Sehnsucht nach Italien und besseren Zeiten
Was es mit dem Potsdamer Schloss Charlottenhof und den Römischen Bädern auf sich hat







Mit Schloss und Park Charlottenhof verwirklichte Friedrich Wilhelm (IV.) mit Hilfe hochrangiger Architekten und Gartenkünstler seinen Traum von einem "preußischen Arkadien". Der Kronprinz und König nannte das malerisch gelegene Anwesen, in dem er sich mit seiner Gemahlin Elisabeth ohne höfischen Zwang bewegen konnte, "mein Siam".



Die Prunkvase aus der Königlichen Porzellanmanufaktur Berlin wurde Friedrich Wilhelm IV. 1840 zur Thronbesteigung verehrt, das Marmordenkmal vor dem Orangerieschloss im Park von Sanssouci ist eine Arbeit von Gustav Bläser und zeigt den am 2. Januar 1861 an den Spätfolgen eines Schlaganfalls verstorbenen Monarchen in einfacher Uniform mit einer Schirmmütze in der Hand. Rechts Büste der Prinzessin, ab 1840 Königin Elisabeth auf einer Säule, die in einem Wasserbecken steht.



Das blau-weiß gestreifte Eckzimmer ist wie ein Zelt gestaltet und diente Hofdamen als Schlafraum.



Sich selbst zeichnete Friedrich Wilhelm IV. als Fisch in Menschengestalt, die Karikatur daneben zeigt ihn vor dem Schloss Sanssouci als trinkfreudigen Nachfolger Friedrichs des Große, dessen Fußstapfen für ihn viel zu groß sind.





Antikes Flair strömen die Römischen Bäder aus, der dicke Butt im unteren Bild speit Wasser in einen Sarkophag aus der Römerzeit. (Fotos/Repros: Caspar)

Vor dem Schloss Charlottenhof, der nach Plänen von Schinkel erbauten Sommerresidenz des Kronprinzen Friedrich Wilhelm (seit 1840 König Friedrich Wilhelm IV.), steht in einem Wasserbecken auf einer hohen ionischen Säule eine von Christian Friedrich Tieck zwischen 1824 und 1826 geschaffene Bronzebüste der bayerischen Prinzessin Elisabeth, der Gemahlin des Kronprinzen bzw. Königs. In der Nähe des klassizistischen Schlosses werden im Dichterhain acht berühmte Schriftsteller und Poeten geehrt. Die marmornen Porträthermen stellen Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder und Christoph Martin Wieland sowie vier Dichter der italienischen Renaissance dar. Der Bauherr, Preußens Kronprinz Friedrich Wilhelm, ab 1840 König Friedrich Wilhelm IV., ist hier in seinem Refugium nicht durch ein Denkmal anwesend, sondern durch das von ihm geschaffene Gesamtkunstwerk aus Architektur und Gartenkunst allgegenwärtig. Man muss quer durch den Park Sanssouci und hinauf zum Orangerieschloss gehen, um dem "Romantiker auf dem Thron" genannten Monarchen in die Augen schauen zu können. Ohne alle königlichen Insignien steht er, von Gustav Bläser in Marmor gemeißelt, auf einem schlichten Sockel und schaut hinaus in das von Friedrich II. und ihm gestaltete Schlösser- und Gartenreich.

Beim Besuch des Schlosses Charlottenhof wird oft die Frage gestellt, nach wem es benannt ist. Der Name bezieht sich auf keine der preußischen Königinnen und Prinzessinnen, sondern auf Maria Charlotte von Gentzow, die Frau eines königlichen Kammerherren, die hier ein kleines Gut in Sichtweite des Neuen Palais besaß. Ihre Vorgänger waren Mitte des 18. Jahrhunderts der preußische Oberbaudirektor Johann Boumann sowie der Landbaudirektor Johann Gottfried Büring und der Architekt Carl von Gontard, um einige prominente Namen zu erwähnen. Der Potsdamer Kaufmann Gottlieb Wilhelm Holtze verkaufte den Landsitz mit einem barocken Gutshaus darauf 1825 an die preußische Krone. In den folgenden Jahren richtete sich hier Friedrich Wilhelm (IV.) und seine Gemahlin dessen Gemahlin Elisabeth Ludovika von Bayern wohnlich ein. Der Kronprinz hatte Charlottenhof von seinem Vater Friedrich Wilhelm III. 1825 als Weihnachtsgeschenk bekommen hatte.

