"Dem thätigen Geiste, der die Fluren belebte"
Kostbare Grabanlage in Kunersdorf erinnert an die resolute Frau von Friedland und ihre Familie







Von bedeutenden Künstlern gestaltet, wurde die Kunersdorfer Grabanlage von Theodor Fontane als bedeutende Sehenswürdigkeit gewürdigt.



Die statt eines klassizistisch gestalteten Gotteshauses erbaute Dorfkirche von Kunersdorf wurde in kirchenfeindlicher Zeit von 1950 bis 1955 gebaut.





Adelbert von Chamisso und Wilhelm von Humboldt waren Gäste des Kunersdorfer Musenhofs. Ihrer wird mit einer Büste auf einer Grünanlage unweit des Berliner S-Bahnhofs Hackescher Mark und mit einer prachtvollen Marmorstatue vor der Humboldt-Universität Unter den Linden in Berlin gedacht. (Fotos: Caspar)

Wie Möglin war auch das wenige Kilometer entfernte Gut Kunersdorf bei Wriezen - es schrieb sich bis 1945 mit einem C - im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert Treffpunkt der geistigen und künstlerischen Elite Preußens. Den Ruf, ein "preußisches Weimar" zu sein, verdanken der Musenhof und das Dorf, das nicht mit der Stätte einer von Friedrich dem Großen gegen österreichische und russische Truppen verlorenen Schlacht am 12. August 1759 auf der östlichen Seite der Oder verwechselt werden darf, der Gutsherrin Helene Charlotte von Lestwitz und ihren Nachkommen. Frau von Friedland, wie sich die hoch gebildete Dame nach ihrer Trennung von Adrian Heinrich von Borcke nannte, um nicht mehr an diesen erinnert zu werden, fand mit weiteren Familienangehörigen auf dem Dorffriedhof unweit des 1771 bis 1774 erbauten, im Frühjahr 1945 bei den letzten Kämpfen des Zweiten Weltkriegs stark beschädigten und danach abgerissenen Schlosses ihre letzte Ruhe.

Albrecht Daniel Thaer nannte seine resolute Nachbarin eine der merkwürdigsten Frauen, die je existiert haben. "Ihr unabhängiger Geist und ihr reiches Gedankengut, geprägt durch die Aufklärung, versetzte sie in die Lage, im Dienste des agrarischen Fortschritts sehr erfolgreich zu wirken. Mit der Anwendung neuer Ackermethoden versuchte sie, die Ertragsfähigkeit ihrer insgesamt sechs großen Wirtschaften zu steigern. Zum anderen zeugt ihr Handeln von sozialer Verantwortung", stellte der berühmte Gelehrte fest. Frau von Friedland verkaufte ihre Juwelen, um Kapital für die Modernisierung ihrer Landwirtschaft in die Hand zu bekommen.

Neue Anbau- und Erntemethoden

Sie erprobte ganz in Thaers Sinne neue Anbau- und Erntemethoden und nahm die Kultivierung von Futtergräsern, die Umgestaltung der Feldfluren und die Entwicklung neuer Gehölzpflanzen in die eigene Hand, wie man auf einer Tafel am Eingang zum Friedhof lesen kann. Ein Gutsnachbar, General Johann Friedrich Adolf von der Marwitz, schrieb über die resolute Dame, sie sei nicht bloß Landwirtin gewesen, "sondern eine höchst geistreiche und in allen Dingen unterrichtete Frau. Ich schulde ihr sehr viel; sie hatte mir, als ich Friedersdorf übernahm, die nötigen Wirtschaftsbeamten verschafft und die Rechnungsbücher einrichten lassen."

