Den Hugenotten Freundschaft und Fürsorge
Mit dem Edikt von Potsdam holte Kurfürst Friedrich Wilhelm 1685 Glaubensflüchtlinge aus Frankreich nach Brandenburg







Das 1685 erlassene Edikt von Potsdam hatte für Brandenburg-Preußen durch den Zuzug von französischen Glaubensflüchtlingen viele positive Effekte. Nach dem Empfang durch den Großen Kurfürsten, hier auf einem Gemälde von Hugo Vogel aus dem Jahr 1885, holten auch andere Hohenzollernherrscher Fremde aus dem Erzbistum Salzburg, Böhmen und anderen katholisch beherrschten Territorien ins Land.



Der Grafiker Daniel Chodowiecki hat Stiche zur Geschichte der Hugenotten in Berlin und Brandenburg-Preußen geschaffen, nach diesen haben sich weitere Künstler gerichtet, hier der Empfang durch Friedrich Wilhelm, links oben im Himmel Porträts seiner Nachfolger aus dem preußischen Thron. Rechts legen Manufakturisten dem Kurfürsten kostbare Stoffe zur Begutachtung und zum Kauf vor.



Die Neuankömmlinge aus Frankreich nähern sich nach langen Wegen ihrem Ziel, Grafik aus dem 19. Jahrhundert. Rechts kann man das Hugenottenkreuz im Holländischen Viertel in Potsdam entdecken.







Die Medaillen von 1772 und 1885 erinnern an die Aufnahme französischer Glaubensflüchtlinge in Brandenburg-Preußen.



Im Französischen Dom am Berliner Gendarmenmarkt zeigt das Hugenottenmuseum, wer die Zuwandere waren und was sie für die Belebung von Wirtschaft und Kultur in Brandenburg-Preußen geleistet haben. Auch das Potsdam Museum am Alten Markt widmet sich ausführlich diesem Thema.



Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. begrüßt vor dem Potsdamer Stadtschloss Zuwanderer aus Böhmen, links fliehen Protestanten aus dem katholischen Erzbistum Salzburg auf den Weg in eine neue, bessere Heimat, die ihren protestantischen Glauben respektiert. (Fotos/Repros: Caspar)

Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) holten die in Brandenburg herrschenden Hohenzollern zahlreiche Fremde ins Land. Friedrich Wilhelm, genannt der Große Kurfürst, brauchte fleißige, gut ausgebildete und vermögende Zuzügler, um das durch den Krieg schwer geschwächten, ausgeblutete und an vielen Orten menschenleere Land wieder auf die Beine zu stellen. Erst waren es Niederländer, dann Franzosen und Leute aus Böhme, denen besondere Vergünstigungen und Steuerfreiheit gewährt wurde. Man rechnet mit bis zu 20 000 französischen Glaubensflüchtlingen, die unter seiner Regentschaft beziehungsweise ab 1688 der seines Sohns Friedrich III. (ab 1701 König Friedrich I. in Preußen) aufgenommen wurden. Die Handwerker und Bauern, Kaufleute, Künstler, Wissenschaftler, Soldaten und anderen Leute reformierten Glaubens hatten ihr Land verlassen müssen, weil der französische Sonnenkönig Ludwig XIV. sie zwingen wollte, in den Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren. Wer sich weigerte, war vogelfrei und hatte mit schlimmer Verfolgung zu rechnen.

Grundlage für den Zuzug war das am 29. Oktober 1685 von Friedrich Wilhelm erlassene "Edikt von Potsdam", das den aus Frankreich vertriebenen Hugenotten Arbeit und Vergünstigungen gewährte. In dem Dokument sicherte der Große Kurfürst den Franzosen "eine sichere und freye retraite" (Zuzug, Eintritt) sowie Freundschaft und Zuwendung. Der Landesherr nahm sie mit offenen Armen auf und stellte ihnen Hilfe bei der Begründung einer neuen Existenz in Aussicht. Die Hugenotten lebten und arbeiteten in eigenen Vierteln, hatten eigene Kirchen, Schulen sowie karitative Einrichtungen, und selbstverständlich verständigten sie sich untereinander in der Muttersprache. Eine "Vermischung" mit den Einheimischen fand zumindest in den ersten hundert Jahren kaum statt, denn Hochzeiten mit Deutschen waren nicht erwünscht. In Potsdam besaßen die eingewanderten Franzosen eine eigene, zunächst recht bescheidene Kirche, die Friedrich II., der Große, am Bassinplatz durch einen Rundbau nach Plänen von Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff ersetzen ließ.

Jeder fünfte Berliner war Franzose

Die Residenzstädte Berlin und Potsdam waren die wichtigsten Ziele der Refugiés, die auch zum Teil recht beträchtliche Kapitalien und viel technisches und künstlerisches Know-how ins Land brachten. Um 1700 machte die französische Kolonie in Berlin etwa ein Fünftel der Einwohnerschaft aus. Vor allem der Hof als wichtigster Auftraggeber zog die Hugenotten an. Ein französischer Diplomat berichtete, er habe die Stadt "angefüllt mit Franzosen" gefunden. "Sie flüchteten in Massen hierher, angezogen von der günstigen Aufnahme, die der Kurfürst den ersten bereitet hatte. Jeden Tag sah man hier Kaufleute, Handwerker und Edelleute in Mengen eintreffen."