Bauherr nannte sich "Lord Dicky Butt of Siam"

Der an allem, was mit Architektur und Kunst zu tun hatte, interessierte Kronprinz beauftragte Karl Friedrich Schinkel, Charlottenhof im Stil des Klassizismus um- und neu zu bauen, während die Gartenkünstler Peter Joseph Lenné und Hermann Ludwig Sello um das Schloss einen mit weiteren Bauten bestückten Landschaftspark anlegten. Sein Sommerschloss nannte Friedrich Wilhelm IV. "Siam", womit nach dem Verständnis der Zeit ein fernes "Land der Freien" gemeint war. Von sich sprach er scherzhaft "Siam-house-architect" sowie in Anspielung auf seine Korpulenz und den Spitznamen "Butt" innerhalb der Familie "Lord Dicky Butt of Siam". Friedrich Wilhelm IV. hat sich sogar selbstironisch als Fisch in Menschengestalt gezeichnet, und wer die Römischen Bäder nahe Schloss Charlottenhof besucht, sieht am Eingang einen solchen Butt aus Metall, aus dessen Maul Wasser in ein kleines Becken sprudelt. Der Fisch ist eine Anspielung an den Titel "Dauphin" (Delphin), den französische Kronprinzen trugen.

Beim Umbau von Schloss Charlottenhof zwischen 1826 und 1829 wurde Schinkel von seinem Schüler Ludwig Persius unterstützt, der später den Titel "Architekt des Königs" erhielt. Da die Mittel selbst für ein Mitglied des preußischen Herrscherhauses begrenzt waren, wurde das kleine Lustschloss kostensparend auf den Grundmauern des alten Gutshauses neu errichtet. Der an allem, was mit Architektur zu tun hat, interessierte und immerzu zeichnende und mit Bauplanungen beschäftigte Kronprinz lieferte mit seinen Entwurfszeichnungen Vorlagen für die Gestaltung seines Schlosses und des umliegenden Park und bestimmte auch, wie die bürgerlich zu nennende Inneneinrichtung aussehen soll.

Schlichte Formensprache im Geist der Antike

In seiner schlichten Formensprache ist Schloss Cecilienhof vom Geist der Antike und von römischen Villenbauten geprägt. Bei der Ausgestaltung der Räume ließ sich Schinkel von Ausgrabungen in Pompeji und Herculaneum und von Villen wohlhabender Römer inspirieren, was auch für die Römischen Bäder in der Nähe gilt. Die Gestaltung und Möblierung des Schlosses im Geist des Biedermeier, die zum großen Teil auf Schinkel zurück geht, hebt sich in ihrer eleganten Schlichtheit und bürgerlichen Gediegenheit fundamental von dem spätbarocken Prunk ab, der im nahe gelegenen Neuen Palais von Friedrich II. und seinen Hofkünstlern entfaltet wurde. Bemerkenswert ist, dass jeder Raum in Charlottenhof ein unterschiedliches Thema in Bezug auf Material und Farbe hat. Sogar die Türen haben unterschiedliche, auf den jeweiligen Raum abgestimmte Seiten. Das originellste Zimmer ist das nach Art römischer Feldherrenzelte gestaltete Zeltzimmer. An Decken und Wände sind blau-weiß gestreifte Papiertapeten geklebt. Das gleiche Muster haben die Vorhänge und baldachinartigen Überhänge sowie die Decken der Betten für Hofdamen und illustre Gäste. Im Zeltzimmer wohnte während der Sommermonate zwischen 1835 und 1840 auf Einladung des Kronprinzen kein Geringerer als der Weltreisende Alexander von Humboldt.

Friedrich Wilhelms Vorliebe für die Architektur und vermeintlich bessere Zeiten lange vor ihm war bekannt und wurde etwa von Karl Varnhagen von Ense, einem scharfen Beobachter seiner Zeit, so kommentiert: "Die Baulust des Königs ist ungeheuer, doch fast nur auf Kirchen, Schlösser und Kunstgebäude gestellt, auf Bauten des Prunks; von der Baulust Napoleon's grundverschieden, der vor allem die gemeinnützige Technik im Auge hatte, Straßen, Kanäle. Häfen usw." Die nach Skizzen des Kronprinzen von Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius in Form einer italienischen Villa erbauten Römischen Bäder nahe Schloss Charlottenhof bekunden wie dieses die Italiensehnsucht des Monarchen und vieler seiner Zeitgenossen. Die Anlage ist mit antiken Kunstwerken beziehungsweise Kopien nach diesen ausgestattet. Das Bauensemble am Ufer des Maschinenteichs war sowohl ein klassizistisch gestalteter Rückzugsort der königlichen Familie und Teesalon als auch Hofgärtnerhaus und Wohngebäude von Gärtnern, die im Park von Sanssouci tätig waren.

Irgendwie passte das Bild vom Butt, das er humorvoll von sich zeichnete, zu dem dicken König. Friedrich Wilhelm IV. Er war gerade 60 Jahre alt, als er von einem Schlaganfall getroffen wurde. Bewegungs- und sprachbehindert wie er war, erschien er nach 1858 nicht mehr in der Öffentlichkeit. Sein Bruder Wilhelm, seines Zeichens Prinz von Preußen, übernahm die Regentschaft und bestieg am 2. Januar 1861 nach dem Tod des Königs als Wilhelm I. den Thron und wurde zehn Jahre später im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles, mitten im deutsch-französischen Krieg, zwar von den deutschen Bundesfürsten, aber nicht auf Antrag des Volkes zum Deutschen Kaiser ausgerufen.

