Königlicher "Butt" wollte kein Kaiser sein
In den Römischen Bädern des Parks von Sanssouci erinnert ein dicker Fisch an Friedrich Wilhelm IV. von Preußen





Selbstironisches Porträt, das Friedrich Wilhelm IV. in einem Brief gezeichnet hat. Der Butt am Eingang zu den Römischen Bädern im Park von Sanssouci speit in der warmen Jahreszeit Wasser in ein Muschelbecken.



Der trinkfreudige Friedrich Wilhelm IV. versucht auf der Karikatur, mit einer Flasche Champagner in der Hand in die großen Fußabdrücken Friedrichs II. zu treten.





Die Karikatur von 1849 zeigt, wie sich der König von Preußen vor den Opfern der Märzrevolution erst verneigt und sich nach Wiederherstellung seiner Macht von seinen Untertanen alleruntertänigst huldigen lässt.



Von einem vergoldeten Prunkrahmen umgeben, blickt der "Romantiker auf dem Thron" die Besucher des Kunstgewerbemuseums am Berliner Kulturforum an.



Ergebnislos musste die nach Berlin entsandte "Kaiserdelegation" der Frankfurter Nationalversammlung abziehen, Friedrich Wilhelm IV. lehnte rundherum die ihm angetragene Kaiserkrone als Reif von "Dreck und Letten" ab.



In vorauseilendem Gehorsam geprägt, ist der doppelte Kaisergulden der Frankfurt am Main aus dem Jahr 1949 eine numismatische Rarität und Kuriosität. (Fotos/Repros: Caspar)

"Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte" schrieb Friedrich Schiller über den kaiserlichen Feldherren Albrecht von Wallenstein, der 1634 von seinen eigenen Leuten ermordet wurde. Doch auch auf andere Potentaten trifft das Zitat zu, beispielsweise auf einen Monarchen, der sicher als Architekt die Baukunst des 19. Jahrhunderts spürbar vorangebracht hätte, wäre er dank seiner hohen Geburt nicht als Friedrich Wilhelm IV. an die Spitze Preußens gekommen. Er ging als Romantiker auf dem Thron in die Geschichte ein, doch wer glaubt, er sei nur ein Schöngeist gewesen, der unentwegt zeichnete und Bauwerke entworfen, irrt gewaltig. In Machtfragen konnte der älteste Sohn und Nachfolger Friedrich Wilhelms III. unerbittlich sein. Sein Standesbewusstsein und sein Glaube an seine Berufung durch Gott waren durch nichts zu erschüttern, nicht einmal durch die revolutionären Ereignisse der Jahre 1848/49.

Nach den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 haben viele deutsche Fürsten die Hoffnungen ihrer Untertanen auf Modernisierung des Staatswesens, auf Teilnahme des Volkes an den öffentlichen Dingen, auf die Verkündung von Verfassungen schwer enttäuscht. Preußens König Friedrich Wilhelm III., der im März 1813 im Aufruf "An Mein Volk" mit bittenden Worten zur allgemeinen Bewaffnung und zum Krieg gegen die französische Fremdherrschaft aufgerufen hatte, mochte sich nach dem Krieg nicht mehr an seine Verheißungen erinnern. Im Gegenteil - er schloss sich mit seinen Waffenbrüdern Zar Alexander I. von Russland und Kaiser Franz I. von Österreich zur Heiligen Allianz zusammen, um die bestehende Feudalordnung weiter zu sichern und Freiheitsbewegungen im Keim zu ersticken.

