Garnisonkirche als Kulisse und Opfer
Nationalsozialisten nutzten den "Tag von Potsdam" am 21. März 1933 für die Festigung ihrer Diktatur





Die NS-Propaganda und Tourismuswerbung nutzte den "Tag von Potsdam" am 21. März 1933 in der Potsdamer Garnisonkirche schamlos für ihre Zwecke aus. (Foto oben: Max Baur)





Bis zur Sprengung der Ruine konnte man über dem Kirchenportal die unbeschädigt gebliebene Inschrift mit vergoldeten Buchstaben und der Jahreszahl 1735 und weiteren Fassadenschmuck betrachten.



Die 1934 in hoher Auflage geprägten Gedenkmünzen aus Silber zum Tag von Potsdam liegen in vielen Sammlungen. Es gibt auch Versionen von 1934 und 1935 ohne Datum und Hakenkreuze.



Auf dem Foto links aus den 1950-er Jahren ist die Ruine der Garnisonkirche gut zu erkennen, daneben barocke Wohnhäuser in der Breiten Straße, die im Zusammenhang mit dem Abriss 1968 ebenfalls dem Erdboden gleich gemacht wurden.



Das Hinweisschild wird im Potsdam Museum zusammen mit weiteren Relikten der Garnisonkirche gezeigt.



Wiederaufbaupläne in den fünfziger Jahren wurden vom SED-Chef Walter Ulbricht brutal vom Tisch gefegt. In den kommenden Jahren soll die Garnisonkirche oder wenigstens ihr monumentaler Turm aufgebaut werden. In einer Ausstellung nahe der Kirchenbaustelle waren vor einigen Jahren aus den Trümmern gerettete Relikte zu sehen, die heute im Potsdam Museum am Alten Markt gezeigt werden.



Die Grundsteinlegung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche am 14. April 2005, dem 60. Jahrestag der Bombardierung von Potsdam und Zerstörung des Gotteshauses, war 2005 die Prägung dieser Medaille wert. Der Verkaufserlös kam den Baumaßnahmen zugute. (Fotos/Repros: Caspar)

Am 21. März 1933 inszenierte Joseph Goebbels den auch im Rundfunk landesweit übertragenen so genannten Tag von Potsdam, an dem Reichspräsident Paul von Hindenburg in einer feierlichen Zeremonie in der Potsdamer Garnisonkirche die Regierungsmacht an den Führer der NSDAP und neuen Reichskanzler Adolf Hitler. Die vom Propagandaminister gleichgeschaltete und kommandierte Presse beschwor mit markigen Worten und martialischen Bildern von Ansprachen und Paraden die "Einheit von alter Kraft und neuer Größe". Zu dem Staatsakt waren Hohenzollernprinzen sowie hochrangige Militärs und andere Vertreter des altpreußischen Staates erschienen. Deren Beteiligung an dem Spektakel kam der Naziführung gelegen, denn sie konnte damit Weise demonstrieren, dass ihr Regime auf preußischen Traditionen wie Gottvertrauen, Treue zu Volk und Staat, aber auch Verlässlichkeit, Ordnung und Pünktlichkeit beruht und sich damit fundamental von der Weimarer Republik unterscheidet, die von den Nazis und der extremen Rechten als chaotisch und marxistisch verseucht verteufelt wurde. In seinem Tagebuch notierte Goebbels am 20. März 1933, die Regierung beschließe harte Strafen für Provokateure in Uniform, womit Einheiten der KPD, SPD und Gewerkschaften gemeint waren. "Wir dürfen am Ende nicht vor der Todesstrafe zurückschrecken, da sonst die Gefahr besteht, dass die Revolution, die unentwegt weitergehen muss, den Händen des Führers entrissen wird."

