"Seel'gen Frieden habt Ihr nun gefunden"
Kriegerdenkmale auf dem Alten und dem Neuen Friedhof an der Heinrich-Mann-Allee in Potsdam



Aus dem 19. Jahrhundert stammen auf dem Alten Friedhof an der Heinrich-Mann-Allee die beiden Kriegerdenkmale, welche die Helden der Befreiungskriege von 1813 bis 1815 gegen Frankreich (links) und das Potsdamer "Heldenmädchen" Eleonore Prohaska ehren.



Eine Gedenktafel am Waisenhaus in der Potsdamer Lindenstraße erinnert an Maria Christina Eleonore Prohaska, die 1785 in Potsdam geboren wurde und 1813 im Kampf gegen die Franzosen fiel.



Auf dem Sophienfriedhof an der Ackerstraße in Berlin-Mitte befindet sich das Ehrengrab von Johanna Stegen. Das Heldenmädchen von Lüneburg verschaffte den eigenen Soldaten Munition und half so im April 1813 beim Sieg über den französischen Feind.



Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammt die in der Nähe des Eingangs befindliche Trauerhalle mit Kapelle. Im Giebel des spätklassizistischen Gebäudes erkennt man die Grablegung Christi.





Den Gefallenen des Ersten Weltkriegs ist das vor dem Neuen Friedhof an der Heinrich-Mann-Allee in Potsdam aufgestellte Kriegerdenkmal gewidmet. Die Postkarte zeigt es noch in hellem Stein, der mit den Jahrzehnten verdunkelt und mit Pflanzen bewachsen ist. (Fotos: Caspar)



In den Befreiungskriegen von 1813 bis 1815 haben Bewohner der Residenz- und Garnisonstadt Potsdam einen hohen Blutzoll im Kampf gegen das napoleonische Joch erbracht. Viele Menschen blieben auf den Schlachtfeldern zurück oder kamen in der Heimat durch Entbehrungen und Krankheiten ums Leben. Diesen ihren Helden hat die Stadt auf dem Alten Friedhof ein eisernes Erinnerungskreuz gewidmet. Der Friedhof wurde auf königliche Weisung 1796 angelegt, nachdem ein Gottesacker vor dem Nauener Tor geschlossen war. Als neuer Begräbnisort wurden ein Exerzierplatz, ein Amtsacker und eine Musterwirtschaft des Kabinettsrates von Beyer ausgewählt. Damit stand ein 9,5 Hektar großes Gelände zur Verfügung, das von einer Mauer aus den Steinen der 1795 abgebrannten Nikolaikirche umschlossen wurde. Zur Eröffnung erhielt der Friedhof ein Torgebäude, das heute nicht mehr existiert. Außerdem hat man alte Erbbegräbnisse vom Friedhof vor dem Nauener Tor auf den neuen Standort überführt. Seinen heutigen Namen bekam der Friedhof 1867, als er zu klein wurde und auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Neuer Friedhof eröffnet wurde.

1851 erhielt der Alte Friedhof eine spätklassizistische, von Ferdinand von Arnim entworfene Trauerhalle mit Kapelle. Im Giebel ist die Grablegung Christi dargestellt. Die Trauerhalle besaß, wie damals bei vielen Gebäuden dieser Art üblich, eine Anlage zur Rettung von Scheintoten. Die Furcht, lebendig begraben zu werden, war damals und ist wohl auch heute verbreitet. Ärzte hatten nur unzureichende Möglichkeiten um festzustellen, ob Menschen nur bewusstlos oder tatsächlich tot sind, etwa indem man ihnen Spiegel vor den Mund hielt, um zu sehen, ob er Atem beschlägt, oder ein Glas mit Wasser auf die Brust stellt, um zu sehen, ob sie sich leicht hebt und senkt. Ermöglicht wurde der Bau der Trauerhalle durch die Spende von August Friedrich Eisenhart, dessen Familiengrabstätte sich in unmittelbarer Nähe befindet. Neben der Trauerkapelle befand sich die Dienstwohnung des Friedhofinspektors.

Eleonore Prohaska wurde August Lenz

Das Denkmal für die Gefallenen der Befreiungskriege steht auf einem hohen Steinsockel und wird von vier schwarzen, also preußischen Adlern mit vergoldeten Schnäbeln bewacht. Lange vergoldete Inschriften in großen Lettern bekunden auf dem Sockel die Dankbarkeit der Potsdamer. "Zweitausend tapfern und siegreichen Vaterlands-Vertheidigern, im großen Jahre der Errettung MDCCCXIII (1813) an den Tagen von Gross-Beeren, Dennewitz, Leipzig verwundet, erkrankt, hier mit Liebe gepflegt, im Tode beweint, auf diesem Gottesacker bestattet weihet dies Denkmal das dankbare Potsdam" ist zu lesen. Eine weitere Inschrift hebt den Einsatz der Kriegsopfer geradezu ins Mythische. "Heil Euch, edle Streiter! Dank und Lohn Euch, die Ihr den Feind des Herrn geschlagen, standhaft Wund' und Schmerz für uns getragen, Euch gebühret hier der Lorbeer schon! - Und ein schöner Kranz ist Euch gewunden. Seel'gen Frieden habt Ihr nun gefunden dort an des gerechten Richters Thron!" Liest man die Inschrift genau, wird man sich des Eindrucks nicht erwehren können, dass sich die Kämpfer der Befreiungskriege sozusagen auf einem Kreuzzug gegen die Welt des Bösen oder, um die Inschrift zu zitieren, gegen den "Feind des Herrn" befunden haben.