In seinen "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" zitiert Theodor Fontane den adligen Gutsherren und lobt das Organisations- und Erziehungstalent der Frau von Friedland und ihre damals als bemerkenswert registrierte Gabe, Leute aus dem Bauernstand zu treuen und tüchtigen Verwaltern, Förstern und Jägern heranzubilden. Das hochherrschaftliche Erbbegräbnis nennt Fontane die "größte Sehenswürdigkeit von Schloss Cunersdorf" und zitiert die Grabinschrift "Dem thätigen Geiste, der die Fluren belebte" für die Frau von Friedland. Der Friedhof bilde eine Sehenswürdigkeit auch nach der Seite des Künstlerischen hin. "Die besten bildnerischen Kräfte, die unser Land hervorgebracht, waren hier tätig: Schadow, Rauch, Tieck. Und keiner von ihnen ist an dieser Stelle hinter sich selbst zurückgeblieben."

Die von dem Architekten des Brandenburger Tors in Berlin und des Königlichen Theaters in Potsdam und weitere Spielstätten, Carl Gotthard Langhans, gestaltete Kolonnade sucht weit und breit ihresgleichen. Hochkarätige Bildhauer schufen marmorne Grabmäler, darunter einige mit Bildnissen der Verstorbenen. Helene Charlotte von Lestwitz und ihre gleichfalls in der Säulenmauer mit einem Grabmal geehrte Tochter Henriette Charlotte Gräfin von Itzenplitz entwickelten Kunersdorf zu einem Treffpunkt großer Denker und Künstler ihrer Zeit. Gäste waren der Weltreisende Alexander von Humboldt und sein Bruder Wilhelm von Humboldt, aber auch Albrecht Daniel Thaer, der Naturforscher und Dichter Adelbert von Chamisso, der Historiker Leopold von Ranke, der Musiker und Goethe-Freund Karl Friedrich Zelter und viele andere.

Berühmter Landschaftspark wurde wiederhergestellt

Die Prominenz des märkischen Musenhofs und seiner berühmten Gäste half nichts, als es nach dem Zweiten Weltkrieg um die Frage ging, ob man durch Kriegshandlungen schwer beschädigte Schloss wieder aufbauen und den Ort zu einem kulturellen Treffpunkt entwickeln sollte, der an beste Traditionen des frühen 19. Jahrhunderts anknüpft. Das Schloss musste fallen, weil in der SED-Diktatur solche Herrensitze nur in Ausnahmefällen duldete und sie als Aushängeschilder des so sehr um das kulturelle Erbe bemühten Arbeiter-und-Bauern-Staates gebrauchte. Während Staatspräsident Wilhelm Pieck das Schloss der Königin Elisabeth Christine im Pankower Ortsteil Niederschönhausen als Amtssitz bezog, wurde die wiederaufbaufähige Ruine des Berliner Stadtschlosses in die Luft gesprengt.

Kunersdorf besaß einen berühmten Landschaftspark, an dessen Gestaltung möglicherweise sind an der Planung Peter Joseph Lenné und dessen Schüler Gerhard Koerber beteiligt waren. Durch Schäden im Zweiten Weltkrieg, ein Hochwasser im Jahre 1947, Holzfällungen und Flurbereinigungen wurde der Park stark beschädigt. Erst in den 1990er Jahren konnten der Park mit einem Teich darin aufwändig saniert werden. Zu ihrem 250. Geburtstag wurde 2004 im Park ein Denkmal für Helene Charlotte von Friedland errichtet, das von der Bildhauerin Erika Stürmer-Alex geschaffen worden war. Eine als Dépendance des einstigen Kunersdorfer Schlosses in den 1920-er Jahren erbaute Villa hat alle Kriegs- und Krisenzeiten überstanden. Dem Vorbild der Frau von Friedland folgend, wird das Gebäude unweit der Dorfkirche seit 2007 als musikalisch-literarischer Treffpunkt genutzt. Sein Name erinnert an den Dichter und Naturforscher Adelbert von Chamisso, der 1813 im Schloss die zur Weltliteratur gehörende Novelle "Peter Schlemihls wundersame Geschichte" schrieb. Eine Ausstellung erinnert an das Leben und Werk des vielseitigen Dichters und Forschers. 20. März 2019

Zurück zur Themenübersicht "Berlin, Potsdam, Land Brandenburg"