Hitler erklärte später in internem Kreis, er habe 1933 die Potsdamer Garnisonkirche eigentlich nur als Kulisse gebraucht. Während die Abgeordneten zum Gottesdienst in die Potsdamer Nikolaikirche und weiteren Kirchen beteten, seien er und Goebbels zu den Gräbern der "alten Kämpfer" gegangen, zu den Blutzeugen der NS-Bewegung. An der Bahre des großen unsterblichen Friedrich beginne das neue Werk des Wiederaufbaues, versprach Hitler bei dem Staatsakt und meinte die unbarmherzige Verfolgung jedweder Opposition und die Errichtung seines Führerstaates. "Die Regierung der nationalen Erhebung ist entschlossen, ihre von dem deutschen Volke übernommene Aufgabe zu erfüllen. Sie tritt daher heute hin vor den Deutschen Reichstag mit dem heißen Wunsch, in ihm eine Stütze zu finden für die Durchführung ihrer Mission. Mögen Sie als gewählte Vertreter des Volkes den Sinn der Zeit erkennen, um mitzuhelfen am großen Werk der nationalen Wiedererhebung", sagte Hitler und verbeugte sich vor Hindenburg. Goebbels fand in seinem Tagebucheintrag vom 22. März 1933 pathetische Worte: "Ein geschichtlicher Augenblick. Das Schild der deutschen Ehre ist wieder reingewaschen. Die Standarten mit unseren Adlern steigen hoch."

Preußenprinzen als nützliche Idioten

Die barocke Garnisonkirche an der Breiten Straße in Potsdam verlieh dem Staatsakt vom 21. März 1933 eine besondere Weihe und Wirkung. Sie wurde zu einem Wallfahrtsort von Menschen, die hier in Ehrfurcht vor den Särgen der Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich I. verharrten und den ganzen Prunk preußischer Militärherrlichkeit bewunderten. Symbolisch grüßte Hindenburg am 21. März 1933 den leeren Sessel, auf dem Kaiser Wilhelm II. bei Gottesdiensten saß, dies aber nicht mehr, ins niederländische Exil vertrieben, tun konnte. Statt seiner ließen sich preußische Prinzen feiern, und Hitler nutzte sie als Alibi und Gelegenheit, sich in ihrem Licht zu sonnen. In Wahrheit dienten sie ihm als nützliche Idioten, denen er konsequent jede Teilnahme an der Macht verweigerte.

Das unter der Regierung des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. von 1731 bis 1735 nach Plänen von Philipp Gerlach erbaute Gotteshaus besaß innen und außen einen reichem, seine Funktion als Hof- und Garnisonkirche unterstreichenden Skulpturenschmuck. In preußisch-deutschen Kriegen eroberte Fahnen waren ein exklusiver Schmuck und dienten der preußisch-deutschen Traditionspflege. Viele Fahnen stammen aus dem Bestand des in der Nähe stationierten 1. Garderegiments zu Fuß, das nach dem Ende der Monarchie in Infanterieregiment 9 umbenannt wurde. Wer auf dem Kasernenhof in der Priesterstraße, der heutigen Henning-von-Tresckow-Straße, exerzierte, hatte immer den Turm der Garnisonkirche im Blick (siehe Eintrag auf dieser Seite vom 8. Juli 2019).

Gedenkmünze mit Hakenkreuzen

Das Gotteshaus war für die von Hitler geführte und mit brutalen Terrormaßnahmen befasste "Regierung der nationalen Revolution" so wichtig, dass sie silberne Zwei- und Fünf-Mark-Stücke mit der Gebäudeansicht und Hakenkreuzen zu beiden Seiten sowie der aus dem Programm der NSDAP von 1920 entnommenen Randschrift "Gemeinnutz geht vor Eigennutz" prägen ließ. Außerdem erklang im Reichsrundfunk regelmäßig deren Glockenspiel mit der von Wolfgang Amadeus Mozart komponierten Melodie zum Choral "Üb immer Treu und Redlichkeit" als Pausenzeichen.

Die Garnisonkirche prägte gemeinsam mit Schinkels Nikolaikirche und der barocken Heiliggeistkirche lange das Potsdamer Stadtbild und repräsentierte Jahrhunderte christlicher Stadtgeschichte. Zugleich war sie der geistliche Mittelpunkt für das Infanterieregiment 9, aus dem viele Mitglieder des christlich-konservativen Widerstands gegen das Hitlerregimes vorgingen und nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 ihr Leben verloren. Während der "Tag von Potsdam" zelebriert wurde, füllten sich die Folterhöhlen der SS und der Polizei sowie die ersten Konzentrationslager, wo Antifaschisten, Gewerkschafter und andere Oppositionelle gequält und ermordet wurden. Am 1. April 1933 organisierten die Nazis im ganzen Reich einen Boykott jüdischer Geschäfte statt, mit dem die Ausgrenzung und Verfolgung aller Bürger eingeleitet wurde, die nicht ins rassistische und völkische Konzept der neuen Machthaber passten. Die Diktatur etablierte sich in atemberaubender Geschwindigkeit, Hitler hatte die Masse der ihn einen nationalistischen und völkischen Rausch verfallenen Deutschen hinter sich, bis sich das Kriegsglück wendete und das Land und halb Europa in einem Meer von Blut, Tränen und Trümmern versunken waren.

"Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht"

Grundlage für die Terrormaßnahmen bildete das so genannte Ermächtigungsgesetz vom 23. März 1933, durch das sich Hitler zwei Tage nach dem "Tag von Potsdam" unumschränkte Vollmachten sicherte. Während kommunistische Reichstagsabgeordnete von den Nazis daran gehindert wurden, ihr Mandat in dem unter terroristischen Bedingungen am 5. März 1933 neu gewählten Reichstag auszuüben, stimmten am 24. März 1933 einzig die Sozialdemokraten gegen das Ermächtigungsgesetz, das angeblich "zur Behebung der Not von Volk und Reich" bestimmt war, in Wirklichkeit aber die demokratischen Grundrechte der Weimarer Verfassung außer Kraft setzte und den Weg in den "Führerstaat" freimachte. Gewalt und Terror, Rassenhetze und Ausgrenzung waren von jetzt ab ungehindert Tür und Tor geöffnet. In seiner letzten Rede im Reichstag sprach sich der SPD-Vorsitzende Otto Wels mit flammenden Worten am 23. März 1933 gegen die Entmachtung des Parlaments aus. Noch niemals, seit es einen Deutschen Reichstag gibt, sei die Kontrolle der öffentlichen Angelegenheiten durch die gewählten Vertreter des Volkes in solchem Maße ausgeschaltet worden, wie es jetzt geschieht, und wie es durch das neue Ermächtigungsgesetz noch mehr geschehen soll. Nach den Verfolgungen, welche die Sozialdemokratische Partei erfahren habe, werde niemand von ihr erwarten und verlangen können, dem Gesetz zuzustimmen. "Freiheit und Leben kann man uns nehmen - Die Ehre nicht", betonte Wels, der kurz nach seiner Rede nach Paris emigrierte und 1939 starb.

Im Zweiten Weltkrieg wurden die in der Gruft aufgestellten Särge der preußischen Könige Friedrich Wilhelm I. und seines Sohns Friedrich II. auch Sicherheitsgründen entfernt. Nach langer Abwesenheit kehrten sie 1991 nach Potsdam zurück. Während der Sarg des Soldatenkönigs im Mausoleum der Friedenskirche im Park von Sanssouci aufgestellt wurde, hat man die Gebeine Friedrichs II. feierlich in die von diesem noch zu Lebzeiten gebaute Gruft in Sichtweite von Schloss Sanssouci gesenkt, so wie es der Wunsch des Verstorbenen immer gewesen war.

Als britische Bomben fielen

Gut drei Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde am 14. April 1945 die alte preußische Residenz- und Garnisonstadt Potsdam von britischen Bombern zerstört. Ganze Straßenzüge der Innenstadt lagen in Trümmern und verschwanden in den folgenden Jahrzehnten aus dem Bild der Stadt. Tausende Menschen starben im Feuersturm, wertvolles Kulturgut ging zu Grunde. Bei der Erstürmung der von den Nationalsozialisten kurz vor Toresschluss noch zur "Festung" erklärten Stadt durch die Rote Armee wurden Ende April 1945 weitere Gebäude in Grund und Boden zerschossen. Zwar begann in den Fünfzigerjahren der zaghafte Wiederaufbau der barocken Innenstadt, doch wurden diese Arbeiten einschließlich der Herstellung von barocken Attikafiguren aus Sandstein für Häuser in der Hoditzstraße, der heutigen Wilhelm-Staab-Straße, aus ideologischen Gründen vom SED-Chef Walter Ulbricht gestoppt. Die nach dem Bombenangriff vom 14. April 1945 nur noch in seinen Umfassungsmauern erhalten gebliebene Garnisonkirche musste für den Missbrauch durch Nazis, Monarchisten und Militaristen büßen.

