nach dem Krieg über die Bombardierungen von Wohngebieten oft ausgeblendet wurde. In einer britischen Direktive vom 14. Mai 1943 wurde festgelegt: "Die ungeheure und immer noch stärker werdende Schlagkraft der RAF-Bombenangriffe soll die materiellen Grundlagen in Deutschland soweit zerstören, dass der deutsche Arbeiter den Willen aufgibt und die Fähigkeit verliert, weiter für den Krieg zu arbeiten." In Berlin und anderenorts hatte die NS-Führung im Vertrauen auf die eigenen Waffen mit massiven Luftangriffen nicht gerechnet. Sie trafen auf eine weitgehend ungesicherte Städte. Unterkünfte in Bunkern, die überall aus dem Boden gestampft wurden, reichten nicht aus, um die vielen um ihr Leben bangenden Menschen zu schützen. Die meisten Menschen, die in den Städten Zuflucht suchten, waren bei Luftangriffen auf schlecht gesicherte Keller angewiesen. Lediglich wurden diese Gewölbe durch Balken abgestützt, und man hat Zwischenwände durchbrochen oder markiert, um schnell von einem in ein anderes Haus zu gelangen. Luftschutzhelfer und von der NSDAP gestellte Aufpasser hatten dafür zu sorgen, dass die Leute bei einem Alarm geordnet und ohne Hast in die Schutzräume gehen und dort ihrem

Zufällig oder absichtlich hatte die Royal Air Force für den 14. April 1945, einem Sonnabend, einen ihrer letzten Luftangriffe den 200. Jahrestag der Grundsteinlegung von Schloss Sanssouci als Datum ausgewählt. Für die Zielauswahl sollen deutsche Reiseführer gedient haben, die als "Bomben-Baedecker" in die Geschichte eingingen. Der Wehrmachtsbericht meldete den nächtlichen Angriff auf die Residenz- und Garnisonstadt an der Havel mit diesen dürren Worten: "In den Abendstunden ein Terrorangriff von 200 britischen Bombern gegen Potsdam; dabei wurden die historischen Gebäude zerstört (Garnisonkirche), 50 Moskitos gegen Berlin." Etwas ausführlicher teilte das NS-Parteiorgan "Völkischer Beobachter" am 17. April 1945 den Angriff so mit: "Potsdam, die historische Residenz Friedrichs des Großen, war Ziel eines nächtlichen britischen Terrorangriffs. Erhebliche Teile der Altstadt mit ihren zahlreichen historischen Bauten, darunter die Garnisonkirche, wurden vernichtet. Die Personenverluste sind erheblich."

Nikolaikirche am Alten Markt als Bezugspunkt

Die Informationen waren ebenso lapidar wie ungenau, denn tatsächlich warfen 490 schwere viermotorige Lancaster etwa 1700 Tonnen Bomben (Sprengbomben, Minenbomben, Brandbomben) auf die Stadt ab. Hin und wieder werden welche bei Bauarbeiten gefunden, und dann müssen Straßen und Häuser geräumt werden, damit die Bombenentschärfer ihre Arbeit verrichten können und kein Unglück geschieht. Nach neuesten Berechnungen gab es bei dem Angriff ab 22.16 Uhr 1593 Tote, hinzu kam eine große Zahl von Verletzten.

Im britischen Angriffsbefehl wurde die Nikolaikirche am Alten Markt, dem Stadtschloss gegenüber, und ihre auffällige Kuppel der Bezugspunkt genannt. Das Gelände war vor dem Angriff von britischen Beobachtungsflugzeugen erkundet und, bevor die Bomben abgeworfen wurden, durch Leuchtbomben, die so genannten Weihnachtsbäume, markiert worden. Da diese in der "Nacht von Potsdam", so der Titel eines Buches von Hans-Werner Mihan aus dem Jahr 1997 (Edition Kurt Vowinckel-Verlag, Berg am Starnberger See 1997, ISBN: 9783921655832), durch Winde fortgetrieben wurden, kam es bei dem Angriff zu Verschiebungen und es wurden auch andere Areale zerstört, die eigentlich nicht vorgesehen waren. Fast eintausend Gebäude in der Innenstadt wurden völlig zerstört und rund 60.000 Menschen wurden obdachlos.

