Vom Marktplatz an die Stadtmauer
Unterschiedliche Sichtweisen auf den Begründer der KPD Karl Liebknecht in Luckauer Ausstellung dokumentiert





Vom Markt zu Luckau vor die Stadtmauer wurde 1992 das von Theo Balden geschaffene Liebknecht-Denkmal gerückt.





Das Foto mit Karl Liebknecht als Redner im Tiergarten diente als Vorlage für Plakate und Grafiken und inspirierte auch Theo Balden und das Luckauer Denkmal.



Am Beginn der Prenzlauer Allee steht auf einer kleinen Anlage ein Liebknecht gewidmeter Gedenkstein. (Fotos/Repro: Caspar)

An der Stadtmauer von Luckau (Landkreis Dahme-Spreewald) erinnert ein von Theo Balden geschaffenes Standbild an den linken Sozialdemokraten und Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) Karl Liebknecht, der vor einhundert Jahren gemeinsam mit Rosa Luxemburg. Ursprünglich 1969 zum 50. Jahrestag der Novemberevolution und der Gründung der KPD auf dem Markplatz enthüllt und im Zentrum von politischen Veranstaltungen stehend, wurde das Denkmal nach dem Ende der DDR nicht abgebaut, sondern an die Stadtmauer verbannt. Das Bildwerk aus Bronze zeigt den Politiker, wie er eine Wand durchbricht und seine Zuhörer in einer für ihn charakteristischen und durch Fotos und eine kurze Filmsequenz dokumentierten Haltung anspricht. Der Rechtsanwalt und Reichstagsabgeordnete von 1912 bis 1916 war Sohn des Mitbegründers der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands (SDAP) Wilhelm Liebknecht. Er hatte sich schon vor dem Ersten Weltkrieg mit Rosa Luxemburg als einer der einflussreichsten Führer der deutschen Linken profiliert und wortgewaltig gegen Rüstung und Kriegstreiberei gekämpft. Wegen seiner Schrift "Militarismus und Antimilitarismus unter Berücksichtigung der internationalen Jugendbewegung" wurde Karl Liebknecht als Hochverräter verurteilt und auf die Festung Glatz geschickt.

Burgkrieg, nicht Burgfriede!

Im Dezember 1914 stimmte der Abgeordnete im Reichstag als einziger gegen die kaiserlichen Kriegskredite, womit er seine Partei und seine Parlamentskollegen gegen sich aufbrachte. Die SPD-Führung hatte sich, vom nationalen Kriegstaumel mitgerissen, in Abkehr früherer Beschlüsse und ganz im Sinne des vom Kaiser Wilhelm II. geforderten "Burgfriedens" für die Kriegskredite ausgesprochen hatten. Unbeirrt agitierte Liebknecht als einfacher Armierungssoldat an der West- und Ostfront weiter gegen den Völkermord, stellte in einem Flugblatt "Der Hauptfeind steht im eigenen Land" fest und forderte "Burgkrieg, nicht Burgfriede!" 1916 erneut wegen Hochverrats verurteilt, saß er seine Haft im Zuchthaus Luckau ab, kam aber im Oktober 1918 auf Grund einer Amnestie wieder frei. Nach Berlin zurückgekehrt, war er einer der Organisatoren der revolutionären Erhebung im November 1918, in deren Ergebnis der Kaiser und die anderen deutschen Fürsten abdankten mussten. Karl Liebknecht verkündete am 9. November 1918 vom Balkon des Berliner Schlosses die "sozialistische" Republik, während der SPD-Politiker Philipp Scheidemann vom Reichstagsgebäude hingegen die freie, deutsche Republik ausrief.

Im ehemaligen Dominikanerkloster, seit 1747 Zucht- und Armenhaus und heute Justizvollzuganstalt, ist eine Gedenkstätte dem prominentesten Häftling Karl Liebknecht gewidmet. Die Zelle, in der Liebknecht einsaß, ist erhalten und kann besichtigt werden. Dargestellt sind sein Lebensweg sowie die Vorgeschichte und die Zeit seiner Haft in Luckau. Das Brandenburger Justizministerium gab 2005 die JVA Luckau auf. Zu teuer war der Unterhalt der denkmalgeschützten Anlage. Die Gefangenen und Angestellten zogen in einen Gefängnisneubau im nahe gelegenen Duben. Energisch hatte die Stadt gegen den Umzug protestiert, schließlich war die JVA mit 100 Bediensteten zweitgrößter Arbeitgeber der Stadt, viele Luckauer Geschäfte und Handwerksbetriebe bekamen gute bezahlte Aufträge von dort. Doch der Protest war vergebens.