Gegen Demokraten helfen nur Soldaten

Über den Deutschen Bund, jenen lockeren, von Österreich geführten Zusammenschluss von Fürstentümern und Freien Städten, legte sich bleierne Schwere. Demokratische Bewegungen, vor allem solche in studentischen und akademischen Kreisen mit dem Ziel, die Fürstenherrschaft abzuschaffen oder wenigstens konstitutionelle Verhältnisse herbeizuführen, wurden brutal unterdrückt. Wer von den damaligen Schnüffel- und Sicherheitsbehörden als Freisinniger oder Demokrat ausgemacht wurde, wurde als Demagoge, also Volksverführer, verunglimpft und hatte Festungshaft, Berufsverbot, Landesverweis und im schlimmsten Falle die Todesstrafe zu erwarten. "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten" war ein besonders entlarvender Ausspruch Friedrich Wilhelms IV. von Preußen, und er ließ sie aufmarschieren und schießen, wo immer das Volk gegen die unwürdigen Lebensumstände, gegen Hunger und Wucherpreise aufbegehrte. Der Aufstand der schlesischen Weber im Jahr 1844 und was die Staatsmacht dagegen unternahm gehört nicht zu den Ruhmesblättern der preußischen Geschichte.

Die Kindheit und Jugend des Preußenprinzen wurde von der schweren Zeit der napoleonischen Bedrückung geprägt. Der frühe Tod der Mutter, einer geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, die aufregenden Jahre der Befreiungskriege und des Wiederaufbaues hinterließen im Gemüt des aufgeweckten Hohenzollern merkliche Spuren. Tiefe Religiosität und schwärmerische Verehrung vermeintlich glänzender mittelalterlicher Perioden prägten sein Denken und Tun. Im Familienkreis in Anlehnung an den Titel französischer Kronprinzen "Dauphin" (Delphin) wegen seiner Dicklichkeit "Butt" genannt, arbeitete Friedrich Wilhelm (IV.) bereits während der Herrschaft seines Vaters mit den Architekten Schinkel und Persius, dem Gartengestalter Lenné, den Bildhauern Schadow und Rauch sowie anderen hochkarätigen Künstlern zusammen. 1840 auf den Thron gelangt, veranlasste Friedrich Wilhelm IV. die Restaurierung von Burgen im Rheinland und ließ den aus dem Mittelalter stammenden Torso des Kölner Dom fertig stellen. Die Rekonstruktion des Kölner Doms und die Wiederherstellung verschiedener Burgen und Schlösser am Rhein waren möglich, nachdem das Rheinland im Ergebnis der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 und des Wiener Kongresses der preußischen Monarchie zugeschlagen wurde.

Friedrich der Große als leuchtendes Vorbild

Zahlreiche Staatsbauten und Kirchen in Berlin und Potsdam wurden unter seiner Regentschaft errichtet. Er wohnte in seiner Kronprinzenzeit mit seiner Gemahlin, der aus Bayern stammenden Königin Elisabeth, im Schloss Charlottenhof beziehungsweise im Sommerschloss Sanssouci des von ihm als leuchtendes Vorbild verehrten Friedrich II., des Großen. Dessen von Christian Daniel Rauch geschaffenes Reiterdenkmal wurde 1851 Unter den Linden in Berlin vom König eingeweiht. Die nach Skizzen des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius in Form einer italienischen Villa erbauten Römischen Bäder unterstreichen die Italiensehnsucht vieler Menschen in der damaligen Zeit. Die Anlage ist mit antiken Kunstwerken beziehungsweise Kopien nach diesen ausgestattet. Sie war sowohl ein klassizistisch gestalteter Rückzugsorte der königlichen Familie und Teesalon als auch Hofgärtnerhaus und Wohngebäude von Gärtnern, die im Park von Sanssouci tätig waren. Sich hat Friedrich Wilhelm IV. selbstironisch als Fisch in Menschengestalt gezeichnet, und wer die Römischen Bäder besucht, sieht am Eingang einen solchen Butt aus Metall, wie aus seinem Maul Wasser in ein kleines Becken sprudelt. Der Fisch ist eine Anspielung an den Titel "Dauphin" (Delphin), den französische Kronprinzen trugen. Irgendwie passt Butt zu dem dicken Friedrich Wilhelm IV. Er war gerade 60 Jahre alt, als ihn ein Schlaganfall ereilte. Bewegungs- und sprachbehindert, erschien er nach 1858 nicht mehr in der Öffentlichkeit. Sein Bruder Wilhelm übernahm die Regentschaft und bestieg am 2. Januar 1861 nach dem Tod des kranken Königs den preußischen Thron und wurde zehn Jahre später im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, mitten im deutsch-französischen Krieg, von den deutschen Bundesfürsten und nicht auf Antrag des Volkes zum Deutschen Kaiser ausgerufen.