Barockbauten unwiederbringlich verloren

Eigentlich sollte das Gebiet rund um den Bahnhof 650 Meter südlich zerstört werden, wo die Briten Einrichtungen der Eisenbahn sowie Soldatenunterkünfte und solche von Angehörigen der Nazipartei vermuteten. Dann aber wurden nicht nur dieser begrenzte Raum im Zentrum vernichtet, sondern auch umliegenden Stadtteile. Ihre Zerstörung gehörte zu den Kollateralschäden, die Angriffe dieser Art mit sich brachten, und zwar solche durch deutsche Bomben auf Coventry, London und andere britische Städte. Sie sollte man bei der Betrachtung dessen nie übersehen, wenn man bedenkt, was mit Berlin, Dortmund, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, Lübeck, Mannheim, München, Nürnberg, Potsdam, Oranienburg, Rostock, das Ruhrgebiet, Schweinfurt, Wismar, Würzburg, Zerbst und vielen anderen Städten zum Teil unmittelbar vor der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 geschehen ist.

Die Menge der Bomben, die hohe Anzahl an verwendeten Brandbomben sowie die Markierung der Altstadt als Zielgebiet deuten auf die gezielte Vernichtung der Altstadt hin, was auch Unterlagen der Royal Air Force bestätigen. Schwerste Schäden erlitten die südliche und östliche Altstadt und das Gebiet nordöstlich des Brauhausberges. Das Stadtschloss, die Garnisonkirche und die Heiliggeistkirche, die Barockbauten am Alten Markt mit dem Palais Barberini, das Zivilkasino, das Berliner und das Neustädter sowie das Kellertor, Teile des Militärwaisenhauses, das Belvedere auf dem Klausberg (als einziger Bau im Park von Sanssouci) sowie zahlreiche Bürgerbauten und weitere bedeutende Architektur- und Kunstdenkmale brannten aus und wurden später abgerissen. Die Gebäude in der Potsdamer Innenstadt und der Berliner Vorstadt wurden bis zu 97 Prozent zerstört beziehungsweise beschädigt. Babelsberg kam mit einer Zerstörungs- beziehungsweise Beschädigungsquote von 23 Prozent vergleichsweise glimpflich davon. Ganz oder zum Teil vernichtet wurden ganze Straßenzüge, und zwar die Humboldt-, Schwertfeger, Scharren-, Yorck-, Brauer-, Schützen-, Hoditz-, Heiliggeist-, Französische-, Hohe-Weg-Straße, die Kupferschmiedgasse sowie die Straße am Kanal, um die wichtigsten zu nennen. Verschiedene Häuser an der Breiten Straße hatten bis auf wenige Gebäude den Angriff überstanden, wurden dann aber in DDR-Zeiten abgerissen, weil sie der Neugestaltung der "sozialistischen Bezirkshauptstadt Potsdam" im Wege standen. Viele Häuser, die mehr oder weniger beschädigt den Luftangriff überstanden hatten, wurden bei den Endkämpfen bei der Beschießung der von den Nazis noch zur "Festung" erklärten Stadt zerschossen. Lediglich Schloss Sanssouci, das Neue Palais und weitere Gebäude im Park Sanssouci und Babelsberger Park kamen glimpflich davon.

"Donnerschlag" war nicht kriegsentscheidend

Potsdam war bis zum 14. April 1945 weitgehend vom Krieg verschont geblieben, obwohl zahlreiche amerikanische und britische Bombengeschwader am Tag beziehungsweise in der Nacht die Stadt überflogen hatten. Nur einzelne Bomben hatten sie getroffen, als Flugzeuge der Alliierten die Reichshauptstadt Berlin ansteuerten. Allerdings stand die "Stadt Friedrichs des Großen", wie es in der Nazipropaganda immer hieß, seit Februar 1945 auf einer Liste für die "Operation Thunderclap" (Operation Donnerschlag) mit 25 potenziellen Bombenzielen im Deutschen Reich. Ein erster Angriff fand am 21./22. Juni 1940 auf Potsdam statt. Dabei ließen B-24-Bomber der US Air Force vor einem Tagesangriff auf Berlin 40 Bomben auf Potsdam fallen. Zwischen Herrmannswerder und Babelsberg sollen fünf Menschen ums Leben gekommen sein. Da in der Stadt kaum Vorkehrungen getroffen wurden, die Zivilbevölkerung durch bombensichere Bunker zu schützen, mussten wurden nur Hauskeller verstärkt und Fluchtwege ausgewiesen.

