Dem Vergnügen der Einwohner
Potsdamer Kanaloper wurde 1945 schwer beschädigt, hätte aber bei gutem Willen wieder aufgebaut werden können







Friedrich Wilhelm II. trat 1786 die Nachfolge des Großen Friedrich an (unten Medaille auf seine Thronbesteigung). Er schenkte den Potsdamern ein im Stil des Frühklassizismus gestaltetes Schauspielhaus, das diese nach der Lage Kanaloper nannten. Das Moto im Giebel DEM VERGNÜGEN DER EINWOHNER war Programm.



Friedrich II. und seinem Hof standen das üppig mit viel Blattgold ausstaffierte Schlosstheater im Neuen Palais zur Verfügung.



Das für die Schauspieler und Musiker unweit des Potsdamer Theaters erbaute Logierhaus in der Posthofstraße 17 überstand wie durch ein Wunder den Zweiten Weltkrieg ohne Schaden. Nach jahrelangem Leerstand wird die von Dach bis Keller sanierte, unter Denkmalschutz stehende "Schauspielerkaserne" mit einem die Künste verherrlichenden klassizistischen Relief im Giebel als Wohnhaus genutzt.



Vorgänger des heutigen Schauspielhauses auf dem Berliner Gendarmenmarkt war das "Koffer" genannte Nationaltheater, das 1817 ausgebrannt ist.



Der Bildhauer und Grafiker Johann Gottfried Schadow nahm mit dem kolorierten Stich das Treiben einer bunten Schauspielertruppe in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert satirisch aufs Korn.



Das Potsdamer Hans-Otto-Theater bekam an der Schiffbauergasse gleich an der Havel einen attraktiven Standort. (Fotos/Repros: Caspar)



König Friedrich Wilhelm II., der Neffe und Nachfolger Friedrichs II., des Großen, hatte ein großes Herz für schöne Frauen und die Künste. Er kam aus einer musikalischen Familie und soll das Cello brillant gespielt haben. Zwischen 1793 und 1796 ließ er für die Bewohner der Residenz- und Garnsionstadt Potsdam das Königliche Schauspielhaus im Stil des Frühklassizismus erbauen. Die Lage des laut Giebelinschrift "Dem Vergnügen der Einwohner" gewidmeten Bauwerks am Potsdamer Stadtkanal verschaffte diesem den volkstümlichen Namen Kanaloper. Bei der Bombardierung der Stadt am 14. April 1945, drei Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wurde auch das Theater schwer beschädigt. Im Zuge der Umgestaltung von Potsdam in eine sozialistische Bezirkshauptstadt wurde die Ruine beseitigt, um Platz für ein Wohnhochhaus in Plattenbauweise zu schaffen. Bis dahin gab es nur das im Neuen Palais befindliche, nur dem Adel und der Hofgesellschaft vorbehaltene Schlosstheater. Da die Potsdamer nicht ganz ohne Theater auskommen wollten, gingen sie in eine nicht mehr für geistliche Zwecke genutzte Kirche, die in einen Komödiensaal umgewandelt und von umherziehenden Theatertruppen bespielt und in den 1770er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen wurde.

Boumann und/oder Langhans

Nach dem Tod des ganz auf Beachtung feudaler Privilegien achtenden Friedrichs II., des Großen, kam dessen Neffe Friedrich Wilhelm II. am 17. August 1786 auf den Thron, ein Mann, dem die Nähe zu seine Untertanen wichtig war. Musikbegeistert, wie er war, trat der "dicke Wilhelm", wie man ihn nannte, mit seinem Cello in öffentlichen Konzerten auf und gestattete seinen Untertanen den Besuch der Konzerte, sofern sie "anständig" gekleidet sind. Der bekannte Bauhistoriker Friedrich Mielke schrieb mit Blick auf den neuen König in seinem voluminösen Werk "Potsdamer Baukunst - Das klassische Potsdam" (Propyläen Verlag Frankfurt am Main/Berlin 2. Auflage 1991), der König habe bereits 1787 den Architekten Carl Gotthard Langhans gebeten zu prüfen, wie an den Marstall des Charlottenburger Schlosses ein neues Theater angefügt werden kann. Als dieses fertig gestellt war, konnte der Bau eines Theaters am Kanal 8 in Potsdam begonnen werden. Der Zuschauerraum und die drei Ränge boten 720 Besuchern Platz, und es gab auch einen prächtig gestalteten Aufenthaltsraum.

