"Zwei Taler sind zu wenig für einen großen König"
Die deutsche Sappho genannte Dichterin Anna Luise Karsch wies 1763 erbärmliches Geschenk zurück



Die mit der legendären Dichterin Sappho verglichene Poetin Anna Luise Karsch war mutig, als sie ein unverschämt geringes Gnadengeschenk an den König zurück gehen ließ, verbunden mit wenig schmeichelhaften Reimen (links unten Reichstaler von 1751, darüber eine goldene Tabaksdose mit königlichem Porträt). Das 1791 von Karl Christian Kehrer gemalte Porträt der alt gewordenen Dichterin befindet sich Halberstädter Gleimhaus.



Der Dichter und Mäzen Johann Wilhelm Ludwig Gleim förderte Mari Luise Karsch und nannte sie eine deutsche Sappho, deren Porträt von Daniel Chodowiecki, einem ihrer Bewunderer und Förderer, geschaffen wurde.



Preußens berühmtester, als Feldherr und Philosoph von Sanssouci gleichermaßen verehrter und gefürchteter König ließ sich seine Leidenschaft für die Musik und die Oper viel Geld kosten, wie die Schatullrechnungen belegen. Wer ihm von den Musikern und Tänzern gefiel, der bekam Sonderzuwendungen, andere Künstler mussten sich mit mageren Löhnen zufrieden geben.





Die mit der Hand geschriebenen Schatullrechnungen korrigieren das Bild vom sparsamen, im persönlichen Bereich sogar knauserigen König vom Preußen und zeigen, dass ihm für Luxus, gutes Essen und repräsentative Zwecke nichts zu teuer war.







Friedrich II. von Preußen war ein populärer Mann und eine Ausnahmeerscheinung in der ziemlich tristen, ganz auf Konsum und Machterhalt ausgerichteten Fürstenriege seiner Zeit. Münzen und Medaillen, Tabaksdosen aus Porzellan und aus gepresstem Messingblech (Foto) und andere Medien halfen, sein Bildnis und seine Taten in Europa zu popularisieren, ebenso Stiche, Anekdoten, Erzählungen und Gedichte wie die der Anna Luise Karsch dienten seiner Verherrlichung. (Fotos/Repros: Caspar)

Preußens König Friedrich II., der Große, war in großen Dingen groß und freigebig, konnte manchmal auch beschämend kleinlich und geizig sein. Hätte er zwei Million Taler gehabt, so wird er zitiert, dann hätte er diese gewaltige Summe in den Potsdamer Schlösser und Gartenparadies gesteckt, soll der vielgerühmte Kriegsherr, wortgewaltige Schreiber und flötenspielende Musensohn gesagt haben. Doch da ihm wegen seiner militärischen Abenteuer und anderer Ausgaben für diese seine "Puppen" nur eine Million zur Verfügung standen, musste er sich bei seinen Baumaßnahmen einschränken. Überliefert ist, dass der absolut regierende, nicht die leiseste Kritik und auch keine Einmischung durch eigene Familienmitglieder duldende Monarch die Rechnungen seiner Architekten und Bauleute genau prüfte. Da er in diesen und anderen Leuten an seinem Hof nur betrügerische "Domestiken" sah, kürzte er selbstherrlich Löhne und Anschaffungskosten, und die Betroffenen mussten noch dankbar sein, wenn der berühmte König von Preußen sie überhaupt beschäftigte und Brosamen von seiner reich gedeckten Tafel fallen ließ.

Während der König auf der einen Seite erklärte, er müsse sich beschränken und habe nichts zu verschenken, warf er auf der anderen Seite mit Talern und Dukaten nur so um sich, wenn er sich von seinen Gnadenakten Ansehen und Hilfe versprach. So ließ er der Zarin Katharina der Großen teures Porzellan und sogar edel gestaltete Kutschen zukommen und erkaufte sich so die Sympathie der aus dem winzigen deutschen Fürstentum Anhalt-Zerbst stammenden Selbstherrscherin aller Reußen und ihre Mitwirkung an der Teilung des polnischen Königreiches unter Preußen, Russland und Österreich.

Kontoauszüge nicht länger geheim

Lange geheim gehaltene Dokumente zeigen, was sich der König von Preußen seinen exquisiten Lebensstil kosten ließ. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hat gemeinsam mit dem Geheimen Staatsarchiv zu Berlin Preußischer Kulturbesitz und in Zusammenarbeit mit der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (Max Weber Stiftung) und dem Research Center Sanssouci (RECS) die Schatullrechnungen des Königs digital erschlossen und unter der Internetadresse www.perspektivia.net veröffentlicht. Die Kontoauszüge des Königs galten nach dem Zweiten Weltkrieg als verloren, doch wurden rund 1700 Belege im Nachlass des 1960 verstorbenen Direktors des Märkischen Museums in Berlin, Walter Stengel, gefunden. So konnten 40 Bände aus der Zeit von 1742 bis 1786 ausgewertet werden, das heißt fast aus der gesamten Regierungszeit des Königs. Die Einträge waren so geheim, dass nicht einmal Michael Daniel Fredersdorf, der Geheime Kämmerer und Intimus des Königs, von ihnen wusste.

