Königliche Sehnsucht nach Italien
Das Krongut Bornstedt bei Potsdam erlebte nach der Wiedervereinigung 1990 glanzvolle Wiedergeburt



Das jahrelang vernachlässigte Krongut an der Ribbeckstraße im Potsdamer Ortsteil Bornstedt wurde in den 1990er Jahren aufwändig saniert, restauriert und 2001 feierlich als Kultur- und Gastronomiestandort neu eröffnet.



Gegenüber dem Krongut befindet sich hinter der Kolonnade der Kirche der historische Friedhof, auf dem Menschen bestattet sind, die in Potsdam Rang und Namen hatten.



Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und seine Gemahlin Luise Henriette von Oranien auf einer Grafik des 17. Jahrhunderts.



König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen kümmerten sich auf ihre Weise um den Ausbau und die Verschönerung von Potsdam und seiner Umgebung. Sein Reiterdenkmal steht auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie auf der Berliner Museumsinsel.



Die historischen Ansicht aus dem 19. Jahrhundert zeigt das Krongut Bornstedt, das unter der Ägide König Friedrich Wilhelms IV. in ein "italienisches Dörfchen" verwandelt wurde, wie man damals sagte.



Kronprinz Friedrich Wilhelm war 1888 nur für 99 Tage Deutscher Kaiser und König von Preußen mit dem Namen Friedrich III. Die Büste schmückt die Villa von der Heydt, Sitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin.





Viel Potsdamer Prominenz fand ist auf dem Bornstedter Friedhof ihre letzte Ruhe, links Peter Joseph Lenné, dem die Potsdamer und Berliner Kultur- und Gartenlandschaft großartige, zum Teil noch heute erhaltene Anlagen verdankt. Die Tafel ehrt mutige Potsdamer, die im Kampf gegen das Hitlerregime ihr Leben verloren haben.



Das Kriegerdenkmal auf dem Bornstedter Friedhof ein markantes Zeugnis dafür, wie nach dem Ersten Weltkrieg und in diesem Fall in der NS-Zeit der Heldentod auf dem Schlachtfeld heroisiert wurde. (Fotos/Repros: Caspar)

Mit einem großen Sommerfest wurde am 1. Juni 2001 in Anwesenheit politischer Prominenz das Krongut Bornstedt nicht weit vom Park Sanssouci offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Jahrelang war das in DDR-Zeiten heruntergekommene Anwesen saniert und restauriert worden. Als Lager für Düngemittel benutzt, waren die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Häuser Wind und Wetter ausgesetzt und befanden sich in schlechter Verfassung. Das ist nun gottlob Geschichte, seit fast 20 Jahren kann sich das unter Denkmalschutz stehende Anwesen, das wegen der Nähe zum Park Sanssouci zum Weltkulturerbe gehört, wieder sehen lassen und zieht zu jeder Jahreszeit zahllose Besucher an. Hier kann man gut speisen, in einem historischen Saal wird geheiratet, Musiker und Schauspieler treten gelegentlich auf.

Theodor Fontane, dessen wir uns in diesem Jahr anlässlich seines 200. Geburtstags mit besonderer Hingabe erinnern, fand lobende Worte für Bornstedt. Mit Blick auf das Zusammenspiel von Kunst und Natur im Potsdamer Schlösser- und Gartenparadies schrieb er: "Wer hätte nicht an sich selbst erfahren, wie frei man aufatmet, wenn man aus der kunstgezogenen Linie auch des frischesten und natürlichsten Parks endlich über Graben und Birkenbrücke hinweg in die weitgespannteste Wiesenlandschaft eintritt, die ihn umschließt! Mit diesem Reiz des Einfachen und Natürlichen berührt uns auch Bornstedt. Wie in einem grünen Korb liegt es da."

Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, genannt der Große Kurfürst, hatte das Rittergut von der Familie von der Gröben 1664 für 17.800 Taler erworben. "Das gantze Eyland muss ein Paradies werden, weil die Edelleute, wie ich vernehme, daraus seindt", schrieb er seinem Statthalter, dem Feldmarschall und Diplomaten mit großer Leidenschaft für die Schlossbau- und Gartenkunst, Johann Moritz von Nassau-Siegen nach Kleve. In diesem Sinne wandte der Große Kurfürst die enorme Summe von 115 000 Talern auf, um weitere Rittergüter in der Umgebung von Potsdam - von Bornim bis Geltow, Eiche bis Glienicke zu kaufen. Gut und Schloss Caputh befand sich seit dem 16. Jahrhundert in kurfürstlichem Besitz. Friedrich Wilhelm überließ ihn seinem Architekten Philippe de la Chièze, der mit dem Schloss Caputh den einzig bis heute erhaltenen Bau dieser Art aus dem Brandenburger Frühbarock in der Region errichten ließ. 1671 gingen Gut und Schloss wieder in kurfürstlichen Besitz über und wurden kurfürstlicher Witwen- und Prinzessinnensitz.