Ursprünglich sollte das neue Theater bescheidener gebaut werde. Doch als 1795 die Nikolaikirche mit ihrer italienischen Barockfassade am Potsdamer Alten Markt abgebrannt war und abgetragen werden musste, wurden die Ziegelsteine auf Befehl des Königs für das Theater verwendet, das nun einen Konzertsaal bekam. Im Umkreis der "Kanaloper" wurde außerdem eine Schauspielerkaserne genannte Unterkunft für die Theaterleute errichtet. Sie mussten mühsam und kostspielig zwischen Berlin und Potsdam pendeln und konnten nun in Potsdam nächtigen. Die Nikolaikirche erlebte 1830 bis1835 nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel ihre Wiedergeburt zunächst ohne die mächtige Kuppel, die ihr 1843 auf Wunsch von Friedrich Wilhelm IV. aufgesetzt wurde.

Unklar ist, wer der Architekt des Potsdamer Theaters war. Michael Philipp Boumann und/oder Carl Gotthard Langhans werden angegeben. Friedrich Mielke meint, Langhans, dem wir das Brandenburger Tor in Berlin, das Marmorpalais am Heiligen See in Potsdam und andere Inkunabeln frühklassizistischer Architektur verdanken, habe das Theater in Potsdam entworfen, während Boumann mit der Ausführung betraut war. Friedrich Wilhelm IV. ließ 1850 Renovierungsarbeiten durchführen, die der Architekt Ludwig Ferdinand Hesse leitete. Franz August Schubert bemalte die Decke des Konzertsaals mit Szenen aus der antiken Mythologie sowie Porträts der berühmtesten Komponisten des 18. Jahrhunderts Haydn, Mozart, Gluck und Zelter aus. 1927 erhielt das Theater eine Drehbühne. Zur Zeit Friedrich Wilhelms II. gab es nur einmal in der Woche eine Vorstellung, was gespielt wurde, hat der König selbst bestimmt. Beliebt waren Opern von Paisiello, Salieri, Ditters von Dittersdorf, Benda und Reichardt, vor allem aber von Mozart.

Bloß keine Ruinen zu den Arbeiterfestspielen

Beim britischen Bombenangriff auf Potsdam am 14. April 1945 blieb das Schauspielhaus zunächst weitgehend unversehrt, wurde aber bei den nachfolgenden Kampfhandlungen durch sowjetischen Artilleriebeschuss getroffen und brannte aus. Als im Sommer 1966 in Potsdam die 8. Arbeiterfestspielen des FDGB stattfanden, wurden die Reste der Vorderfront des Theaters unter der Parole "Keine Ruinen zu den Arbeiterfestspielen" abgebrochen. Schadows Relief wurde geborgen und kam nach Berlin in das wieder aufgebaute Kronprinzenpalais Unter den Linden, wo es in zwei Teilen das Treppenhaus schmückt. Die zum Stadtkanal gewandte Vorderfront des Theaters besaß drei rundbogige Eingangstüren, über denen sich ein Portikus mit einer über zwei Etagen reichenden Fensterwand erhob. Zwischen den drei ionischen Säulen standen die vom Bildhauer und Stuckateur Constantin Philipp Georg Sartori geschaffenen Büsten der altgriechischen Dichter Aristophanes und Sophokles.

Der unterhalb des dreieckigen Giebels angebrachte Figurenfries wurde von Johann Gottfried Schadow geschaffen und von den Brüder Johann Christoph und Johann Michael Christoph Wohler ausgeführt. Nach einer Beschreibung von Michael Philipp Boumann in einem Brief an den König ist Apollo die Hauptperson "und rührt die Leier, […] neben diesen Thalia die comische und Melpomene die tragische Muse, hierauf folgen die beiden alten Dichter Aechillus und Menander, […] neben Aechillus komt die Muse der Tonkunst, blast auf der Flöte, und die übrigen Musen tanzen dabei Hand in Hand, außer der Urania, welche nachdenkend an einer Säule steht."