Die Rechnungsblätter liegen in der Mehrzahl im Folioformat vor und wurden zu Jahrgangsheften gebunden. Allerdings sind nicht für nicht alle Jahre vollständig dokumentiert. Die Bearbeiter stellen fest: "Eine Beschäftigung mit diesem Quellenbestand ist lohneswert. Selten ist man dem Alltagsleben am preußischen Hof des 18. Jahrhunderts näher, kaum lassen sich die Vorlieben des Königs etwa hinsichtlich der Kleidung, der Musik wie auch von Genussmitteln wie etwa Wein, Käse, frisches Obst und Schnupftabak deutlicher ablesen, und kaum lässt sich durch den Vergleich der unterschiedlichen ,Tractamente' die königliche Gunst genauer ermessen, in der sich bestimmte Personen wähnen durften."

Schaut man die Abrechnungen etwa für die königlichen Kutschen und Garderobe, Dotationen an Familienmitglieder, Diplomaten, Günstlinge und Tänzerinnen, für das Futter der von Friedrich II. so geliebten Hunde oder auch für teure Staatsgeschenke an ausländische Monarchen an, dann liest man zum Teil exorbitante Summen. Aufgelistet sind in den als eine Art Kontoauszüge zu wertenden Dokumenten bis auf den letzten Groschen und Pfennig die immensen Kosten für die königlichen Gemälde-, Skulpturen- und Münzsammlung und ihre Unterbringung, mit denen der in kostspielige Kriege verwickelte Monarch während seiner ungewöhnlich langen Regierungszeit von 1740 bis 1786 den Ruf von Berlin und Potsdam als Pflegestätten von Kunst, Kultur und Gelehrsamkeit begründete.

Goldstücke in kostbaren Tabatièren verschenkt

Die Analyse zeigt, dass sich der königliche Feinschmecker und Kunstsammler den Kauf von Kirschen für drei Reichstaler pro Stück und viele tausend Reichstaler für den Erwerb von Porzellan und Gemälden kosten ließ. Nach außen hin tat Friedrich II. allerdings so, als sei er arm wie eine Kirchenmaus, und er ließ dies auch in rüder Weise etwa arme Soldatenwitwen wissen, wenn sie ihn um ein paar Taler Unterstützung baten. Hochgeheim war neben dem Journal auch des Königs "Rote Schatulle" oder, wie er schrieb, der "rohte Casten", in dem Bargeld aufbewahrt wurde. Dieser Fonds stand dem König zur unmittelbaren Verfügung, etwa wenn er brillantbesetzte und mit Porträts geschmückte Tabatièren anfertigen ließ und sie an Günstlinge verschenkte und damit eines seiner teuren Hobbys pflegte. Der König hatte mehrere dieser etliche tausend Taler teuren Exemplare aus purem Gold bei sich und verschenkte sie, oft randvoll mit Münzen gefüllt, an Familienangehörige, fremde Potentaten und verdienste Staatsdiener.

Die Rechnungen vermitteln aufschlussreiche Einsichten in das Leben und die finanziellen Gebaren des Königs von Preußen, der vor 300 Jahren geboren wurde, und sie dokumentieren anschaulich seinen Hang zum Luxus, zu kostbaren Möbeln, Bildern und Raumausstattungen, aber auch zu teuren Speisen und edlem Tafelgeschirr aus Silber und Porzellan. Außerdem zeigen sie, dass sich der königliche Flötenspieler und Komponist die Beschäftigung von Musikern und Tänzern viel Geld kosten ließ. Schaut man die Rechnungen etwa für Kutschen und Garderobe, ja selbst für das Futter der königlichen Hunde an, dann liest man zum Teil exorbitante Summen, für die einfache Leute und selbst hohe Beamte viele Jahre arbeiten mussten. Die Untersuchungen korrigieren das über zwei Jahrhunderte gepflegte Bild vom sparsamen, im persönlichen Bereich sogar knauserigen König vom Preußen. Sie zeigen zugleich, dass ihm für repräsentative Zwecke und bei der Zurschaustellung der Macht des Hohenzollernstaates nichts zu teuer war.

Audienz beim Großen Friedrich

Nicht alle ließen sich das herablassende Benehmen des von den einen als Vater des Vaterlandes und Philosoph von Sanssouci gefeierten und von anderen als Landräuber und Verschwender geschmähten Königs von Preußen gefallen. Ein berühmtes Beispiel dafür ist die Reaktion der in Anlehnung an eine mythische Dichterin der griechischen Antike "deutsche Sappho" genannte Gelegenheits- und Stehgreifdichterin Anna Luise Karsch auf ein ausgesprochen mageres Gnadengeschenk, dass der Große Friedrich ihr nach einer Audienz. Die Tochter eines leibeigenen Bauern wuchs in bitterer Armut auf und schlug sich, nach vielen Jahren nach Berlin gelangt, mit dem Schreiben von Gedichten durchs Leben. Sie tat das gegen alle Regeln der Orthographie und der Gesetze, die damals für kunstvolle Poesie und ausdrucksstarke Bilder galten. Dennoch haben Zeitgenossen "die Karschin" bewundert.