Dem Waisenhaus angeschlossen

Im kurfürstlichen und ab 1701 königlichen Gut Bornstedt gab es eine Brauerei und eine Brennerei. Vor und nach 1700 war das Gut dem Amt Potsdam zugehörig und wurde dem 1724 zur Versorgung und Ausbildung der Kinder gefallener Soldaten von Friedrich Wilhelm I. gestiftete Potsdamer Waisenhaus übertragen. Die landwirtschaftlichen Produkte des Guts kamen dieser nach dem Vorbild der Franckeschen Stiftungen in Halle gegründeten Einrichtung zugute. Das Potsdamer Waisenhaus war anfangs ein bescheidener Fachwerkbau und wurde erst unter Friedrich II., dem Großen, nach Plänen von Karl von Gontard von 1771 bis 1778 durch einen spätbarocken Neubau ersetzt, der den verheerenden Bombenangriff vom 14. April 1945 beschädigt überstanden und vor einigen Jahren seinen das Stadtbild prägenden Turm mit vergoldeter Caritas-Figur obenauf zurück erhalten hat.

Schon bald nach seinem Regierungsantritt 1840 erwarb Friedrich Wilhelm IV. das Gut Bornstedt und ließ es im italienischen Stil nach seinen Vorgaben und Plänen von Johann Heinrich Haeberlin umgestalten. Zusammen mit dem Dorf Eiche hat sich der ewig zeichnende und Bauwerke planende "Romantiker auf dem Thron" den Kauf von Bornstedt mehr als 64 000 Taler kosten lassen. Das "italienische Dörfchen" mit Kirche, Herrenhaus, Schule und Wirtschaftsgebäuden war Ausdruck der Italiensehnsucht des Monarchen, der mediterranes Flair in die Umgebung von Potsdam holte, ähnlich wie es mit dem Schloss Charlottenhof, der Friedenskirche, dem Weinbergschloss, der Großen Orangerie und dem Belvedere auf dem Klausberg geschehen ist. Ein unterm Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. angelegter Hopfengarten wurde im Zuge der Landschaftsverschönerung nach Plänen von Peter Joseph Lenné aufgegeben. Das von Bernd Maether herausgegebene und mit Beiträgen mehrere Spezialisten versehene Buch "Krongut Bornstedt. Eine Bau- und Nutzungsgeschichte" (Einzelveröffentlichung der Brandenburgischen Historischen Kommission e. V. Band XVI, be.bra Wissenschaftsverlag 2010, Berlin 2010) bietet eine Fülle von Informationen und Bildern aus der wechselvollen Geschichte der Anlage vor den Toren der Residenz- und heutigen Landeshauptstadt Potsdam.

Kronprinzenpaar ließ es sich gut gehen

Ab 1867 lebten im Krongut der preußische und ab 1871 deutsche Kronprinz Friedrich Wilhelm, der 1888 für 99 Tage Kaiser Friedrich III. war und elend an Kehlkopfkrebs starb, und seine aus England stammende Gemahlin Victoria. Der Garten des in ein Mustergut umgewandelten Besitzes wurde 1875 von Emil Sello im englischen Landschaftsstil gestaltet. Nach dem tragischen Tod von Friedrich III. 1888 nach nur 99 Tagen als Kaiser lebte seine Gemahlin noch einige Jahre in Bornstedt, einige Kilometer vom Neuen Palais im Park Sanssouci entfernt, in dem ihr Sohn Wilhelm II. mit seiner Familie im Sommer Hof hielt. Mit diesem ihrem Sohn auf Kriegsfuß lebend und von ihm manchen Demütigungen ausgesetzt, reiste die Kaiserin Friedrich, wie sie sich jetzt nannte, viel, auch nach England zu ihrer Mutter Queen Victoria. Sie richtete sich in Kronberg im Taunus ein eigenes Refugium ein, das sie Schloss Friedrichshof nannte, weil dem Neuen Palais in Potsdam nach dem tragischen Tod ihres Mannes der Name Friedrichskron genommen worden war. Nachdem die Kaiserin Friedrich 1901, fast zeitgleich mit Queen Victoria, gestorben war, fiel das Krongut an das Kaiserhaus zurück.

Von 1903 bis zu ihrem frühen Tod 1910 bewohnte Prinzessin Feodora, eine Schwester der mit Kaiser Wilhelm II. verheirateten Kaiserin Auguste Victoria, das Bornstedter Herrenhaus. Sie entwickelte das Anwesen zu einem Künstlerhof, in dem sich Schriftsteller und Maler zu geselligen Zirkeln trafen. Die künstlerisch begabte Prinzessin fand Motive zu ihren impressionistischen Gemälden unter anderem in der Umgebung des Krongutes. Nach dem Ende der Monarchie fielen das Krongut sowie weitere Immobilien und Vermögenswerte der Familie Hohenzollern an den preußischen Staat. Die Familie Hohenzollern und die anderen ehemals regierenden Häuser mussten dank der Generosität der Weimarer Republik nicht am Hungertuch nagen. 1922 übernahm die Stiftung Staatliche Schlösser und Gärten neben vielen anderen Immobilien sowie Gärten und Parks auch das ehemalige Krongut Bornstedt. Der Schriftsteller Eugen Diesel, Sohn des berühmten Ingenieurs und Erfinders des nach ihm benannten Motors Rudolf Diesel, lebte von 1925 bis 1939 mit der Gräfin Anna Luise von Waldersee in dem Gut.