In den 1950-er Jahren war im Erdgeschoss des Turms die kleine Heilig-Kreuz-Kapelle für den Gottesdienst eingebaut. Der "zur Ehre Gottes" erbauten Garnisonkirche wurde angekreidet, dass dort der "Tag von Potsdam" veranstaltet wurde und die Särge zweier den Kommunisten besonders verhasster Preußenkönige standen. In der "sozialistischen Bezirkshauptstadt" Potsdam sollte nach dem Willen des sächsischen Bilderstürmers Ulbricht nichts mehr an die alte Preußenzeit erinnern. In der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, die formal über den Abriss der Garnisonkirche abstimmen musste, regte sich nur verhaltener Widerstand, um so lauter waren die Proteste im deutschen Westen. Der Akt wurde von der SED als Schlag gegen den preußischen Militarismus und den Faschismus begründet. Ulbricht hatte bereits 1959 den Abriss des von brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Königen erbauten Stadtschlosses veranlasst, das nach dem Ende der SED-Herrschaft seine Wiedergeburt erlebte und Anfang 2014 als Landtagsgebäude eingeweiht wurde. Wiederaufbau des Turms hat begonnen

Für den nach dem Ende der DDR diskutierten Wiederaufbau der Garnisonkirche liegen erste Bauplanungen und Genehmigungen vor. Er beginnt mit dem Wiederaufbau des die Silhouette der Stadt bestimmenden Turms. Aktuell kann man in der Breiten Straße dem Aufbau zuschauen. Die Gesamtkosten für den Turm belaufen sich nach aktuellen Berechnungen auf rund 38 Millionen Euro. Allerdings sind davon bisher nur 6,6 Millionen Euro eingegangen, die zum großen Teil in die Planungsarbeiten eingegangen sind. Neben zwölf 12 Millionen Euro vom Bund stehen weitere 2,4 Millionen Euro als Fördergelder und Hilfen in Aussicht. Attraktive Möglichkeiten, um den Wiederaufbau der Garnisonkirche zu unterstützen, ist das Spenden von Ziegeln, die später sichtbar im Treppenhaus des Turms vermauert werden sollen. Auch das Ausfüllen von Zeichnungsscheinen ist eine sinnvolle Unterstützung. Mit der darin gegebenen Zusage, das Projekt dann finanziell zu unterstützen, wenn mit dem Bau begonnen wird, erhalten die Spender die Sicherheit, dass ihr Geld gut eingesetzt wird, und die Stiftung bekommt finanzielle Planungssicherheit.

Der wiedererstehende Garnisonkirchenturm wird im äußeren Erscheinungsbild dem zerstörten Gebäude entsprechen und im Inneren den Anforderungen zukunftsorientierter Nutzungen Rechnung tragen. Der durch das renommierte Architektenbüro Hilmer & Sattler und Albrecht vorgelegte Entwurf für den Turm enthält einen zentralen, großzügigen und funktionalen Raum. Er ist als Kapelle und Ort des Gedenkens vorgesehen. Die reichhaltig vorhandenen Quellen erlauben eine Rekonstruktion der ursprünglichen Architektur der Garnisonkirche, in historischer Bauweise. Die technische und räumliche Ausstattung entspricht den heutigen Anforderungen und Normen. Die Besucher können alle Etagen behindertengerecht mit einem Aufzug erreichen. Auf der Baustelle des Turmes der Garnisonkirche arbeiten etwa zwölf Maurer gleichzeitig daran, die Wände des Turmes im sogenannten Festungsverband hochzuziehen. Jetzt konnte die erste Zwischendecke gegossen werden, außerdem entstehen die Rundbögen über den Portalen. Kostenfreie Baustellenführungen werden jeweils am Mittwoch um 14 Uhr oder am ersten Samstag im Monat um 11 Uhr angeboten, Treffpunkt ist die Breite Straße 7.

LITERATURTIPP: Potsdamer Bauingenieur sowie Bau- und Kirchenhistoriker Andreas Kitschke erzählt in einem neuen, opulent bebilderten Buch die bewegte Geschichte der Garnisonkirche - von ihrer Errichtung unter Friedrich Wilhelm I. bis zur Sprengung 1968 und den gegenwärtigen Bemühungen um ihre Rekonstruktion. Das Buch erschien im be.bra verlag, hat 400 Seiten und 340 zum Teil bisher unveröffentlichte Abbildungen und kostet 28 Euro.

13. Juli 2019

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