Dank Vermittlung durch den damals vielgerühmten General und Helden des Siebenjährigen Kriegs, Friedrich Wilhelm von Seydlitz, wurde ein Besuch der Dichterin bei ihrem Idol, Friedrich II., arrangiert. Der König war verwundert, dass die Besucherin sich bei den antiken Schriftstellern Horaz, Homer und Pindar auskennt. Er fragte nach ihrem Leben und ihrer Herkunft und erfuhr, dass ihr Mann ein fahnenflüchtiger Soldat ist, von dem sie sich aber scheiden lassen möchte. Das Honorar von 20 Talern für acht Lieder, die sie auf den Ruhm des Königs verfasst hat und drucken ließ, erschien diesem recht bescheiden. Davon könne man nicht lange leben, und er wolle für sie sorgen, versprach er. Dass er für diese 20 Taler gerade einmal sechs oder sieben Kirschen bekam, hat er selbstverständlich bei sich behalten.

Hoffnungen blieben unerfüllt

Wie sehr aber war Anna Luise Karsch enttäuscht, dass ihr statt der erhofften kleinen Pension oder eines kleinen Landguts ein Brief mit einem "Gnadengeschenk" von zwei Talern ausgehändigt wurde. Postwendend ging die schäbige Summe mit diesem Vierzeiler zurück an den Absender, der wenig von Frauen hielt und nur antike Dichter und solche aus Frankreich gelten ließ und an zeitgenössischen deutsche Autoren sowieso kein gutes Haar ließ: "Zwei Thaler sind zu wenig / Für einen großen König! / Zwei Thaler sind für mich kein Glück - / Drum schick ich sie zurück." Nach nochmaliger Mahnung, sein Versprechen, sich um sie zu sorgen, zu erfüllen, erhöhte der König sein Geschenk auf drei Taler, was die Dichterin zu dieser aus 16 Zeilen bestehenden Antwort veranlasste: "Seine Majestät befehlen, / Mir, statt eines Hauses Bau, / Doch drei Thaler auszuzahlen. / Der Befehl ward ganz genau, / Prompt und willig ausgerichtet, / Und zum Dank bin ich verpflichtet. / Aber für drei Thaler kann / Zu Berlin kein Hobelmann / Mir mein letztes Haus erbauen, / Sonst bestellt' ich ohne Grauen / Morgen mir ein solches Haus, / Wo einst Würmer Tafel halten / und sich ärgern übern Schmaus / Von des abgehärmten, alten, / Magern Weibes Überrest, / Das der König - seufzen lässt." Wie Friedrich II. auf diese auch das traurige Fortbestehen der Dichterin im Grab beschreibende Unbotmäßigkeit reagierte, ist nicht überliefert. Sein Nachfolger und Neffe Friedrich Wilhelm II., seit 1786 auf dem preußischen Thron, schenkte ihr jedoch jenes Häuschen, das sie sich so sehr gewünscht hatte.

Kennst Du, Wandrer, sie nicht / So lerne sie kennen

Zeitgenossen wie Johann Ludwig Wilhelm Gleim, Gotthold Ephraim Lessing, Moses Mendelssohn und Karl Wilhelm Ramler erkannten, welche Talente in der vom Leben gebeutelten, zweimal unglücklich verheirateten und in dürftigen Verhältnissen lebenden Autodidaktin stecken. Dem "Vater Gleim" genannten Dichter und Mäzen Gleim ist es zu verdanken, dass 1764 ihre "Auserlesenen Gedichte" erschienen. Kein Geringerer als Johann Gottfried Herder schieb über sie: "Wenn man die Gedichte der Madam Karschin auch nur als Gemälde der Einbildungskraft betrachtet, so haben sie wegen ihrer vielen originalen Züge mehr Verdienst um die Erweckung deutschen Genies als viele Oden nach regelmäßigem Schnitt." Es gehört zur Tragik der "deutschen Sappho", dass sie in den Jahrhunderten nach ihrem Tod anno 1791 nahezu vergessen wurde. Allenfalls ließ man sie als kuriose Erscheinung im literarischen Leben der Aufklärungszeit gelten.

Bestattet wurde die in ihrer Zeit vielfach gerühmte und später vergessene Dichterin auf dem Friedhof an der Sophienkirche in Berlin unweit des S-Bahnhofs Hackescher Markt. Die Grabplatte an der Nordwand des barocken Gotteshauses trägt die Inschrift: "Kennst Du, Wandrer, sie nicht / So lerne sie kennen." Bestattet wurde die in ihrer Zeit gerühmte und später vergessene Dichterin 1791 auf dem Friedhof an der Sophienkirche in Berlin unweit des S-Bahnhofs Hackescher Markt. Die Grabplatte an der Nordwand des barocken Gotteshauses trägt die Inschrift: "Kennst Du, Wandrer, sie nicht / So lerne sie kennen." Die Anna-Louisa-Karsch-Straße in Berlin-Mitte unweit der Burgstraße ist nach der Dichterin benannt.

17. März 2019



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