Neben dem, was sie und all die anderen Glaubensflüchtlinge an materiellen Gütern mitbrachten, waren ihre technischen und künstlerischen Fähigkeiten und Fertigkeiten für die Entwicklung Kurbrandenburgs von unschätzbarem Wert. Viele Gewerke wurden hier erstmals eingeführt oder auf den neuesten Stand gebracht. Zu nennen sind das Weben und Färben von Textilien, das Wirken von Strümpfen, die Verarbeitung von Gold- und Silberfäden für Borten und Tressen, die unter anderem für die Armee bedeutsam waren, ferner Gold- und Silberschmiedekunst sowie die Herstellung von Gobelins und weiterer Luxusartikel für den Hof und die reiche Oberschicht. Nicht zu vergessen ist der Anbau unbekannter Gemüsesorten wie Spargel und Blumenkohl. Da nicht alle Hugenotten in Berlin angesiedelt werden konnten, wies man ihnen Arbeit und Wohnung in weiteren kurmärkischen Städten wie Frankfurt (Oder), Prenzlau, Potsdam und Schwedt zu.

Spannungen, Rivalitäten, Beschwerden

Die Fremden wurden von den Einheimischen nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Auf beiden Seiten gab es Akzeptanz- und Anpassungsprobleme, denn man sah einander als Konkurrenten an. Das führte zu Spannungen und Rivalitäten im Zusammenleben und zu Beschwerden, auf die Hof mit Edikten und Befehlen reagierte. Dessen ungeachtet übernahmen die Berliner und Kurmärker von den Neuankömmlingen nicht nur ihr technisches Können, sondern auch deren Umgangsformen und Elemente ihrer Sprache. In besseren Kreisen bis hin zur Herrscherfamilie parlierte man französisch, das gemeine Volk integrierte aufschnappte Ausdrücke, so dass die Umgangssprache ein kurioses Gemisch von Berliner Mundart und französelnden Ausdrücken wurde.

Die Einwanderung von Glaubensflüchtlingen aus katholischen Ländern wie Frankreich, Böhmen oder dem Erzbistum Salzburg im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert durch die Hohenzollern wurde in Brandenburg-Preußen auf vielfältige Weise dokumentiert - durch Kupferstiche, Gemälde, Skulpturen und Medaillen. Zur Hundertjahrfeier der Französischen Gemeinde erschien 1772 eine Medaille mit frommer Allegorie und daneben kleiner Ansicht des Französischen Doms am Opernplatz, zur Zweihundertjahrfeier des Edikts von Potsdam wurde 1885 eine andere Medaille geprägt, auf der sich der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg und der preußische König und deutsche Kaiser Wilhelm I. anschauen. "Gott schütze unsere Souveräne" lautet übersetzt die französische Inschrift unter den von Eichenlaub umkränzten Bildnissen. Zu Füßen der Figurengruppe auf der Rückseite deuten Früchte an, dass die Franzosen auch die bis dahin eher triste märkische Küche belebt haben.

Üble Haushaltung der Kämmereien

Um 1700 machte die französische Kolonie etwa ein Fünftel der Berliner Einwohnerschaft aus. Man zählte bei ihnen 45 Schuhmacher, 42 Goldschmiede, 41 Schneider, 36 Perückenmacher, 26 Bäcker, 20 Tischler, 20 Posamentierer, 19 Tapezierer, 18 Gerber, 16 Hutmacher und viele andere Gewerke. Hinzu kamen 25 Ärzte und Wundärzte, 10 Apotheker, 18 Gastwirte, 18 Sänftenträger und sechs Maler. Somit bereicherten die Franzosen das gewerbliche Angebot und kulturelle Niveau in ihrer neuen Heimat. Der später wider Willen zu zweifelhaftem Ruhm als Hofnarr gelangte Chronist Jacob Paul von Gundling lobte, dass Textil-, Strumpf- und Hutmanufakturen, Stahl- und Spiegelfabriken und weitere Gewerbe erst von den Franzosen eingeführt wurden. Indes hätten die Zuwanderer mit "übler Haushaltung der Magisträte und Kämmereien" zu tun gehabt, die ihren eigenen Vorteil beförderten und sich mehr um Juristerei und Prozesse als um den Kommerz kümmerten "und zufrieden waren, wenn sie durch Erhöhung der Zölle Geld herbei schaffen konnten."