Eine Steinsäule mit preußischem Adler auf der Spitze erinnert an das im 19. Jahrhundert geradezu mythisch verehrte "Heldenmädchen" Eleonore Prochaska, Tochter eines Potsdamer Unteroffizier. Da der Vater 1793 in den Krieg gegen Frankreich ziehen musste, sah sich die Mutter außerstande, sich um die Kinder zu kümmern. So kamen Eleonore und ihre drei Geschwister in das Große Militärwaisenhaus in Potsdam, wo Eleonore bis 1797 blieb und zum Vater zurück kehrte, der sein Leben als Musiklehrer fristete. In der Zeit, da Preußen nach dem verlorenen Krieg von 1806/7 gegen Napoleon I. unter den französischen Besatzern litt, interessierte sich die junge Frau für die Volksaufstände in Spanien und Tirol gegen das napoleonische Regime. Sie verließ den väterlichen Haushalt und arbeitete als Köchin in einem Potsdamer Bürgerhaus.

Nachdem der König Friedrich Wilhelm III. im März 1813 mit dem Aufruf "An Mein Volk" seine Untertanen zum Krieg gegen Frankreich aufgerufen hatte und mit diesem Appell an Vaterlands- und Freiheitsliebe ein ungewohnt breites, begeistertes Echo fand, schloss sich Eleonore Ende Juni 1813 unter dem Namen August Renz dem Lützowschen Freikorps an. Ein Zeitzeuge, der Leutnant Otto Preuße, schrieb: "Wir standen in Sandau an der Elbe. Hier kam auch ein Jäger Renz zur Kompanie - wie sich später zeigte, ein Mädchen namens Prochaska. Er wurde Flügelmann, 5 Fuß, 8 Zoll, 3 Strich hoch - Es wurden uns englische Schuhe geliefert, alle bedeutend zu groß, doch zu klein für Renz und ich musste besonders für ihn ein Paar arbeiten lassen. Seine Sprache war nicht besonders fein, so dass niemand in ihm ein Mädchen vermuten konnte. Übrigens kochte er vortrefflich in den Biwaks."

Mutiger Kampf für König und Vaterland

In der Schlacht an der Göhrde im damaligen Königreich Westphalen am 16. September 1813 wurde Eleonore durch eine feindliche Kartätsche schwer verwundet, als sie versuchte, einen verletzten Kameraden aus der Kampflinie zu tragen. Ein herbeigeeilter Vorgesetzter, der ihre Wunden versorgte, entdeckte ihr wahres Geschlecht und ließ sie in ein Bürgerhaus nach Dannenberg bringen, wo sie drei Wochen später ihren Verletzungen erlag. Eine Zeitungsmeldung vom 7. Oktober 1813 berichtete: "Heute morgen um 9 Uhr wurde die Leiche der in der Schlacht bei Göhrde verwundeten Eleonore Prohaska zur Erde bestattet, welche als Jäger im Lützowschen Korps unerkannt ihren Arm aus reinem Patriotismus der heiligen Sache des Vaterlandes geweiht hatte. Gleich einer Jeanne d'Arc hatte sie mutvoll gekämpft den Kampf für König und Vaterland." Kommandeure, Offiziere und Soldaten sowie die Bevölkerung ehrten in der Trauerfeier ihre "ausgezeichnete Tapferkeit und weiblichen Heroismus." Außer Eleonore Prohaska waren auch andere Frauen an Kampfeinsätzen beteiligt, doch niemand erreichte diese Popularität wie die Potsdamerin. Eine 1993 am ehemaligen Militärwaisenhaus in der Potsdamer Lindenstraße 34 angebrachte Tafel erzählt aus ihrem Leben. Als "Potsdamer Jeanne d'Arc" verehrt, war sie Gegenstand patriotischer Geschichten und Gemälde, eines Dramas von Friedrich Rückert und einer 1815 von Ludwig van Beethoven komponierten Bühnenmusik.

Über hundert Jahre später wurde gegenüber den Monumenten auf dem Alten Friedhof vor dem Neuen Friedhof ein weiteres Kriegerddenkmal errichtet. "Den 15001 im Weltkrieg Gebliebenen der Sanitätskorps der Armee, Marine, Schutztruppen" lautet die fünfzeilige Widmung unterhalb eindrucksvollen Figurengruppe. Sie zeigt, wie sich zwei Soldaten, davon einer durch einen Stahlhelm geschützt, um einen dritten, leblosen Kameraden bemühen und ihn vom Schlachtfeld zu tragen versuchen. Dass es sich bei den hier zu ehrenden Toten um Menschen handelt, die im (Ersten) Weltkrieg "geblieben" sind, war eine damals gängige Verharmlosung der Tatsache, dass es sich bei diesem Krieg um ein noch nie gekanntes Abschlachten handelte, bei dem erstmals auf beiden Seiten in großem Stil auch Massenvernichtungswaffen angewandt wurden. Auch die muskulösen Körper der drei spärlich bekleideten und so auch an antike Krieger erinnernden Männer steigern die Szene ins Heldenhafte. Die Ästhetisierung des Heldentodes auf dem Schlachtfeld wird noch gesteigert, als der Gefallene keine Wunden trägt. Dass es sich um einen Soldaten handelt, zeigt das Schwert, das ihm aus der schlaffen Hand entgleitet. Sein nach oben gerichteter Blick zeigt, dass er bereits in andere, himmlische Gefilde entrückt ist.

24. Mai 2019

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