Verkommen, vergammelt, neu geboren

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das ehemalige Krongut ins Volkseigentum überführt, also enteignet. Das Herrenhaus blieb zum Glück stehen und wurde nicht, wie andere Bauten dieser Art in der Sowjetischen Besatzungszone, niedergerissen und als Steinbruch für Neubauernhäuser verwendet. Die in der Nähe befindliche Pädagogische Hochschule Potsdam richtete in dem Herrenhaus ein Studentenwohnheim ein, in anderen Gebäuden waren der VEB Kombinat für materiell-technische Versorgung Potsdam untergebracht oder dienten als Büros und Lagerhallen. Man kann sich gut vorstellen, dass man bei dieser Art Nutzung mit den alten Bauwerken und dem Landschaftspark wenig pfleglich umgegangen ist. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten hat sich die Verwaltung der Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci um die Gartenanlagen gekümmert, die Sanierung der Bauten war nicht ihre Sache. Erst nach der deutschen Wiedervereinigung konnte sich die neu gegründete Stiftung Staatliche Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg mit viel Geld und Elan auch des Krongutes annehmen.

Dem Krongut gegenüber liegt der bekannte Bornstedter Friedhof. Theodor Fontane schrieb, wer in Sanssouci gestorben sei, werde in Bornstedt begraben. In den meisten Fällen seien das "königliche Diener aller Grade, näher- und fernerstehende, solche, deren Dienst sie entweder direkt an Sanssouci band, oder solche, denen eine besondere Auszeichnung es gestattete, ein zurückliegendes Leben voll Tätigkeit an dieser Stätte voll Ruhe beschließen zu dürfen. So finden wir denn auf dem Bornstedter Kirchhofe Generale und Offiziere, Kammerherren und Kammerdiener, Geheime Räte und Geheime Kämmerer, Hofärzte und Hofbaumeister, vor allem - Hofgärtner in Bataillonen." Diese Beobachtung findet man bestätigt, wenn man über den Gottesacker geht. Bestattet sind hier unter anderem der berühmte Gartengestalter Peter Joseph Lenné und der Architekt Friedrich Ludwig Persius, aber auch der zum Kreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gehörende Kurt von Plettenberg, der einzige unter den Verschwörern des 20. Juli 1944, der ein ordentliches Begräbnis erhielt. Weitere Widerstandskämpfer werden durch Gedenktafeln geehrt.

Hofnarr noch im Tod verspottet

Der Bornstedter Friedhof besitzt, durch eine niedrige Mauer von den anderen Grabstätten abgetrennt, ein 1937 angelegtes Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Auf einem niedrigen Podest liegt ein spärlich bekleideter Soldat, kenntlich an einem Schwert in der Hand. Die von dem Bildhauer Walter E. Lemcke geschaffene Skulptur richtet sich halb sterbend auf und reckt die linke Hand wie dem Feind wie zur Abwehr entgegen. Die aus der Nazizeit stammende Gedenkstätte mit Namenstafeln gefallener Bornstedter hat wie durch ein Wunder Krieg und Nachkriegszeit überstanden und stellt ein seltenes Beispiel für die Heldenverehrung während der Nazidiktatur dar.

In der nach italienischem Vorbild mit einem frei stehenden Glockenturm 1842/43 im Auftrag von Friedrich Wilhelm IV. erbauten Kirche ist eine ungewöhnliche Grabplatte ausgestellt. Sie erinnert an den zum Hofnarren degradierten und 1731 verstorbenen Gelehrten Jacob Paul von Gundling, mit dem sich der Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. im frühen 18. Jahrhundert beim Tabakskollegium derbe, erniedrigende Späße erlaubte. Wie um ihn zum letztenmal zu entwürdigen, hatte der Monarch den Leichnam in ein Weinfass betten und in der Gruft der Kirche zu Bornstedt bei Potsdam bestatten lassen, wobei ein anderer Hofnarr, David Fassmann, eine höhnische Leichenpredigt hielt und die evangelische Geistlichkeit dem unwürdigen Spektakel den Segen verweigerte. Die Inschrift auf dem ungewöhnlichen Sarg lautete: "Hier liegt in seiner Haut / Halb Schwein, halb Mensch, ein Wunderding, / In seiner Jugend klug, in seinem Alter toll, / des Morgens klug, des Abends toll und voll. / Bereits ruft Bacchus laut: /Das teure Kind heißt Gundeling". Paul von Gundlings trauriges Beispiel lehrt, wie dünn die Luft in der Umgebung der Mächtigen sein kann und dass man sich ihrer Gunst nicht immer sicher sein kann. Der bekannte Modedesigner Wolfgang Joop wuchs in Bornstedt auf und fühlte sich immer dem Dorf nahe Potsdam und dem Gut verbunden. Auf dem Friedhof neben der Kirche aus der Zeit Friedrich Wilhelms IV. sind seine Eltern neben berühmten Militärs, Architekten und Gartenkünstlern bestattet.

19. Mai 2019

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