Zusammenarbeit mit großen Künstlern

Die Kindheit und Jugend des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen wurde von der schweren Zeit der napoleonischen Bedrückung geprägt. Der frühe Tod der Mutter Luise von Preußen, geborene Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, im Jahre 1810, die aufregenden Jahre der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 und des Wiederaufbaues hinterließen im Gemüt des aufgeweckten Prinzen merkliche Spuren. Tiefe Religiosität und schwärmerische Verehrung vermeintlich besserer mittelalterlicher Zeiten prägten sein Denken und Tun. Im Familienkreis in Anlehnung an den Titel der französischen Kronprinzen "Dauphin" (Delphin) wegen seiner Dicklichkeit "Butt" genannt, arbeitete er schon während der Regentschaft seines Vaters Friedrich Wilhelm III. mit den Architekten Schinkel und Persius, dem Gartengestalter Lenné, den Bildhauern Schadow und Rauch sowie anderen hochkarätigen Künstlern zusammen. 1840 auf den Thron gelangt, veranlasste er die Restaurierung von Burgen im Rheinland, das 1815 an Preußen gefallen war, und ließ den monumentalen Torso des Kölner Doms fertig stellen. Außer Charlottenhof bewohnte der König das Sommerschloss Sanssouci des von ihm so verehrten Friedrich II. Dessen von Rauch geschaffenes Reiterdenkmal wurde 1851 Unter den Linden in Berlin von Friedrich Wilhelm IV. eingeweiht.

In der Revolutionszeit von 1848/49 spielte Friedrich Wilhelm IV. eine höchst unglückliche Rolle. Er befleckte seine Hände mit Blut, indem er Soldaten auf Barrikadenkämpfer und Revolutionstruppen schießen ließ. Charakteristisch für sein ausgeprägtes monarchisches Sendungsbewusstsein war die Ablehnung der deutschen Kaiserkrone im Frühjahr 1849 aus der Hand des Volkes. Da das Angebot nicht von den deutschen Fürsten kam, sondern "nur" von der Nationalversammlung, stand für Friedrich Wilhelm IV. fest, es nicht anzunehmen. In seinen Augen war die Kaiserkrone ein "Reif von Dreck und Letten" und mit dem Ludergeruch der Revolution behaftet. "Die Frankfurter Krone mag sehr glänzend sein, aber das Gold, welches dem Glanze Wahrheit verleiht, soll erst durch das Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden; und ich habe kein Vertrauen, daß dieser Umguss mit der Form dieser Verfassung gelingen werden", erklärte der nachmalige preußische Ministerpräsident und deutsche Reichskanzler Otto von Bismarck im Landtag zur Ablehnung der Kaiserwürde durch den König und unterstrich mit diesem Verdikt auch, dass er preußische Krone als viel wertvoller und höher stehend als die eines deutschen Kaisers erachtet. Als deutsche Fürsten seinem Bruder, König Wilhelm I., die deutsche Kaiserkrone anboten, nahm er sie an und ließ sich am 18. Januar 1871 zum deutschen Kaiser ausrufen.

Meilenstein der Gartenkunst

Der Park Charlottenhof gilt als ein Meilenstein der Gartenkunst und Gartengeschichte, weil er erstmals umfangreiche geometrische, damals als "italienisch" bezeichnete Partien in den landschaftlichen Rahmen einbezog. Wie das Schloss, so gehen diese Bereiche auf persönliche Entwürfe des italienbegeisterten Kronprinzen zurück. Der Park wurde geschickt mit dem alten Park Sanssouci aus der Zeit Friedrich des Großen verbunden. Das ursprünglich flache und stellenweise sumpfige Gelände wurde in einen englischen Landschaftsgarten verwandelt, dessen Hauptelemente Baum, Wiese und Wasser sind. Die Bewässerung erfolgte mit Wasser aus der Havel, wofür eine Wasserleitung und ein eigenes Maschinenhaus gebaut wurden. Ab 1836 entstand westlich vom Schlossgebäude das Hippodrom, das von einem Wäldchen umgeben ist. Im Jahr 1840 wurde dahinter eine Fasanerie nach Plänen von Friedrich Ludwig Persius angelegt. Das Gelände um die Fasanerie bekam durch Lenné einen waldartigen Charakter. Die Wege in diesem Bereich eignen sich für ruhige und besinnliche Spaziergänge. Zwischen 1960 und 1980 stand in der Mitte des Hippodroms hinter einem Bretterverschlag das in Bronze gegossene Reiterstandbild Friedrichs des Großen, das auf Geheiß des Staats- und SED-Chefs Erich Honecker seinen alten Platz Unter den Linden zurück erhielt.

28. Juni 2019

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