Nach der Schließung der JVA stand die Stadt vor einer schwierigen Entscheidung. Die Gefängnisbauten standen leer. Die Idee, aus der früheren Kirche des Dominikanerklosters ein kulturelles Zentrum zu machen, überzeugte die Landespolitiker in Potsdam. Sie übertrugen den Bau der Stadt Luckau, später bekam diese das gesamte Gelände. Es blieb in kommunaler Hand. Aus der früheren Klosterkirche entstand eine Kulturkirche und das Niederlausitz-Museum zog dort ein. Nacheinander wurde Gebäude für Gebäude saniert und umgebaut. Für das Landesarchiv wurde in das alte Gebäude ein moderner und klimatisierter Neubau gesetzt, denn Akten und Bücher brauchen eine bestimmte Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit. Die Stadtverwaltung beantragte Fördergeld aus sämtlichen Programmen. 12,8 Millionen Euro kostete der Umbau. Während der nationalsozialistischen Herrschaft, aber auch in den ersten Nachkriegsjahre und der frühen DDR saßen im Luckauer Gefängnis immer wieder Menschen wegen ihrer politischen Überzeugungen ein. Auch ihrer wird im Museum gedacht.

Heldenverehrung in Monumentalfilmen der Defa

Liebknechts Haft im Luckauer Zuchthaus war gut in der DDR für eine verklärende Sicht auf den Mitbegründer der KPD. So verwundert es nicht, dass gerade in Luckau eine ausgeprägte Erinnerungskultur entstand. Die 1978 eröffnete Karl-Liebknecht-Gedenkstätte in der Langen Straße 71 bestand bis 1992, im gleichen Jahr wurde das Denkmal vom Marktplatz an die Stadtmauer versetzt. Nur die Zelle blieb, nun als Teil der Justizvollzugsanstalt und später des Niederlausitz-Museums Luckau in der Kulturkirche. Eine dort bis zum 14. April 2019 laufende Ausstellung betrachtet nicht nur die Person und das politische Wirken des Politikers in seiner Zeit, sondern befasst sich auch mit dem Bild, das später von ihm vermittelt wurde. Die Ausstellung geht auch die beiden Defa-Filme von 1965 und 1972 "Solange Leben in mir ist" und "Trotz alledem" ein, die Liebknecht als Helden verklären und ihm ein Denkmal nach dem Geschmack der SED setzten. Die DDR-Kritik war des Lobes voll, sah in dem ersten Film "eine große und bewundernswerte kollektive Leistung […]. Horst Schulze vollbringt das Wunder, diese ganze, gewaltige, tief in unsere Gegenwart und Zukunft wirkende menschliche Wahrheit des nationalen Helden Karl Liebknecht in einfühlsamer, phantasievoller und historisch-konkreter Darstellung zu vereinigen" (Heinz Hofmann "Liebknecht in der Schönheit seines Mutes", Märkische Volksstimme, 15. September 1965). Für das "Lexikon des internationalen Films" war der Streifen "Solange Leben in mir ist" ein "groß angelegte[r], das Pathos anderer historisch-biografischer DEFA-Filme erfolgreich zurückdrängender Versuch eines Zeitbildes mit optisch wirkungsvollen Massenszenen und beachtlicher Leistung des Hauptdarstellers."

Wie die seinerzeit mit hohen Preisen ausgezeichneten Thälmann-Filme von 1954 und 1955 in der Regie von Kurz Maetzig und weitere dem marxistisch-leninistischen Geschichtsbild verpflichteten Historienstreifen der Defa sind auch die Liebknecht-Epen allenfalls noch für DDR- und Filmhistoriker interessant.

27. Januar 2019

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