Schauspielerkaserne blieb stehen

Die Schauspielerkaserne wurde wie das Königliche Schauspielhaus im frühklassizistischen Baustil errichtet. Das neunzehnachsige Gebäude erstreckt sich an der Posthofstraße, die entlang der Nordseite des Grundstücks verläuft. Die Fassade wird im ersten Obergeschoss durch eine Rahmung fast aller Fenster mit Gesims und schmückenden Rosetten unter den Fenstern belebt. Den Mittelteil des dreigeschossigen Hauses schmückt ein über drei Fensterachsen reichendes Bogenrelief, das die Brüder Wohler nach dem Entwurf von Johann Gottfried Schadow ausführten. Die Darstellungen zeigen in der Mitte den Altar Apollos mit Kranz und Lyra. Ihm zur Rechten steht die Muse der komischen Dichtung Thalia mit dem Genius des Lebens und nach der Musik eines Flötenspielers tanzende Figuren als Sinnbild der Komödie. Links ist Melpomene, die Muse der tragischen Dichtung, mit dem Genius des Todes an einen Altar gelehnt, gefolgt von Daidalos und seinem Sohn Ikarus sowie ein in sein Schwert stürzender Krieger als Sinnbilder der Tragödie.

Weil die Akteure immer von Berlin nach Potsdam reisen mussten, bekam das Potsdamer Theater unter Friedrich Wilhelms IV. ein eigenes Ensemble. Ein Prinzipal pachtete das Haus und stellte eigenverantwortlich ohne Vorgaben des Königs den Spielplan auf. Um nach dem Ende der Monarchie auch solchen Menschen den Besuch zu ermöglichen, die wenig Geld verdienten, wurde das Potsdamer Theater 1920 der "Volksbühne e. V." angeschlossen. 1927 ging das Haus in das Eigentum des preußischen Staates über. Nach der Errichtung der NS-Diktatur standen vor allem patriotische und völkische, dem nationalsozialistischen Ungeist verpflichtete Stücke auf dem Programm. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Spielbetrieb durch Reichspropagandaminister Joseph Goebbels in Potsdam und an allen anderen deutschen Theatern eingestellt.

Keiner wollte die Blechbüchse haben

Mit Gründung des Brandenburgischen Landestheaters 1946 in Potsdam diente das Schlosstheater im Neuen Palais mit etwa 300 Plätzen zunächst als Spielstätte. Drei Jahre später wurde die ehemalige Tanzgaststätte "Zum Alten Fritz" in der Zimmerstraße 10 als neues Theater mit Goethes Faust Teil I eröffnet. Nach dem bereits 1933 von den Nationalsozialisten ermordeten Schauspieler Hans Otto benannt, erwarb sich das Hans-Otto-Theater auch überregional einen guten Ruf. Für einen zur Tausendjahrfeier 1993 geplanten Neubau unweit des Alten Markts damals noch ohne das in das Landtagsgebäude umgewandelte Stadtschloss wurde 1989, kurz vor dem Mauerfall und dem Ende des SED-Regimes, der Grundstein gelegt. Das halbfertige Gebäude wurde 1991 aufgrund eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung wieder abgerissen. An seiner Stelle entstand 1992 als Provisorium das "Theaterhaus am Alten Markt". Die aus Österreich stammende Blechhalle mit 550 Plätzen erhielt schnell den Spottnamen "Blechbüchse". Im gleichen Jahr gab es eine Grundsatzentscheidung für ein neues Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse, für dessen Bau ein Entwurf des Kölner Architekten Gottfried Böhm verwendet wurde. Der Neubau wurde am 24. September 2006 eingeweiht, und die ungeliebte "Blechbüchse" wurde nach Zagreb verkauft.

18. März 2019

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