Die nach ihrer Unterdrückung durch den französischen Sonnenkönig Ludwig XIV. geflohenen Hugenotten besaßen eigene Verwaltung und Gerichtsbarkeit, aber auch Kirchen, Schulen, Hospitäler und Sozialsysteme, die Bedürftige über Wasser hielten. Ein französischer Diplomat berichtete, er habe Berlin "angefüllt mit Franzosen" gefunden. "Sie flüchteten in Massen hierher, angezogen von der günstigen Aufnahme, die der Kurfürst den ersten bereitet hatte. [...] Jeden Tag sah man hier Kaufleute, Handwerker und Edelleute in Mengen eintreffen." Bevorzugte Wohnorte der Einwanderer waren die kurfürstlichen und königlichen Trabantenstädte Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt sowie die Gegend rund um das Schloss Hugenottische Beamte, Militärs, Diplomaten, Lehrer, Künstler, Geistliche und Gelehrte beeinflussten nachhaltig Lebensweise und Weltsicht der Spitzen des Staates.

Neben dem, was die Franzosen und andere Glaubensflüchtlinge an materiellen Gütern mitbringen konnten, waren ihre technischen und künstlerischen Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten für die Entwicklung des Landes von unschätzbarem Wert. Viele Gewerke wurden erst von den Neuankömmlingen eingeführt oder auf den neuesten Stand gebracht. Zu nennen sind das Weben und Färben von Textilien, das Wirken von Strümpfen, die Verarbeitung von Gold- und Silberfäden für Borten und Tressen, die unter anderem für Uniformen der Armee bedeutsam waren, ferner Gold- und Silberschmiedekunst sowie Gobelins, Teppiche, Prunkmöbel und weiterer Luxusartikel für den Hof und die reiche Oberschicht. In der Mark Brandenburg lernte man die Vorzüge der französischen Küche sowie unbekannte Gemüse wie Spargel, Bohnen, Blumenkohl und Salate, aber auch Orangen und Zitronen kennen und lieben. Bis heute sagen die Berliner Buletten (vom Wort la boule, die Kugel) zu den gebratenen Fleischbällchen, die anderswo Frikadellen heißen.

Steuerbefreiung, Baumaterialien, Grundstücke

Die Fremden wurden von vielen Einheimischen nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Man hatte auf beiden Seiten Anpassungsprobleme und sah einander als Konkurrenten an. Neid und Missgunst bestimmten das Verhältnis, denn die Neuankömmlinge besaßen manche Privilegien, die dem großen Rest der Bevölkerung vorenthalten wurden. Dazu gehörten die Steuerbefreiung und das Zugeständnis, keine Soldaten aufnehmen zu müssen. Außerdem wurden Hugenotten Baumaterialien sowie Grund und Boden geschenkt oder billig überlassen. Da die französischen Handwerker den alteingesessenen Produzenten wegen des mitgebrachten Know-how überlegen waren und sich zierlicher und höfischer zu bewegen verstanden, erhielten sie vom Hof und reichen Leuten mehr Aufträge als diese, was zu bösem Blut führte. Schließlich gab es in Glaubensdingen Differenzen, und es soll vorgekommen sein, dass von der Kanzel gegen die Refugiés gewettert wurde. Die Obrigkeit versuchte mit harschen Edikten und Strafandrohungen, die Wogen zu glätten.

Ungeachtet mancher Animositäten und Anpassungsschwierigkeiten profitierten die Residenzen und ihr Umland von den Franzosen. In besseren Kreisen bis hin zur Herrscherfamilie wurde französisch parliert, und das gemeine Volk integrierte fremde Wörter in die Alltagssprache. "Die teutsche Sprach' kommt ab, ein' andre schleicht sich ein. / Wer nicht Französisch redt, der muss ein Simpel sein", reimten Beobachter, und andere behaupteten "Wer nicht französisch kann, der kömmt zu Hof nicht an". Französisch zu sprechen galt als chic, vornehm, weltläufig und karrierefördernd, ähnlich dem Englischen heute, das bei passenden und unpassenden Gelegenheiten und oft in falschem Zusammenhang gebraucht wird. "Die Berliner radebrechen ständig französisch, pudern, parfümieren sich, putzen sich heraus, gebärden sich rücksichtslos und prallerisch", notierte der "Teutsche Kurier" im ausgehenden 18. Jahrhundert.

In unserer Alltagssprache finden wir auch heute mehr oder weniger eingedeutschte Wörter wie Adresse, adrett, Akteur, amüsieren, Annonce, Aperitif, arrogant, Attaché, Avenue, Bagage, Bagatelle, Baguette, Balkon, Ballon, Barbier, Barriere, Bastion, Bataillon, Bedrouille, Billett, blasiert, blümerant, Bonbon, Boutique, Chance, Charité, Charmeur, Chaussee, Dame, Destille, Fasson, Feuilleton, Flaneur, Fontäne, Friseur, Garderobe, Gendarm, Jackett, jonglieren, Journalist, Konfitüre, Livree, Madame, Malheur, Milieu, Moment, Muckefuck, Paravent, Parvenü, Parfüm, passabel, Restaurant, schick, Soße, Tablett, Taburett, Toilette und viele andere

1. August 2019

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