Reif von Dreck und Letten

In der Revolutionszeit von 1848/49 spielte Friedrich Wilhelm IV. eine unglückliche Rolle. Er befleckte seine Hände mit Blut, indem er Soldaten auf Barrikadenkämpfer und Revolutionstruppen schießen ließ. Charakteristisch für sein ausgeprägtes monarchisches Sendungsbewusstsein war im Frühjahr 1849 die Ablehnung der ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angebotenen deutschen Kaiserkrone. Da die Offerte nicht von den deutschen Fürsten kam, sondern "nur" von der Nationalversammlung, stand für Friedrich Wilhelm IV. fest, sie zu verweigern. In seinen Augen war diese Kaiserkrone mit dem Ludergeruch der Revolution behaftet, ein "Reif von Dreck und Letten".

Die aus Frankfurt am Main angereiste Delegation war entsetzt. Als der Monarch die Delegation der Nationalversammlung verließ, rief ihm der Königsberger Arzt und linke Demokrat Johann Jacoby hinterher: "Das ist Unglück der Könige und stürzt sie ins Verderben, dass sie die Wahrheit nicht hören wollen." Diese Feststellung machte schnell die Runde und wurde zum geflügelten Wort. Da heutige Politiker oft genug die Wahrheit ignorieren und sich wenig darum kümmern, was das Volk wirklich bewegt, besitzen Jacobys Worte weiterhin Aktualität. Allerdings wird den Großen und Mächtigen dieser Welt heute wegen Fehlentscheidungen und Verfehlungen nicht der Kopf abgeschlagen wie jenem französischen König Ludwig XVI. und seiner Frau Marie Antoinette im Jahr 1793, mitten in der Zeit der französischen Revolution. Dass das 1848 durchaus im Bereich des Möglichen war, zeigt die Angst des preußischen Königspaars und anderer Fürstlichkeiten vor der Guillotine und ihre Mühen, den "roten Pöbel" durch Gewalt in Schach zu halten und einer Ausbreitung der Revolution mit militärischen und politischen Mitteln Einhalt zu gebieten.

Gedenkmünzen in voreiligem Gehorsam geprägt

"Die Frankfurter Krone mag sehr glänzend sein, aber das Gold, welches dem Glanze Wahrheit verleiht, soll erst durch das Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden; und ich habe kein Vertrauen, dass dieser Umguss mit der Form dieser Verfassung gelingen werden", rechtfertigte der spätere preußische Ministerpräsident und deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck im Preußischen Landtag die Ablehnung der Kaiserwürde durch Friedrich Wilhelm IV. und betonte, dass die preußische Krone wertvoller sei und höher stehe als die Reichskrone.

Bei der Frankfurter Nationalversammlung hätte man eigentlich wissen müssen, wie der erzkonservativ denkende, am Gottesgnadentum seiner Herrschaft und am feudalen Ständestaat eisern festhaltende Monarch zur Kaiserfrage steht. In der Stadt am Main allerdings wurden in der Erwartung einer positiven Antwort schon Münzen und Medaillen geprägt, die Friedrich Wilhelm IV. mit der Formulierung "Erwählt zum Kaiser der Deutschen" feiern. Die Auflage dieser Doppelgulden ist gering, ab und zu werden sie im Münzhandel angeboten und erzielen je nach Erhaltung stattliche Preise.

3. Mai 2019

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