Kriegsentscheidend waren die Angriffe nicht. Über den "Donnerschlag" sagte der britische Director for Bomber Operations, Sydney Osborne Buftin: "Es wird darauf hingewiesen, dass eine spektakuläre und handgreifliche endgültige Lektion für das deutsche Volk über die Folgen einer weltweiten Aggression auch in der Nachkriegsperiode von dauerndem Wert sein würde. Außerdem würde die totale Verwüstung des Zentrums einer so ungeheuer großen Stadt wie Berlin vor aller Welt ein unwiderlegliches Zeugnis für die Macht einer modernen Bomberstreitmacht ablegen. Es wird daran erinnert, dass ein solcher Beweis es wesentlich erleichtern würde, die besetzten Gebiete weitgehend mittels der Luftstreitkräfte zu befrieden. Darüber hinaus würde es unsere russischen Verbündeten und die Neutralen von der Wirksamkeit anglo-amerikanischer Luftmacht überzeugen. Wenn alliierte Truppen in die Lage kämen, Berlin zu besetzen, oder es von neutralen Vertretern besucht wird, würde ihnen ein lange fortbestehendes Denkmal von den Wirkungen vorgeführt werden, die das strategische Bombardement in diesem Krieg hervorgerufen hat und jederzeit wiederholen könnte."

Sie säten Wind und ernten Sturm

Premierminister Winston Churchill stellte Ende März 1945 die Bombardierung deutscher Städte ohne klar erkennbaren militärischen Nutzen infrage, konnte sich aber gegen mächtige Generäle, allen voran Luftmarschall Arthur Harris, nicht durchsetzen. Dieser Bomber-Harris genannte Militär hatte am Beginn des Luftkriegs festgestellt: "Die Nazis starteten den Krieg mit der ziemlich kindischen Vorstellung, dass sie jeden anderen nach Belieben bombardieren könnten und niemand würde zurückbomben. In Rotterdam, London, Warschau und an beinahe einem halben Hundert anderer Stätten führten sie ihre ziemlich naive Theorie aus. Sie säten Wind und jetzt ernten sie Sturm". Am 3. November 1943 betonte der Luftmarschall gegenüber Churchill: "Wir können Berlin von einem Ende bis zum anderen einäschern, wenn sich die USAAF [US Air Force, H. C.] anschließt. Es wird uns 400 bis 500 Flugzeuge kosten. Es wird Deutschland den Krieg kosten." Harris verteidigte sein Vernichtungsprogramm so: "Ich persönlich halte die gesamten verbliebenen Städte Deutschlands nicht der Knochen eines einzigen britischen Grenadiers wert." Harris' Rolle im Zweiten Weltkrieg war und ist stark umstritten, in seiner Heimat erhielt er den Schmähnamen "Butcher", was so viel wie Metzger oder Schlächter bedeutet. Als Kriegsveteranen ihm zu Ehren 1992 in London ein Denkmal errichteten, wurde es binnen 24 Stunden mit blutroter Farbe beschmiert und später mehrfach beschädigt.

Die Erwartung führender Militär und Politiker in den USA und Großbritannien, die Deutschen durch das "Moral bombing" mürbe zu machen und unter dem Eindruck des von ihm verursachten Elends und Grauen zu veranlassen, sich gegen die Naziführung zu erheben und damit den Krieg zu verkürzen, ging nicht in Erfüllung. Dazu war der durch eine perfide Propaganda genährte Glaube vieler Menschen an den "Endsieg" und an die Schlagkraft von so genannten Wunderwaffen und dem Einsatz einer imaginären Führerreserve zu groß. Außerdem war der Widerstand nach dem Attentatsversuch vom 20. Juli 1944 und der sich anschließenden Verfolgungs- und Mordwelle erlahmt.

24. Juli 2019

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"